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Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Rezept

BGH 8.1.2015, I ZR 123/13

Die Ab­gabe ei­nes ver­schrei­bungs­pflich­ti­gen Me­di­ka­ments durch einen Apo­the­ker ohne Vor­lage ei­nes Re­zepts ist wett­be­werbs­recht­lich un­zulässig. Die Aus­nah­me­vor­schrift des § 4 AMVV setzt eine The­ra­pie­ent­schei­dung des be­han­deln­den Arz­tes auf­grund ei­ge­ner vor­he­ri­ger Dia­gnose vor­aus; in drin­gen­den Fällen reicht es aus, wenn der Apo­the­ker über die Ver­schrei­bung te­le­fo­ni­sch un­ter­rich­tet wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien be­trei­ben Apo­the­ken. Der Kläger be­an­stan­det, dass die Be­klagte ei­ner Pa­ti­en­tin ein ver­schrei­bungs­pflich­ti­ges Me­di­ka­ment ohne ärzt­li­ches Re­zept aus­gehändigt hat. Er sieht hierin einen Ver­stoß ge­gen § 48 Abs. 1 AMG, wo­nach ver­schrei­bungs­pflich­tige Me­di­ka­mente nicht ohne ärzt­li­che Ver­ord­nung ab­ge­ge­ben wer­den dürfen.

Der Kläger nahm die Be­klagte des­halb auf Un­ter­las­sung, Aus­kunft, Fest­stel­lung der Scha­dens­er­satz­pflicht und Er­stat­tung von Ab­mahn­kos­ten in An­spruch. Die Be­klagte wandte ein, sie habe auf­grund der te­le­fo­ni­sch ein­ge­hol­ten Aus­kunft ei­ner ihr be­kann­ten Ärz­tin da­von aus­ge­hen dürfen, zur Ab­gabe des Me­di­ka­ments ohne Vor­lage ei­nes Re­zepts be­rech­tigt zu sein.

Das LG gab der Klage bis auf einen Teil der Ab­mahn­kos­ten statt. Das OLG wies die Klage ab. Es nahm an, die Be­klagte sei zwar nicht zur Ab­gabe des Arz­nei­mit­tels ohne Re­zept be­rech­tigt ge­we­sen, weil kein drin­gen­der Fall i.S.v. § 4 AMVV vor­ge­le­gen habe. Der ein­ma­lige Ge­set­zes­ver­stoß der Be­klag­ten sei aber auf­grund der da­ma­li­gen be­son­de­ren Si­tua­tion, ins­be­son­dere we­gen ei­nes ge­rin­gen Ver­schul­dens der Be­klag­ten, nicht ge­eig­net ge­we­sen, Ver­brau­cher­in­ter­es­sen spürbar zu be­einträch­ti­gen.

Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des LG zurück.

Die Gründe:
Die Ver­schrei­bungs­pflicht gem. § 48 AMG dient dem Schutz der Pa­ti­en­ten vor gefähr­li­chen Fehl­me­di­ka­tio­nen und da­mit ge­sund­heit­li­chen Zwecken. Durch Verstöße ge­gen das Markt­ver­hal­ten re­gelnde Vor­schrif­ten, die den Schutz der Ge­sund­heit der Bevölke­rung be­zwe­cken, wer­den die Ver­brau­cher­in­ter­es­sen nach ständi­ger Recht­spre­chung des BGH stets spürbar be­einträch­tigt.

Die Be­klagte war auch nicht auf­grund der be­son­de­ren Umstände des Streit­falls gem. § 4 AMVV aus­nahms­weise zur Ab­gabe des Arz­nei­mit­tels ohne Re­zept be­rech­tigt. Zwar kann der Apo­the­ker sich grundsätz­lich auf eine Ent­schei­dung des Arz­tes über die Ver­ord­nung des ver­schrei­bungs­pflich­ti­gen Me­di­ka­ments ver­las­sen. Die Aus­nah­me­vor­schrift des § 4 AMVV setzt aber eine The­ra­pie­ent­schei­dung des be­han­deln­den Arz­tes auf­grund ei­ge­ner vor­he­ri­ger Dia­gnose vor­aus. In drin­gen­den Fällen reicht es aus, wenn der Apo­the­ker über die Ver­schrei­bung te­le­fo­ni­sch un­ter­rich­tet wird.

An der er­for­der­li­chen The­ra­pie­ent­schei­dung fehlt es je­doch, wenn ein Apo­the­ker einen Arzt zu ei­ner Ver­schrei­bung für einen dem Arzt un­be­kann­ten Pa­ti­en­ten be­wegt. Da zum Zeit­punkt des Be­suchs der Apo­theke der Be­klag­ten keine akute Ge­sund­heits­gefähr­dung be­stand, war der Pa­ti­en­tin auch zu­zu­mu­ten, den ärzt­li­chen Not­dienst im Nach­bar­ort auf­zu­su­chen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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