Mit Start-ups vernetzen
„Food ist the new Internet“. Mit dem provokanten Zitat von Elon Musks jüngerem Bruder Kimbal brachte es Fabio Ziemßen gleich zu Anfang auf den Punkt: Die Beschäftigung mit dem Essen, seiner Herkunft und seiner Wirkung auf unsere Gesundheit begeistert Investoren und hat in Teilen unserer Gesellschaft religionsähnliche Formen angenommen. Was früher Hobbyköche waren, sind heute Foodies, Foodlovers und Foodhunters. Wo einmal nur Geschmack und Preis über den Einkauf entschieden, sind heute Nachverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit und Gesundheit ebenso wichtige Faktoren.
Einer, der sich mit den Umwälzungen in der Ernährungsbranche und ihrem Impact auf die Supply Chain bestens auskennt, ist Fabio Ziemßen, Director des Food Innovation Hubs NX Food der Metro AG. Er ist Networker und Insider der internationalen Food-Szene, Vorsitzender des neu gegründeten Verbands für alternative Proteinquellen und sorgt bei der Metro für die Umsetzung und die Sichtbarkeit dieses Know-hows auf der Fläche. Denn der Transformationsprozess hat nicht nur die produzierenden Unternehmen erfasst, sondern auch der LEH ist herausgefordert. Seine stationären Märkte müssen sich stärker am Kundenwunsch orientieren, den Dialog fördern und ein Einkaufserlebnis schaffen, das es online nicht gibt. Die Metro entwickelte bereits zwei Pilotprojekte: Start-up-Shelfs, in denen neue Produkte präsentiert und auf ihre Skalierbarkeit getestet werden, und Indoor-Farming-Stationen; kleine Gewächshäuser, in denen z. B. Kräuter direkt auf der Verkaufsfläche gezogen werden – Innovationen zum Anfassen.
Ultrafrischer Fisch – Erfolgreich mit End-to-end Supply Chain
Christian Helms ist einer der Unternehmertypen, bei denen man spürt: Der hat viel erlebt und weiß, wovon er redet. Mit hanseatischer Gelassenheit berichtete der Gründer von The Fish Experts von einem Berufsleben, das sich fast ausschließlich mit Frischelogistik und im Besonderen mit Kühllogistik beschäftigt hat. Nach dem erfolgreichen Verkauf seines früheren Frischelogistikunternehmens Rungis und zwei Jahren, in denen er machte, „was man als erfolgreicher Unternehmer eben so macht“, widmet er sich mit seinem neuen Unternehmen der Verarbeitung, dem Transport und Vertrieb von Gelbflossenthunfisch. Einem Fisch, der zwar der beliebteste und meistverkaufte in Europa ist (als Dosenfisch), aber auch viele Kritiker hat: Überfischung, große Beifangmengen und lange Transportwege sind die Themen, denen Christian Helms sich stellt – und das mit Erfolg. Seine Produkte sind MSC- und ASC-zertifiziert, die besondere Fischereimethode der von ihm beauftragten Flotte sorgt für nahezu null Beifang. Er stellt den durchgehenden Transport des Fisches bei minus18 Grad sicher und reduzierte die Verpackung auf 7 Gramm Plastik pro Einheit. Sein Top-Thema, wenn es um Nachhaltigkeit geht, ist aber die Wegwerfquote. Mit seinem Know-how zur Kühllogistik und voller Kontrolle über die End-to-end Supply Chain erreicht er eine Quote von unter 5 Prozent und leistet damit einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Auf der Vertriebsseite sieht er seine größten Verbündeten in der Zielgruppe der gesundheitsbewussten, jungen Frauen – sie lassen nicht den Preis über ihren Kauf entscheiden, sondern Nachhaltigkeit und Geschmack.
David gegen Goliath – Just Spices
Florian Falk, Mitgründer des erfolgreichen Düsseldorfer Start-ups Just Spices, meisterte die erste Aufgabe des Tages mit links: Dem aus der Kaffeepause zurückgekehrten Auditorium bot er kurzerhand das „Du“ an und bat um die Beantwortung einiger „Geschmacksfragen“: Wie schmeckt eine Zitrone? Wie eine Chilli? Wie eine Guacamole? Und richtig, einzelne Geschmacksrichtungen lassen sich leicht definieren, aber wie komponiert man die richtige Mischung für teilweise exotische Gerichte? Dieser Frage stellte er sich gemeinsam mit seinen beiden Mitgründern vor sieben Jahren. Damals studierten sie noch und konnten bei der Konkurrenz, dem Branchen-Goliath mit 85 Prozent Marktanteil, nicht fündig werden. Mit 10.000 Euro Startkapital entschlossen sie sich, aus dem Keller seiner Mutter den deutschen Gewürzmarkt zu revolutionieren und, vor allem, zu emotionalisieren. Mit Erfolg: Heute, einige Investorenrunden und eine Weltreise später, beschäftigt Just Spices 80 Mitarbeiter und vertreibt 145 Gewürzmischungen und 120 Reingewürze über ihre Website sowie den LEH – marketingseitig unterstützt von diversen Influencern und 230.000 Followern auf Instagram. Gerade dieser Vertriebsweg war der Schlüssel zum Erfolg. Wie sonst erreicht man mit begrenztem Budget eine solche Reichweite? Wie sonst nutzt man Rezepte und Fotos der Kunden für die eigene Werbung und erzählt die Entstehungsgeschichte einer exotischen Gewürzmischung quasi im Vorbeigehen am morgendlichen Frühstückstisch? Ganz so einfach ist es natürlich nicht, den Status einer „Love brand“ muss man sich täglich neu erarbeiten. Daran haben auch die im Unternehmensalltag gelebten Werte ihren Anteil: Werte wie Stolz, Freude und Leidenschaft mit Unternehmertum und Wachstum in Einklang zu bringen, ist eine Herausforderung. Die bewältigt man nur mit der richtigen Mannschaft, so Florian Falk.
„Alles bewegt sich, alles muss sich bewegen“
Treffender hätten Andreas Schüren und Christoph Havermann, beide Partner der Ebner Stolz Management Consultants, die Vorträge nicht zusammenfassen können. Nach diesem inspirierenden Input genossen die 60 geladenen Gäste aus allen Bereichen der Agrar- und Ernährungsbranche bis in den späten Abend hinein gutes Essen, intensive Gespräche und Networking auf höchstem Niveau.