Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Alleinerbe seiner im September 2015 verstorbenen Mutter. Der Nachlass setzt sich aus diversen Bankguthaben sowie hälftigen Miteigentumsanteilen an drei Grundstücken zusammen. In dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus (Gesamtwohnfläche 490 qm) hatte die Erblasserin bis zu ihrem Tode zwei Wohnungen für sich und ihren Sohn, den Kläger, inne. Die Wohnung im Erdgeschoss ist 115 qm groß und räumlich nicht mit der Wohnung im Obergeschoss (125 qm) verbunden. Beide Wohnungen sind nur über das gemeinschaftliche Treppenhaus, das auch von den übrigen Mietern genutzt wird, erreichbar. Der anliegende Garten, der ausschließlich von der Familie des Klägers genutzt werden durfte, konnte nur durch die Erdgeschosswohnung betreten werden.
Beide Wohnungen wurden von der Erblasserin und dem Kläger gemeinsam genutzt. In der oberen Wohnung befanden sich die Schlafzimmer der Familienmitglieder (auch des Klägers), ein Badezimmer, die Küche und ein Wohnzimmer. Diese Wohnung wurde bereits vor dem Tod des Ehemanns der Erblasserin im Jahr 1995 ausschließlich privat in der oben beschriebenen Art und Weise genutzt. In der Wohnung im Erdgeschoss befanden sich zwei Arbeitszimmer, die früher vom Kläger und von dessen Vater beruflich genutzt wurden. Nach dem Tod des Vaters blieb das Arbeitszimmer unverändert eingerichtet. Zudem befanden sich ein Wohnzimmer, ein Badezimmer und eine Küche in der Erdgeschosswohnung. Wenn Gäste zu Besuch waren, wurden diese ausschließlich in der Erdgeschosswohnung empfangen. Seit Oktober 2010 hielt sich die Klägerin überwiegend in der oberen Wohnung (1. Obergeschoss) auf. Nach dem Tod der Erblasserin hielt der Kläger an der räumlichen Aufteilung und Nutzungsweise der beiden Wohnungen unverändert fest.
Das Finanzamt berücksichtigte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer die gesetzliche Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG im streitgegenständlichen Objekt nur hinsichtlich der Wohnung im Obergeschoss i.H.v. 103.066 €. Dieser Betrag berechnete sich nach dem für den Miteigentumsanteil gesondert festgestellten Grundstückswert von 404.015 € bezogen auf 125 qm im Verhältnis zu einer Gesamtwohnfläche von 490 qm. Eine Steuerbefreiung für die 115 qm große Erdgeschosswohnung wurde nicht berücksichtigt. Der Kläger begehrte hingegen die Steuerfreistellung für beide Wohnungen, begrenzt auf 200 qm.
Das FG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Zu Recht hat das Finanzamt die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für die zweite, 115 qm große Wohnung des Klägers im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Mehrfamilienhauses versagt.
Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG bleibt der erbschaftsteuerrechtliche Erwerb des Eigentums an einem bebauten Grundstück durch Kinder des Erblassers i.S.d. Vorschrift des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG von der Erbschaftsteuer ausnahmsweise steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Zudem muss die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein und die Wohnfläche 200 qm nicht übersteigen (sog. Familienheim). Bei der Auslegung des Begriffs "eine Wohnung" i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist dabei restriktiv von einem streng nummerischen Verständnis des Rechtsbegriffs auszugehen.
Infolgedessen ist von der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist nur eine einzelne Wohnung erfasst. Der Wortlaut der Vorschrift spricht klar und ausdrücklich nur von der Steuerfreistellung für "eine Wohnung", die der Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ändert daran auch die anschließende Begrenzung auf 200 qm nichts, da der Wortlaut insoweit ebenfalls eindeutig ist. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG spricht als Schranke der Steuerbefreiung aus, dass die "Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter" nicht übersteigen darf. Bereits hierin liegt eine klare nummerische Bestimmung.
Durch die Verwendung des Singulars "der Wohnung" und nicht der Wohnungen kommt zum Ausdruck, dass sich die Flächenbegrenzung nur auf eine einzelne Wohnung erstreckt. Das Gesetz setzt an dieser Stelle bereits das Vorhandensein einer einzelnen Wohnung voraus. Statuiert wird demzufolge eine gestufte Prüfung, bei der auf erster Ebene nur eine singuläre Wohnung steuerbefreit ist, auf zweiter Ebene ist zu prüfen, ob diese Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Soweit der Kläger der Ansicht ist, dass allein eine quadratmetermäßige Begrenzung des Gesetzgebers für den Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch die Kinder unabhängig von der Anzahl der Wohnungen getroffen wurde, so folgt das Gericht dieser Ansicht nicht, da sie vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift fehl geht.
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