deen

Aktuelles

Änderung eines Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen

FG München 22.8.2016, 7 K 220/16

Be­kannt i.S.v. § 173 Abs. 1 AO ist der zuständi­gen Dienst­stelle der In­halt der dort für den be­tref­fen­den Steu­er­pflich­ti­gen geführ­ten Ak­ten, ohne dass es auf die in­di­vi­du­elle Kennt­nis des je­wei­li­gen Be­ar­bei­ters an­kommt. So­mit ist eine Ände­rung des Steu­er­be­scheids we­gen neuer Tat­sa­chen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr möglich, wenn der Steu­er­pflich­tige dem früher zuständi­gen Fi­nanz­amt den maßgeb­li­chen Sach­ver­halt mit­ge­teilt hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH, die zwei Fri­seur­sa­lons un­ter­hal­ten hatte. Mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag vom 21.4.2009 wur­den sämt­li­che An­teile auf Frau C. über­tra­gen und der Sitz un­ter Ände­rung des Fir­men­na­mens in eine an­dere Stadt ver­legt. Mit Schrei­ben vom 3.12.2008 teilte der ur­sprüng­li­che steu­er­li­che Ver­tre­ter der Kläge­rin dem da­ma­li­gen zuständi­gen Fi­nanz­amt mit, dass ge­gen den Körper­schaft­steu­er­vor­aus­zah­lungs­be­scheid Ein­spruch ein­ge­legt werde, da die Kläge­rin seit Gründung Ver­luste er­wirt­schaf­tet habe und sie das Un­ter­neh­men An­fang des Jah­res 2008 aus fi­nan­zi­el­len Gründen ver­kau­fen mus­ste. Eine Ko­pie ei­nes Kauf­ver­tra­ges über den Ver­kauf ei­nes Fri­seur­sa­lons in L. zum Kauf­preis von 43.500 € war dem Schrei­ben bei­gefügt.

Die Körper­schaft­steu­er­erklärung für 2008 nebst Bi­lanz und Ge­winn-und Ver­lust­rech­nung zum 31.12.2008, die einen Ver­lust von -16.906 € aus­wie­sen, so­wie die Ge­wer­be­steu­er­erklärung 2008 wur­den am 27.1.2011 von der neuen Ge­schäftsführung beim nun­mehr zuständi­gen be­klag­ten Fi­nanz­amt ein­ge­reicht. Das Fi­nanz­amt er­ließ am 10.2.2011 den Körper­schaft­steu­er­be­scheid 2008 und den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid 2008, in de­nen der erklärte Ver­lust der Be­steue­rung zu­grunde ge­legt und der bis da­hin be­ste­hende Vor­be­halt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 AO auf­ge­ho­ben wurde.

Am 18.4.2012 ging beim Fi­nanz­amt eine Kon­troll­mit­tei­lung ein, in der mit­ge­teilt wurde, dass die Kläge­rin aus dem Ver­kauf zweier Fi­lia­len in und mit Rech­nungs­da­tum von je­weils vom 25.2.2008 Zah­lun­gen i.H.v. je­weils 43.500 € er­hal­ten hatte. Auf An­frage des Fi­nanz­amts bei der Kläge­rin, in wel­cher Steu­er­erklärung der Ge­samt­erlös erklärt wor­den sei, teilte die Ge­schäftsführe­rin der Kläge­rin mit, dass sie von dem Ver­kauf in 2008 nichts wisse und die­ser dem­ent­spre­chend auch nicht berück­sich­tigt wor­den sei. Mit Ge­sell­schafts­ab­tre­tungs­ver­trag vom 21.4.2009 habe sie le­dig­lich einen "lee­ren GmbH-Man­tel" er­wor­ben und habe we­der das Fir­men­konto noch den Kauf­preis für die bei­den Fri­seur­sa­lons über­tra­gen be­kom­men.

Das Fi­nanz­amt stellte Er­mitt­lun­gen beim Käufer der bei­den Fri­seur­sa­lons an. Die­ser teilte mit, dass der Kauf­preis i.H.v. 87.000 € an die Kläge­rin be­zahlt wor­den sei. Das Fi­nanz­amt er­ließ dar­auf­hin am 10.4.2014 geänderte Steu­er­be­scheide für 2008 und erhöhte den Steu­er­bi­lanz­ge­winn um 87.000 €. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage zum Teil statt.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt war hin­sicht­lich des Veräußerungs­erlöses aus der Veräußerung des Fri­seur­sa­lons in L. ver­fah­rens­recht­lich nicht be­fugt, die be­standskräfti­gen und nicht mehr un­ter Vor­be­halt der Nachprüfung ste­hen­den Steu­er­be­scheide vom 10.2.2011 zu ändern. Die Veräußerung des Fri­seur­sa­lons war nämlich ak­ten­kun­dig, da mit Schrei­ben vom 3.12.2008 der da­ma­lige steu­er­li­che Ver­tre­ter dem da­mals zuständi­gen Fi­nanz­amt, die Veräußerung mit­ge­teilt und eine Ko­pie des Kauf­ver­trags vom 25.2.2008 vor­ge­legt hatte. Da sich diese Un­ter­la­gen in der Ver­an­la­gungs­akte be­fan­den, wa­ren sie auch dem be­klag­ten Fi­nanz­amt be­kannt. Denn be­kannt i.S.v. § 173 Abs. 1 AO ist der zuständi­gen Dienst­stelle der In­halt der dort für den be­tref­fen­den Steu­er­pflich­ti­gen geführ­ten Ak­ten, ohne dass es auf die in­di­vi­du­elle Kennt­nis des je­wei­li­gen Be­ar­bei­ters an­kommt. So­mit lag keine neue Tat­sa­che vor. Auch eine an­dere Ände­rungs­vor­schrift war nicht ein­schlägig.

Et­was an­de­res gilt für den Veräußerungs­erlös aus der Veräußerung des Fri­seur­sa­lons in O. Die Veräußerung die­ses Fri­seur­sa­lons war dem Fi­nanz­amt nicht be­kannt. Aus dem Schrei­ben des Steu­er­be­ra­ters vom 3.12.2008 ging auch nicht her­vor, dass die Kläge­rin zwei Fri­seur­sa­lons veräußert hatte. In­so­weit lag für das Fi­nanz­amt da­her eine neue Tat­sa­che vor, die zu ei­ner Ände­rungs­be­fug­nis nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO führte. Da­mit war das Fi­nanz­amt nur zu ei­ner Erhöhung des Ge­winns um 43.500 € be­rech­tigt.

Link­hin­weis:

nach oben