Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist an Multipler Sklerose erkrankt. Im Jahre 2011 ließ sie für rd. 5.700 € die Duschkabine in ihrer Eigentumswohnung so umbauen, dass sie bodengleich begehbar war und mit einem Rollstuhl befahren werden konnte. Dazu musste die Dusche neu ausgefliest werden, wobei auch die Armaturen und die Eingangstür erneuert wurde. Die Pflegekasse lehnte die Übernahme der Umbaukosten ab, da für die Klägerin keine Pflegestufe bestand.
Das FG gab der gegen den Einkommensteuerbescheid gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Aufwendungen für den Umbau der Dusche zu Unrecht nicht in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung abgezogen.
Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung können als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sein, denn es sind größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen infolge Körperbehinderung waren ebenso wie Krankheitskosten von jeher ein Anwendungsfall der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen. Dies gilt insbesondere auch für behinderungsbedingte Mehrkosten eines Um- oder Neubaus. Denn eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen begründet eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht.
Hier wurde wegen der Behinderung der Klägerin die alte Duschwanne entfernt und durch ein bodengleiches Duschelement ersetzt. Die Aufwendungen für das entsprechende Material und die Arbeitsleistung dienen unmittelbar der Linderung der Beschwerden der Klägerin. Abziehbar sind als notwendige Folgekosten auch die Aufwendungen für eine neue - längere Tür, da ansonsten die Dusche nicht mehr bestimmungsgemäß nutzbar wäre. Das gleiche gilt für die Wandfliesen und die Armaturen, die durch den Ausbau der alten Duschwanne zumindest teilweise beschädigt wurden bzw. an die neue Tiefe der Dusche anzupassen waren. Im Übrigen wäre ohne die Behinderung der Klägerin die Dusche überhaupt nicht umgebaut und wären auch keine längere Tür sowie neue Fliesen und Armaturen notwendig geworden.
Die vom Finanzamt vorgenommene Sezierung der Baumaßnahme in einzelne Aufwandposten ist nicht praktikabel. Der BFH lehnt es bei behinderungsbedingten Baumaßnahmen gerade ab, dem Aufwand einen etwaigen Gegenwert gegenüberzustellen. Soweit der BFH für die Quantifizierung der auf die behindertengerechte Ausgestaltung eines Objekts beruhenden Mehrkosten die Einholung eines Sachverständigengutachten nahelegt, betrifft dies umfangreiche -insbesondere ein ganzes Gebäude umfassende- Baumaßnahmen, bei denen die behinderungsbedingten Mehrkosten für das Gericht nicht offenkundig sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich war.
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