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Anforderungen an die Begründung der Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung bei einem Mittelbetrieb

BFH 15.6.2016, III R 8/15

Die An­ord­nung ei­ner zwei­ten An­schlussprüfung für ein ge­werb­li­ches Ein­zel­un­ter­neh­men, das im Zeit­punkt der Be­kannt­gabe die­ser Prüfungs­an­ord­nung als Mit­tel­be­trieb ein­ge­stuft ist, be­darf grundsätz­lich kei­ner über § 193 Abs. 1 AO hin­aus­ge­hen­den Begründung. Eine der­ar­tige Prüfung ist er­mes­sens­ge­recht, wenn keine An­halts­punkte für eine willkürli­che oder schi­kanöse Be­las­tung be­ste­hen und sie nicht ge­gen das Übermaßver­bot verstößt; sie ist nicht übermäßig, wenn das Un­ter­neh­men während des vor­ge­se­he­nen Prüfungs­zeit­rau­mes zeit­weise als Großbe­trieb ein­ge­ord­net war und sich auf­grund vor­lie­gen­den Kon­troll­ma­te­ri­als aus Sicht des Fi­nanz­amts ein Prüfungs­be­darf er­gibt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger be­treibt in meh­re­ren Fi­lia­len einen Ein­zel­han­del mit Wa­ren ver­schie­de­ner Art. Gem. § 3 der Be­triebsprüfungs­ord­nung 2000 (BpO) war der Be­trieb des Klägers zum 1.1.2004 als Klein­be­trieb, zum 1.1.2007 als Mit­tel­be­trieb, zum 1.1.2010 als Großbe­trieb und mit Wir­kung ab dem 1.1.2013 wie­der als Mit­tel­be­trieb ein­ge­stuft. Für die Ver­an­la­gungs­zeiträume 2002 bis 2004 so­wie für die Ver­an­la­gungs­zeiträume 2005 bis 2007 führte das Fi­nanz­amt beim Kläger Außenprüfun­gen durch, die zu kei­nen nen­nens­wer­ten Be­an­stan­dun­gen führ­ten. Am 22.1.2013 ord­nete das Fi­nanz­amt eine wei­tere Außenprüfung an, die sich auf die Fest­stel­lung der Einkünfte so­wie die Ge­wer­be­steuer für die Jahre 2008 bis 2011 er­stre­cken sollte. Auf den Ein­spruch des Klägers hin er­ließ das Fi­nanz­amt am 20.2.2013 eine neue Prüfungs­an­ord­nung, in der es den Prüfungs­zeit­raum auf drei Jahre (2008 bis 2010) be­grenzte. Der Kläger hielt an sei­nem Ein­spruch fest.

Das Fi­nanz­amt wies den Ein­spruch als un­begründet zurück. Zur Begründung ver­wies es dar­auf, dass es sich bei der An­ord­nung ei­ner rou­ti­nemäßigen Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO um eine Er­mes­sen­ent­schei­dung han­dele, die mit der An­gabe der Rechts­grund­lage hin­rei­chend begründet sei. Dies gelte auch im Falle ei­ner An­schlussprüfung, die we­der ein zu er­war­ten­des Meh­rer­geb­nis noch re­le­vante Prüfungs­fest­stel­lun­gen in den vor­an­ge­gan­ge­nen Prüfun­gen vor­aus­setze. Das Fi­nanz­amt habe sich auch durch den Wech­sel der Größen­klasse vom Groß- zum Mit­tel­be­trieb zum 1.1.2013 zur Prüfung ver­an­lasst ge­se­hen.

Der Kläger er­hob dar­auf­hin Klage. Während des Kla­ge­ver­fah­rens über­sandte das Fi­nanz­amt dem FG Auszüge aus ihm vor­lie­gen­den Kon­troll­ma­te­rial. Auf einen recht­li­chen Hin­weis des FG, dass zwei­fel­haft sei, ob die Prüfungs­an­ord­nung vom 20.2.2013 aus­rei­chend begründet sei, er­ließ das Fi­nanz­amt während des Kla­ge­ver­fah­rens am 13.3.2014 eine neue Prüfungs­an­ord­nung, die wie­derum auf § 193 Abs. 1 AO gestützt war. Sie er­gehe auf­grund ei­ner Er­mes­sens­ent­schei­dung, bei der das Kon­troll­ma­te­rial von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung sei, da es den Schluss zu­lasse, dass im Prüfungs­zeit­raum nicht alle Ge­schäfts­vorfälle zu­tref­fend er­fasst wor­den seien. Es sei da­her not­wen­dig, eine zweite An­schlussprüfung durch­zuführen, ob­gleich die letzte Be­triebsprüfung nicht zu nen­nens­wer­ten Be­an­stan­dun­gen geführt habe.

Das FG gab der Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Prüfungs­an­ord­nung vom 13.3.2014 ist rechtmäßig.

Ob und in wel­chem Um­fang bei einem Steu­er­pflich­ti­gen nach § 193 AO eine Außenprüfung an­ge­ord­net wird, ist eine Er­mes­sens­ent­schei­dung, die vom Ge­richt nach § 102 FGO nur ein­ge­schränkt zu prüfen ist. Das Fi­nanz­amt hat vor­lie­gend die ge­setz­li­chen Gren­zen des Er­mes­sens be­ach­tet und frei von Er­mes­sens­feh­lern ent­schie­den. Das Fi­nanz­amt hat von sei­nem Er­mes­sen in ei­ner dem Zweck der Ermäch­ti­gung ent­spre­chen­den Weise Ge­brauch ge­macht. Die An­ord­nung der zwei­ten An­schlussprüfung verstößt nicht ge­gen den Grund­satz der Selbst­bin­dung der Ver­wal­tung. An­dere Er­mes­sens­feh­ler sind nicht er­kenn­bar.

Die Fi­nanz­behörden sind ver­pflich­tet, für eine steu­er­li­che Be­las­tungs­gleich­heit zu sor­gen und diese auch hin­sicht­lich des tatsäch­li­chen Er­fol­ges zu gewähr­leis­ten. Die Her­stel­lung der steu­er­li­chen Last­en­gleich­heit spricht für eine möglichst lücken­lose Prüfung; die Ver­wal­tung kann da­her grundsätz­lich alle Ver­an­la­gungs­zeiträume durch eine Außenprüfung kon­trol­lie­ren. Da eine um­fas­sende Prüfung der un­ter § 193 Abs. 1 AO fal­len­den Steu­er­pflich­ti­gen nicht rea­li­sier­bar ist, kann sich die Fi­nanz­behörde zu­min­dest die pro­phy­lak­ti­sche Wir­kung nutz­bar ma­chen, die in der Un­be­re­chen­bar­keit ei­nes prüfungs­freien Zeit­raums zwi­schen den tur­nusmäßigen Prüfun­gen liegt. Da­her ist bei der Er­mes­sens­ausübung nach § 193 Abs. 1 AO für die Berück­sich­ti­gung ei­nes In­di­vi­dual­in­ter­es­ses auf Ver­scho­nung von den durch eine Außenprüfung aus­gelösten Be­las­tun­gen vor­be­halt­lich des Übermaß- so­wie des Willkür- und Schi­ka­ne­ver­bots grundsätz­lich kein Raum.

An­halts­punkte für eine willkürli­che oder schi­kanöse Be­las­tung des Klägers sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Der Kläger wurde durch die An­ord­nung ei­ner zwei­ten An­schlussprüfung auch nicht in er­mes­sens­feh­ler­haf­ter Weise übermäßig be­las­tet. Ob ein Er­mes­sens­feh­ler ge­ge­ben ist, be­ur­teilt sich grundsätz­lich nach Begründung der Prüfungs­an­ord­nung durch das Fi­nanz­amt. Da die An­ord­nung ei­ner Prüfung grundsätz­lich er­mes­sens­ge­recht ist, wenn sie nicht ge­gen das Übermaß-, das Willkür- oder das Schi­ka­ne­ver­bot verstößt, be­darf sie in­des­sen re­gelmäßig kei­ner über die An­gabe der ge­setz­li­chen Grund­lage --hier § 193 Abs. 1 AO-- hin­aus­ge­hen­den Begründung. Dies gilt nicht nur für die er­ste An­schlussprüfung bei einem Mit­tel­be­trieb, son­dern auch - wie hier - für die zweite An­schlussprüfung.

Der Kläger wurde durch die Prüfungs­an­ord­nung nicht übermäßig be­las­tet. Denn das Un­ter­neh­men des Klägers war, wor­auf sich das Fi­nanz­amt auch be­ru­fen hat, zwar zum maßgeb­li­chen Zeit­punkt (§ 4 Abs. 4 BpO) als Mit­tel­be­trieb ein­ge­stuft, aber zu­vor - zum 1.1.2010 und da­mit in­ner­halb des vor­ge­se­he­nen Prüfungs­zeit­raums - als Großbe­trieb ein­ge­ord­net. Da­bei han­delt es sich um ein Kri­te­rium, das es als er­mes­sens­feh­ler­frei er­schei­nen lässt, den Prüfungs­ab­stand kürzer als bei an­de­ren Mit­tel­be­trie­ben zu be­mes­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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