Vom Wursthersteller zum Protein- und Technologieanbieter
Gleich im ersten Vortrag des diesjährigen Unternehmerdialogs zeigten die beiden CEOs der InFamily Foods Holding, Hans-Ewald Reinert und Dr. Wolfgang Kühnl, wie ein Umbruch gelingen kann. Ausgangspunkt für die Transformation ihrer Unternehmen Reinert und Kemper war die Erkenntnis, dass die beiden Fleischverarbeiter es „alleine nicht mehr schaffen werden“ sich in einem immer schwieriger werdenden Marktumfeld zu behaupten. „Wir wollten uns nicht zu Tode sparen, sondern gemeinsam nach vorne gehen und etwas Großes schaffen.“ Gesagt, getan. Die innerhalb kurzer Zeit erfolgte Fusion der beiden Familienunternehmen setzte die notwendigen Kräfte frei, um sich wieder auf Zukunftsthemen fokussieren zu können. Mit der Gründung von The Plantly Butchers gelang zudem der Einstieg in den Wachstumsmarkt pflanzlicher Fleischersatzprodukte. Ein eigens entwickelter und patentierter Fermentationsprozess sichert dabei den geschmacklichen und technologischen Vorsprung. Der Blick der beiden Unternehmer in die Zukunft unserer Ernährung reicht jedoch deutlich über den „pflanzlichen Tellerrand“ hinaus. Die neu gegründete Technologie-Tochter Cultivated B soll als Enabler die komplette Infrastruktur zur Herstellung von zellbasiertem Fleisch - vom Bioreaktor bis zum Nährmedium - bereitstellen und damit den Weg hin zu einer industriell skalierten Produktion ebnen. So viel Tempo und visionäre Tatkraft ist Unternehmertum in Reinform oder wie Hans-Ewald Reinert es auf den Punkt brachte: „Ich fahre in der Krise gerne links.“
Im Spannungsfeld zwischen traditionellem Hausverkauf und modernem Direktvertrieb
„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Mit diesem Schiller-Zitat machten Jörg Körfer und Michael Spöttling, Vorsitzender bzw. Mitglied des Beirats der bofrost*Familienunternehmen, gleich zu Beginn ihrer Präsentation deutlich, dass der Direktvermarkter für Tiefkühlprodukte sein jahrzehntelang erfolgreiches Geschäftsmodell weiterentwickeln müsse, um auf die veränderten Anforderungen der Verbraucher zu reagieren. „Man hat sich sehr lange auf die Kundengruppen fokussiert, die man seit Jahrzehnten hat“, umriss Jörg Körfer das Problem. Infolgedessen seien heute etwa 60 Prozent der Kunden über 65 Jahre alt. Zudem galt die Marke bofrost* bei Jüngeren als „angestaubt“. „Wir haben an Relevanz für neue Kundengruppen verloren, d.h. immer weniger neue Kunden kommen in unser Geschäftsmodell hinein“, so Körfer. Auf der anderen Seite kenne die Marke bofrost* praktisch jeder. Die Kernfrage laute daher: „Wie muss sich bofrost* verändern, um für potenzielle Neukunden moderner und attraktiver zu sein?“. Antworten lieferte der von bofrost* initiierte Strategieprozess. „Wir versuchen unser traditionelles Geschäftsmodell besser und moderner zu machen und mit neuen Initiativen auch völlig neue Dinge auszuprobieren“, fasste Michael Spöttling die zentralen Ergebnisse zusammen. Der Kunde rückt dabei in den Mittelpunkt, indem Kundenansprache, Sortimente und Lieferserviceangebote stärker auf die spezifischen Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden. Ein neuer Online-Shop inklusive App ergänzt nun den sprichwörtlich in die Jahre gekommenen Verkaufskatalog um zeitgemäße Vertriebskanäle. Auch bei den neuen Initiativen mangelt es nicht an Einfallsreichtum: So e haben die Verkaufsfahrer des Tiefkühlspezialisten mittlerweile auch ein komplettes Weinsortiment mit an Bord. Flankiert wird alles durch einen umfassend modernisierten Markenauftritt. „Sehr cool“, fanden die Zuhörer.
Profitable Positionen in der Brauwirtschaft – erfolgreiche Transformationsbausteine
Wie man in einem herausfordernden Marktumfeld mit sich veränderndem Konsumentenverhalten und intensivem Wettbewerb seine Profitabilität nachhaltig steigern kann, erläuterte Christian Weber, Generalbevollmächtigter der Karlsberg Brauerei KG aus dem Saarland. Größe sei dabei laut Weber, der das mittlerweile zu einem internationalen Getränke-Verbund entwickelte Familienunternehmen in der 5. Generation führt, nicht der Schlüssel: „Profitabilität hat nichts mit Größe zu tun, sondern mit Strategie und Marke.“ Strategische Kernidee von Karlsberg sind eigenständige und starke Marken, die im Verbund dezentral organisiert sind und selbstständig geführt werden. Der Erfolg zeigt sich beispielhaft an der Transformation des Biergeschäfts. Entgegen den vielstimmigen Klagen über den seit Jahren rückläufigen Pro-Kopf-Konsum konstatierte Weber: „Wir sind immer noch ein Bier-Land. Die Deutschen lieben Bier und kaufen Bier.“ Das der heimische Biermarkt nach wie vor attraktiv ist, beweist Karlsberg durch sein stetes Ergebniswachstum. Das Geheimnis: Profitabilität vor Menge. So wurde auf einen Großteil des Preiseinstiegsgeschäfts verzichtet und stattdessen intensiv in die Weiterentwicklung der Marke investiert. „Die Preisbereitschaft beim Konsumenten ist vorhanden, sie muss nur über die erfolgreiche Marke realisiert werden“, fasste Christian Weber die Erfolgsformel zusammen und benannte auch gleich die für die Markenentwicklung zentralen Bausteine. Neben dem Verständnis des Konsumenten, das über Zukauf und Nutzung vorhandener Daten aufgebaut wurde, besaß auch die konsequente Digitalisierung z.B. in Form einer Online-Einkaufsplattform gerade in der Pandemie einen hohen Stellenwert, da das Direktgeschäft gestärkt und Kundenbindung erzeugt wurde. Wichtigster Faktor für die erfolgreiche Transformation waren laut Weber jedoch die Mitarbeiter: „Eine erfolgreiche Marke lebt von Kreativität, Ideen und Kommunikation und diese entsteht immer bei den Menschen.“
Unternehmerdialog Agrar & Ernährung 2024 in neuer Location
Christoph Havermann und Klaus-Martin Fischer, die wie in den Vorjahren als Moderatoren durch eine erneut sehr gelungene Veranstaltung führten, kündigten für das kommende Jahr bereits die Fortsetzung des in der Branche etablierten Formats an: „Auch 2024 wird es wieder einen Unternehmerdialog Agrar & Ernährung mit spannenden Themen und interessanten Gästen aus der Branche geben - dann jedoch in neuer Location.“ Mit diesem Ausblick leiteten die beiden Partner der Ebner Stolz Management Consultants zum Abschluss des Tages über - einem gemeinsamen Abendessen mit Gelegenheit zur Vertiefung von Themen und Kontakten.