Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine Kommanditgesellschaft. An ihr Ende 2012 als alleinige - am Gewinn und Verlust nicht beteiligte - Komplementärin die A-GmbH sowie als Kommanditistinnen die B-UG (haftungsbeschränkt) zu 10 % und die C-GmbH zu 90 % beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der C-GmbH war die D-GmbH. Deren Gesellschafter waren 2012 zunächst E mit 98 % und F mit 2 %. Im April 2013 übertrug E Anteile auf F; damit waren beide Gesellschafter mit 50 % beteiligt. Im November 2013 übertrug E auch seinen verbliebenen Anteil auf F, der damit Alleingesellschafter der D-GmbH wurde.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin. Sie war der Ansicht, dass es zweifelhaft sei, ob § 15a-Verluste einer Kapitalgesellschaft auf der Ebene der Tochterpersonengesellschaft überhaupt von § 8c KStG erfasst werden könnten. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung gewährt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 8c S. 2 KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (jetzt § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) verfassungswidrig ist. Nach § 8c S. 2 KStG a.F. entfällt der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft vollständig, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden.
Die Gründe:
Im Streitfall bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids. Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung kann nach ständiger Rechtsprechung auch bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtsnorm gewährt werden. Damit widerspricht der Senat der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (BMF-Schreiben vom 15.1.2018, BStBl I 2018, 2, dort unter V. i.V.m. Abschnitt B der Anlage), wonach für eine Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden, die auf Basis des § 8c S. 2 (§ 8c Abs. 1 S. 2) KStG ergangen sind, kein Grund besteht.
Auch wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt ist und deshalb das BVerfG anruft, ist zwar nicht automatisch auch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen. Denn bis zur endgültigen Entscheidung ist offen, ob das BVerfG die Norm, derentwegen es angerufen wird, tatsächlich für nichtig erklärt, und wenn ja, mit welchen Folgen, lediglich mit Wirkung für die Zukunft oder aber rückwirkend. Weil ein formell verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz zunächst grundsätzlich weiterhin anzuwenden ist, muss die Interessenlage des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das öffentliche, vornehmlich haushalterische Interesse abgewogen werden.
Der Senat hat dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hier den Vorrang eingeräumt. Im Rahmen der für die Aussetzungsentscheidung maßgeblichen "summarischen Prüfung" ist eher zu erwarten, dass § 8c Abs. 1 S. 2 KStG nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für nichtig erklärt wird. Es liegt insoweit nicht anders als bezogen auf die Vorschrift des § 8c S. 1 (bzw. Abs. 1 S. 1) KStG, die bei Anteilsübertragungen von mehr als 25% einen quotalen Verlustuntergang anordnet.
Das BVerfG hat durch Beschluss vom 29.3.2017 (2 BvL 6/11) entschieden, dass diese Rechtsfolge mit dem GG unvereinbar ist und dass die festgestellte Unvereinbarkeit vorbehaltlich einer gesetzlichen Nachbesserung bis spätestens zum 31.11.2018 rückwirkend eintritt. Das Fiskalinteresse, das der Gesetzgeber seinerzeit bei Einführung von § 8c KStG mit einer jährlichen Haushaltswirkung von 1,45 Mrd. € angegeben hatte, ändert in Anbetracht dessen an der Rückwirkung nichts.
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