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Aktientausch: Berücksichtigung eines gefallenen Börsenkurses beim Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen

BFH 13.10.2015, IX R 43/14

So­weit die tatsäch­lich er­hal­tene Ge­gen­leis­tung nicht in Geld, son­dern in Sachgütern be­steht, ist der Veräußerungs­preis mit dem ge­mei­nen Wert an­zu­set­zen. Für die Be­wer­tung kommt es auf die Verhält­nisse im Zeit­punkt der Erfüllung der Ge­gen­leis­tungs­pflicht an, wenn diese von den Verhält­nis­sen im Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Veräußerungs­ge­winns ab­wei­chen. Eine Verände­rung der wert­be­stim­men­den Umstände wirkt ma­te­ri­ell-recht­lich auf den Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Veräußerungs­ge­winns zurück.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war mit 61 250 Stück­ak­tien (zu 34,02 %) an der N-AG be­tei­ligt. Am 28.2.2002 veräußerte und über­trug er seine Be­tei­li­gung in zwei Vorgängen. Aus der Über­tra­gung von 13.258 Ak­tien auf eine KG er­zielte der Kläger einen Ge­winn, der vor­lie­gend nicht im Streit ist.

Die übri­gen 47.992 Stück­ak­tien er­warb die U-AG. Als Ge­gen­leis­tung er­hielt der Kläger 174.194 neue Ak­tien der U-AG zum ver­ein­bar­ten Aus­ga­be­kurs von 24 € pro Ak­tie. Die dafür not­wen­dige Ka­pi­tal­erhöhung bei der U-AG wurde am 13.12.2002 in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. An die­sem Tag wur­den 174.194 neue Ak­tien der U-AG dem De­pot des Klägers gut­ge­schrie­ben. Der Börsen­kurs der U-Ak­tie be­trug am 28.2.2002 18,69 € und am 13.12.2002 2,20 €.

Der Kläger er­mit­telte den Veräußerungs­ge­winn un­ter Berück­sich­ti­gung des Börsen­kur­ses am 13.12.2002 (2,20 €/Ak­tie). Das Fi­nanz­amt ver­an­lagte den Kläger und die Kläge­rin, seine mit ihm im Streit­jahr zu­sam­men­ver­an­lagte Ehe­frau, zunächst erklärungs­gemäß. Auf­grund ei­ner Kon­troll­mit­tei­lung von Juli 2007 be­wer­tete das Fi­nanz­amt den Veräußerungs­preis nun mit dem Börsen­kurs vom 28.2.2002 (18,69 €/Ak­tie) und änderte den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid ent­spre­chend.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG hat den Veräußerungs­ge­winn nicht rich­tig er­mit­telt.

Die Über­tra­gung von N-Ak­tien auf die U-AG ge­gen Über­tra­gung von (neuen) Ak­tien der U-AG (Ak­ti­en­tausch) stellt eine Veräußerung i.S.v. § 17 EStG dar. Der Ge­winn ist aus der Veräußerung am 28.2.2002 ent­stan­den. Be­steht die tatsäch­lich er­hal­tene Ge­gen­leis­tung nicht in Geld, son­dern in Sachgütern, ist der Veräußerungs­preis in­so­weit mit dem ge­mei­nen Wert an­zu­set­zen. Grundsätz­lich kommt es dafür auf die Umstände im Zeit­punkt der Veräußerung an. Für die Be­wer­tung der tatsäch­lich er­hal­te­nen Ge­gen­leis­tung (Veräußerungs­preis) kommt es auf die Verhält­nisse im Zeit­punkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhält­nis­sen im Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Veräußerungs­ge­winns ab­wei­chen. Die Verände­rung der wert­be­stim­men­den Umstände wirkt ma­te­ri­ell-recht­lich auf den Zeit­punkt der Veräußerung zurück.

Der Große Se­nat des BFH hat zu § 16 Abs. 2 EStG ent­schie­den, dass es nur auf den tatsäch­lich er­ziel­ten Veräußerungs­ge­winn an­kommt. Dies er­for­dert es, später ein­tre­tende Verände­run­gen beim ur­sprüng­lich ver­ein­bar­ten Veräußerungs­preis so­lange und so­weit ma­te­ri­ell-recht­lich auf den Zeit­punkt der Veräußerung zurück­zu­be­zie­hen, als der Er­wer­ber seine Ver­pflich­tung zur Zah­lung des Kauf­prei­ses noch nicht erfüllt hat. Der VIII. Se­nat des BFH hat für den Fall, dass die Ge­gen­leis­tung in börsen­no­tier­ten Ak­tien be­steht, auf den Börsen­kurs im Zeit­punkt der Ab­tre­tung der Ak­tien ab­ge­stellt (BFH 19.9.2012, VIII B 90/12). Das er­gebe sich aus der Recht­spre­chung des Großen Se­nats des BFH. Der Se­nat schließt sich die­ser Auf­fas­sung an.

Es kommt nicht dar­auf an, dass der Er­wer­ber im Streit­fall die ge­schul­dete Ge­gen­leis­tung am 13.12.2002 er­bracht und da­mit seine Ver­pflich­tung aus der Ak­tionärs­ver­ein­ba­rung vollständig erfüllt hat. Zwar trifft es zu, dass es in­so­fern nicht zu ei­ner ver­trag­li­chen Leis­tungsstörung ge­kom­men ist, denn die Ver­trags­par­teien hat­ten in­so­weit auf eine An­pas­sung der Ge­gen­leis­tung ver­zich­tet und dem Kläger ein­sei­tig das Kurs­ri­siko zu­ge­wie­sen. Das ändert je­doch nichts daran, dass der Kläger aus dem Ver­trag letzt­lich we­ni­ger er­hal­ten hat, als er bei Ab­schluss des Ver­trags an­neh­men durfte. Aus sei­ner Sicht un­ter­schei­det sich das Er­geb­nis des­halb nicht we­sent­lich von dem, dass ein Teil der Kauf­preis­for­de­rung endgültig ausfällt oder eine ver­ein­barte Teil­leis­tung dau­er­haft nicht er­bracht wird. Le­dig­lich der Grund für die Einbuße ist ein an­de­rer. Dar­auf sollte es aber nach der Recht­spre­chung des Großen Se­nats des BFH ge­rade nicht an­kom­men.

Das FG ist von an­de­ren Rechts­grundsätzen aus­ge­gan­gen. Sein Ur­teil war des­halb auf­zu­he­ben. Die Sa­che ist spruch­reif. Das FG hat mit bin­den­der Wir­kung (§ 118 Abs. 2 FGO) fest­ge­stellt, dass die jun­gen U-Ak­tien am Tag der Ein­bu­chung in das De­pot des Klägers mit 2,20 € je Ak­tie zu be­wer­ten wa­ren. Darüber be­steht zwi­schen den Be­tei­lig­ten kein Streit; der Se­nat sieht auch keine Ver­an­las­sung, diese Fest­stel­lung, die für die Ent­schei­dung des FG nicht tra­gend war, in Zwei­fel zu zie­hen. Dem­zu­folge ist Klage begründet.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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