Andreas Schüren, Partner bei Ebner Stolz Management Consultants, begrüßte die Gäste und stimmte auf die Vorträge ein. Ein Schwerpunktthema waren die aktuellen Herausforderungen für die Fleischproduktion – auf der einen Seite Anforderungen an das Tierwohl, Probleme mit Gülle und Klimagasemissionen und auf der anderen Seite der stark wachsende Markt für Fleischersatzprodukte. Wie geht man um mit Prognosen, dass Beyond Meat und weitere Start-ups wie Novameat aus Barcelona oder Super-Meat aus Israel in wenigen Jahren die Welt ernähren? Auch in anderen Branchenfeldern muss die Wertschöpfungskette Druck aushalten: Dürre führte 2018/19 zu erheblichen Ertragseinbußen der Landwirte, Megatrends wie Bevölkerungswachstum, Digitalisierung und Smart Farming fordern stetige Weiterentwicklung. Christoph Havermann, ebenfalls Partner, führte durch den Tag und moderierte die Feedbackrunden.
Der Metzger mit dem Aktenkoffer
Hans-Ewald Reinert, Geschäftsführender Gesellschafter der Westfälischen Privat-Fleischerei Reinert, leitet das Familienunternehmen in dritter Generation. Eine anspruchsvolle Aufgabe angesichts aktueller Herausforderungen wie den oben beschriebenen Ethik- und Nachhaltigkeitsfragen, der afrikanischen Schweinepest (ASP), dem Brexit und einem eklatanten Fachkräftemangel. Um sich in der aktuellen Konsolidierungsphase zu behaupten, hält Reinert die Themen Mitarbeiterbindung und Kundenorientierung für besonders wichtig. Per Umfrage ermittelte er, dass sich Kunden am meisten antibiotikafreies Fleisch wünschen. Reinert reagierte und experimentierte. Heute produziere er eine Wurst aus 100 Prozent antibiotikafreier Aufzucht. Um ein Unternehmen zukunftsfähig zu machen, sollten Firmenlenker ohne Angst vor einem Scheitern neue Geschäftsfelder ausprobieren und neue Zielgruppen ansprechen.
Versteckte Helfer – die internationalen Ingredients-Märkte
Der Stall der Zukunft: tiergerecht, automatisiert und hocheffizient
Sven Guericke ist Vorstandsmitglied und COO der Big Dutchmann AG, Weltmarktführer für Fütterungsanlagen und Stalleinrichtungen für Geflügel und Schweine. Die Hauptmärkte befänden sich heute in Asien, insbesondere in China, und in Südamerika, so Guericke. Hier wachse der Mittelstand und frage immer mehr Fleisch und Eier nach. Noch stünden hier Tierwohl, Ökologie, Digitalisierung und Effizienz nicht so im Fokus wie in Europa. Doch das seien die Zukunftsthemen, auch in Übersee. Im Stall von morgen sei die Produktion vollautomatisiert. Alle Daten und Prozesse –– Fütterung, Reinigung, Klimatisierung, Sensorik von Schadstoffen, Reststoffverwertung usw. –– liefen dann digital und vernetzt. Das spare Ressourcen, reduziere Emissionen und ermögliche weitreichende Datenanalysen und Vorhersagen. So zum Beispiel auch Dokumentationen, um Tierwohlstandards nachzuweisen.
Die Konsolidierung in der Landwirtschaft geht weiter
Als CEO der Agrarvis Raiffeisen AG kennt Dr. Dirk Köckler den Strukturwandel an der Basis vielleicht am besten. Allein in den letzten sieben Jahren seien in den alten Bundesländern 10 bis 15 Prozent Betriebe aufgegeben worden. Zwar existiere die flächendeckende Landwirtschaft weiter, so seine These, doch die Komplexität steige. Dazu komme die extreme Trockenheit. Sinkende Erträge bei mindestens gleichen Kosten verschärften die ohnehin schwierige Situation. Lösungen oder Gegenmaßnahmen sieht Köckler im technischen Fortschritt. Die ‚Produktionssysteme‘ Pflanze und Tier müssten weiter optimiert, die Digitalisierung forciert werden. Agrarvis rolle gerade das eigene Portal ‚myfarmvis‘ aus. Die verschiedenen Komponenten erhöhten die Effizienz und trügen so zur Nachhaltigkeit bei. Innovative Futterkonzepte führten beispielsweise zu weniger Treibhausemmissionen. Und die digitale, teilflächenspezifische Maisaussaat habe sogar im Trockenjahr 2018 im Schnitt zehn Prozent höhere Erträge gebracht.
Zucker: auf der Suche nach neuen Märkten und Anwendungen
Alexander Bott, CFO der Nordzucker AG, beschloss die Veranstaltung. Früher habe es in jedem Ort eine Zuckerfabrik gegeben, heute, nach der europäischen Deregulierung von 2017, sei die Branche abhängig vom Weltmarkt. Seitdem seien die Preise durch die einsetzende Überproduktion um 36 Prozent gesunken. Trotz der Trockenheit, die für weniger Zucker am Markt sorge, bleibe das Preisniveau weit unter Kosten. Dabei müsse die deutsche Zuckerindustrie besonders kämpfen. Einige EU-Mitgliedsländer verzerrten den Wettbewerb, indem sie Beihilfen verteilten oder das Verbot neonicotinoider Pflanzenschutzmittel umgingen. Vielversprechend seien Investitionen in die Wachstumsmärkte Asien und die kostengünstigere Rohrzuckerproduktion in Afrika. Digitale Lösungen wie Beet-Scanning oder Insekten-Monitoring böten Potenziale, so Bott. Aber man könne auch über ganz neue Verwendungen von Zucker nachdenken, zum Beispiel als Verpackungsmaterial und Alternative zu Plastik.