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Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige und verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung

BFH 17.11.2015, VIII R 67/13

Vor­aus­set­zung für die verjährungs­hem­mende Wir­kung der Er­mitt­lung der Be­steue­rungs­grund­la­gen durch die Steu­er­fahn­dung nach § 171 Abs. 5 S. 1 AO ist, dass für den Steu­er­pflich­ti­gen klar und ein­deu­tig er­kenn­bar ist, in wel­chen kon­kre­ten Steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten er­mit­telt wird. Un­zu­rei­chende oder wi­der­sprüch­li­che Sach­ver­halts­dar­stel­lun­gen im an­ge­foch­te­nen Ur­teil stel­len einen ma­te­ri­ell-recht­li­chen Feh­ler dar, der auch ohne dies­bezügli­che Rüge zum Weg­fall der Bin­dungs­wir­kung des § 118 Abs. 2 FGO führt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger und die Kläge­rin und Bei­ge­la­dene erklärten am 3.5.2010 als Ge­samt­rechts­nach­fol­ger ih­rer ver­stor­be­nen Mut­ter Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen für die Jahre 1998 bis 2002 nach. Die Steu­er­fahn­dungs­stelle des Fi­nanz­amts für Steu­er­straf­sa­chen und Steu­er­fahn­dung teilte dem Kläger mit Schrei­ben vom 6.12.2010 un­ter Hin­weis auf ein ge­gen ihn ein­ge­lei­te­tes steu­er­straf­recht­li­ches Er­mitt­lungs­ver­fah­ren und seine Selbst­an­zeige vom 6.3.2010 mit, dass sie mit der Überprüfung sei­ner Selbst­an­zeige für die Jahre 1999 bis 2008 be­auf­tragt wor­den sei und for­derte ihn u.a. auf, überprüfbare Un­ter­la­gen über die nach­erklärten Einkünfte sei­ner Mut­ter vor­zu­le­gen. Das Fi­nanz­amt er­ließ je­weils am 25.52011 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Ein­kom­men­steu­er­be­scheide für die Streit­jahre 1998 und 1999.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die an­ge­foch­te­nen Be­scheide durf­ten gem. § 169 Abs. 1 S. 1 AO nicht er­ge­hen, da zu­vor Fest­set­zungs­verjährung ein­ge­tre­ten war.

Die ver­stor­bene Mut­ter des Klägers hatte die Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen für die Jahre 1998 und 1999 im Jahr 2000 ab­ge­ge­ben. Da­mit fiel gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO der Be­ginn der Fest­set­zungs­frist für die Streit­jahre auf das Jah­res­ende 2000. Die Fest­set­zungs­frist verlängerte sich auf­grund der Steu­er­hin­ter­zie­hung gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre und en­dete am 31.12.2010. Die an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheide er­gin­gen je­weils am 25.5.2011, also nach Ab­lauf der re­gulären Fest­set­zungs­frist. Die Fest­stel­lun­gen des FG tra­gen nicht seine Würdi­gung, dass der Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist nach § 171 Abs. 5 S. 1 AO ge­hemmt war. Be­gin­nen die mit der Steu­er­fahn­dung be­trau­ten Dienst­stel­len ei­ner Lan­des­fi­nanz­behörde vor Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist beim Steu­er­pflich­ti­gen mit Er­mitt­lun­gen der Be­steue­rungs­grund­la­gen, läuft die Fest­set­zungs­frist gem. § 171 Abs. 5 S. 1 AO in­so­weit nicht ab, be­vor die auf­grund der Er­mitt­lun­gen zu er­las­sen­den Steu­er­be­scheide un­an­fecht­bar ge­wor­den sind.

Vor­aus­set­zung für die verjährungs­hem­mende Wir­kung der Er­mitt­lun­gen der Be­steue­rungs­grund­la­gen ist, dass für den Steu­er­pflich­ti­gen er­kenn­bar ist, dass in sei­nen Steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten er­mit­telt wird. Das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen hat das FG be­jaht. Es hat an­ge­nom­men, dass die mit der Steu­er­fahn­dung be­fasste Dienst­stelle des Fi­nanz­amt mit Schrei­ben vom 6.12.2010 mit den Er­mitt­lun­gen der Be­steue­rungs­grund­la­gen hin­sicht­lich der Ka­pi­tal­einkünfte der Mut­ter des Klägers für die Streit­jahre 1998 und 1999 be­gon­nen habe, so dass der Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist gem. § 171 Abs. 5 S. 1 AO vor Ein­tritt der Fest­set­zungs­verjährung am 31.12.2010 ge­hemmt ge­we­sen sei. Für den Kläger sei dies auf­grund der Auf­for­de­rung, überprüfbare Un­ter­la­gen über die nach­erklärten Einkünfte sei­ner Mut­ter vor­zu­le­gen, auch er­kenn­bar ge­we­sen.

Das FG hat keine den Se­nat bin­den­den Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen, die seine Be­ur­tei­lung tra­gen. Un­zu­rei­chende oder wi­der­sprüch­li­che Sach­ver­halts­dar­stel­lun­gen im an­ge­foch­te­nen Ur­teil stel­len nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung einen ma­te­ri­ell-recht­li­chen Feh­ler dar, der auch ohne dies­bezügli­che Rüge zum Weg­fall der Bin­dungs­wir­kung des § 118 Abs. 2 FGO führt. Das FG lässt bei sei­ner Würdi­gung außer Be­tracht, dass nach den Vor­ga­ben des § 171 Abs. 5 S. 1 AO die Hem­mung des Ab­laufs der Fest­set­zungs­frist nur dann ein­tritt, wenn für den Steu­er­pflich­ti­gen klar und ein­deu­tig er­kenn­bar ist, in wel­chem kon­kre­ten Be­steue­rungs- bzw. Straf­ver­fah­ren die Steu­er­fahn­dung er­mit­telt.

Dies geht aus dem Schrei­ben der Steu­er­fahn­dungs­stelle vom 6.12.2010 nicht klar her­vor, da die­ses Schrei­ben im Be­treff le­dig­lich das steu­er­straf­recht­li­che Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen den Kläger und des­sen Selbst­an­zeige vom 6.3.2010 nennt, ob­gleich von der Steu­er­fahn­dung auch die von dem Kläger als Ge­samt­rechts­nach­fol­ger der ver­stor­be­nen Mut­ter ab­ge­ge­bene Nach­erklärung vom 3.5.2010 überprüft wer­den sollte. Zwar wurde der Kläger in dem Schrei­ben auch auf­ge­for­dert, überprüfbare Un­ter­la­gen über die nach­erklärten Einkünfte der Mut­ter vor­zu­le­gen. Da dies­bezüglich je­doch we­der auf die Nach­erklärung vom 3.5.2010 Be­zug ge­nom­men wurde, noch die Ver­an­la­gungs­zeiträume an­ge­ge­ben wur­den, auf die sich die Er­mitt­lun­gen er­stre­cken soll­ten, war es für den Kläger auf­grund der wi­der­sprüch­li­chen An­ga­ben im Be­treff und Ein­lei­tungs­satz nicht ein­deu­tig er­kenn­bar, dass Ge­gen­stand der Er­mitt­lun­gen der Steu­er­fahn­dung auch die Ka­pi­tal­einkünfte der Mut­ter für die Jahre 1998 und 1999 sein soll­ten.

Link­hin­weis:

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