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Analoge Anwendung des § 318 Abs. 4 S. 2 HGB auch während des laufenden Geschäftsjahres

OLG Karlsruhe 27.10.2015, 11 Wx 87/15

§ 318 Abs. 4 S. 2 HGB ist bei ei­ner anhängi­gen An­fech­tungs­klage ge­gen den Be­schluss zur Wahl des Ab­schlussprüfers, des Kon­zern­ab­schlussprüfers so­wie des Prüfers für die prüfe­ri­sche Durch­sicht des im Halb­jah­res­be­richt ent­hal­te­nen verkürz­ten Ab­schluss- und Zwi­schen­la­ge­be­richts ana­log an­zu­wen­den. Bei ei­ner sol­chen ana­lo­gen An­wen­dung im Hin­blick auf eine anhängige An­fech­tungs­klage kann die ge­richt­li­che Be­stel­lung auch während des lau­fen­den Ge­schäfts­jah­res er­fol­gen und das Ge­richt kann den von der Haupt­ver­samm­lung gewähl­ten Prüfer be­stel­len.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin ist eine börsen­no­tierte AG. Auf ih­rer Haupt­ver­samm­lung war ein Be­schluss­vor­schlag des Auf­sichts­ra­tes mit der er­for­der­li­chen Stim­men­mehr­heit an­ge­nom­men wor­den, wo­nach die X-Wirt­schaftsprüfungs­ge­sell­schaft für das Ge­schäfts­jahr 2015 zum Ab­schlussprüfer und Kon­zern­ab­schlussprüfer so­wie zum Prüfer für die prüfe­ri­sche Durch­sicht des im Halb­jah­res­be­richt ent­hal­te­nen verkürz­ten Ab­schluss- und Zwi­schen­la­ge­be­rich­tes be­stimmt wurde.

Im Mai 2015 be­an­tragte der F. beim LG per An­fech­tungs­ver­klage, den Be­schluss für nich­tig zu erklären. Dar­auf­hin be­an­tragte die An­trag­stel­le­rin im Juli 2015 beim AG, die X-Wirt­schaftsprüfungs­ge­sell­schaft gem. § 318 Abs. 4 HGB ana­log für das Ge­schäfts­jahr 2015 vor­sorg­lich er­neut zum Ab­schlussprüfer und Kon­zern­ab­schlussprüfer so­wie zum Prüfer für die prüfe­ri­sche Durch­sicht zu be­stel­len. Die X. Wirt­schaftsprüfungs­ge­sell­schaft hat eine Un­abhängig­keits­erklärung nach den an­wend­ba­ren deut­schen ge­setz­li­chen und be­rufs­recht­li­chen Vor­schrif­ten (ins­be­son­dere §§ 319, 319a HGB, FF 20 ff. BS WP/vBP) ab­ge­ge­ben.

Das AG wies den An­trag zurück. Auf die Be­schwerde der An­trag­stel­le­rin hob das OLG den Be­schluss auf und gab dem An­trag statt.

Die Gründe:
Die gem. § 318 Abs. 4 S. 4 HGB, §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63, 64, 375 Nr. 1, 402 Abs. 1 FamFG zulässige Be­schwerde hat in der Sa­che Er­folg, da das AG den auf § 318 Abs. 4 S. 2 HGB ana­log gestütz­ten An­trag zu Un­recht zurück­ge­wie­sen hatte.

Der Se­nat hält eine ana­loge An­wen­dung des § 318 Abs. 4 S. 2 HGB bei ei­ner anhängi­gen An­fech­tungs­klage ge­gen den Be­schluss der Haupt­ver­samm­lung zur Wahl des Prüfers für sach­ge­recht. Zum einen ist eine un­ge­wollte Re­ge­lungslücke an­zu­neh­men: Nach § 318 Abs. 4 S. 1 HGB hat das Ge­richt auf An­trag der ge­setz­li­chen Ver­tre­ter, des Auf­sichts­rats oder ei­nes Ge­sell­schaf­ters den Ab­schlussprüfer zu be­stel­len, wenn der Ab­schlussprüfer bis zum Ab­lauf des Ge­schäfts­jahrs nicht gewählt wor­den ist. Nach S. 2 HGB gilt Glei­ches, wenn ein gewähl­ter Ab­schlussprüfer die An­nahme des Prüfungs­auf­trags ab­ge­lehnt hat, weg­ge­fal­len ist oder am recht­zei­ti­gen Ab­schluss der Prüfung ver­hin­dert ist und ein an­de­rer Ab­schlussprüfer nicht gewählt wor­den ist. Eine ge­richt­li­che Be­stel­lung des Ab­schlussprüfers ist schließlich möglich, wenn des­sen Wahl nich­tig ist.

§ 318 Abs. 4 HGB dient der Ver­wirk­li­chung des öff­ent­li­chen In­ter­es­ses an der Pflichtprüfung nach § 316 HGB, d.h. mit der Vor­schrift soll die Durchführung und der zeit­nahe Ab­schluss der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Ab­schlussprüfung si­cher­ge­stellt wer­den. Die Ver­wirk­li­chung die­ses Ziels ist aber nicht nur gefähr­det, wenn eine An­fech­tungs­klage rechtskräftig Er­folg ge­habt hat, son­dern auch schon dann, wenn eine An­fech­tungs­klage er­ho­ben ist und sich u.U. erst nach lan­ger Zeit her­aus­stel­len kann, dass kein wirk­sa­mer Jah­res­ab­schluss er­stellt wurde. So­mit kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass der Ge­setz­ge­ber für die­sen Fall eine ge­richt­li­che Be­stel­lung des Ab­schlussprüfers aus­schließen wollte. Aus der Exis­tenz des Frei­ga­be­ver­fah­rens nach § 246a AktG lässt sich nichts ge­gen die Plan­wid­rig­keit der Re­ge­lungslücke her­lei­ten.

Ent­ge­gen der An­sicht des AG schei­tert die ge­richt­li­che Be­stel­lung des Ab­schlussprüfers nicht daran, dass die­ser für das lau­fende Ge­schäfts­jahr be­stellt wer­den soll. Zwar wird auf­grund Wort­lau­tes teil­weise ver­tre­ten, dass der An­trag nach § 318 Abs. 4 S. 2 HGB we­gen des Ver­wei­ses "Glei­ches gilt" erst nach Ab­schluss des Ge­schäfts­jah­res ge­stellt wer­den kann. Der Ver­weis ist aber viel­mehr so zu ver­ste­hen, dass da­mit nur auf die Fol­gen ver­wie­sen wird, wenn kein Ab­schlussprüfer gewählt wird. Da­mit ord­net der Ge­setz­ge­ber auch für die in § 318 Abs. 4 S. 2 HGB ge­nann­ten Fälle die Rechts­folge des § 318 Abs. 4 S. 1 HGB an, dass das Ge­richt auf An­trag der ge­setz­li­chen Ver­tre­ter, des Auf­sichts­rats oder ei­nes Ge­sell­schaf­ters den Ab­schlussprüfer zu be­stel­len hat. Aus dem Ein­gang des § 318 Abs. 4 S. 2 HGB lässt sich da­her keine zeit­li­che Be­gren­zung der An­trag­stel­lung und der ge­richt­li­chen Be­stel­lung her­lei­ten. Über­zeu­gend ist es viel­mehr, den Zeit­punkt der frühestmögli­chen ge­richt­li­chen Be­stel­lung am Prin­zip der Sub­si­dia­rität fest­zu­ma­chen.

Schließlich hält der Se­nat als zur ei­ge­nen Sa­ch­ent­schei­dung be­ru­fe­nes Be­schwer­de­ge­richt es für sach­ge­recht, den von der Haupt­ver­samm­lung gewähl­ten Ab­schlussprüfer ge­richt­lich zu be­stel­len. Der Ge­set­zes­wort­laut des § 318 Abs. 4 S. 1 HGB spricht da­von, dass das Ge­richt "den" Ab­schlussprüfer zu be­stel­len hat. Eine in­halt­li­che Ein­en­gung der Aus­wahl-ent­schei­dung des Ge­richts enthält das Ge­setz in­so­weit nicht. Zwar muss das Ge­richt einen ge­eig­ne­ten Prüfer be­stel­len und ist bei sei­ner Aus­wah­lent­schei­dung an die Vor­ga­ben der §§ 319 ff. HGB ge­bun­den. Die X. Wirt­schaftsprüfungs­ge­sell­schaft hat al­ler­dings eine Un­abhängig­keits­erklärung nach den an­wend­ba­ren deut­schen ge­setz­li­chen und be­rufs­recht­li­chen Vor­schrif­ten ab­ge­ge­ben. Außer­dem kann eine Be­stel­lung des gewähl­ten Ab­schlussprüfers von vor­weg et­waige Pro­bleme im Hin­blick auf eine Dop­pelprüfung aus­schließen.

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