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Anforderungen an die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen

BFH 18.2.2016, V R 62/14

Vor­steu­er­ab­zug im Bil­lig­keits­ver­fah­ren setzt vor­aus, dass der Un­ter­neh­mer gutgläubig war und alle Maßnah­men er­grif­fen hat, die vernünf­ti­ger­weise von ihm ver­langt wer­den können, um sich von der Rich­tig­keit der An­ga­ben in der Rech­nung zu über­zeu­gen und seine Be­tei­li­gung an einem Be­trug aus­ge­schlos­sen ist. Im Bil­lig­keits­ver­fah­ren muss das Fi­nanz­amt nicht das Vor­lie­gen ob­jek­ti­ver Umstände nach­wei­sen, die den Schluss zu­las­sen, dass das Recht auf Vor­steu­er­ab­zug in betrüge­ri­scher Weise oder missbräuch­lich gel­tend ge­macht wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin er­zielte im Streit­jahr 2006 steu­er­pflich­tige Umsätze aus der La­ge­rung, Kom­mis­sio­nie­rung und Ver­tei­lung von Gütern al­ler Art. Ge­sell­schaf­ter der Kläge­rin sind A. und P. Mit ih­rer Um­satz­steu­er­erklärung für das Streit­jahr hatte die Kläge­rin u.a. ab­zieh­bare Vor­steu­er­beträge aus zwei Rech­nun­gen der Fa. H (Prag/Tsche­chien) aus De­zem­ber 2005 und Ja­nuar 2006 über die Lie­fe­rung von Ni­ckel-Ka­tho­den zum Preis von 249.674 € zzgl. 16 % Mehr­wert­steuer i.H.v. 39.948 € und 258.022 € zzgl. 16 % Mehr­wert­steuer i..H.v. 41.283 € gel­tend ge­macht.

Im März 2008 er­hielt das Fi­nanz­amt den Hin­weis, dass die Fa. H keine Ge­schäftstätig­keit ausgeübt und nie­mals Verfügungs­macht über die an­geb­lich an die Kläge­rin ge­lie­fer­ten Wa­ren ge­habt habe. Die streit­ge­genständ­li­chen Rech­nun­gen seien des­halb zu Un­recht aus­ge­stellt wor­den. Im Rah­men der dar­auf­hin von durch­geführ­ten Er­mitt­lungsmaßnah­men wurde fest­ge­stellt, dass die Wa­ren von ei­ner nie­derländi­schen Spe­di­tion ab dem La­ger der Fa. M (In­land) di­rekt zum Ab­neh­mer nach Ita­lien trans­por­tiert wur­den. Die Kläge­rin stellte die Lie­fe­run­gen dem ita­lie­ni­schen Ab­neh­mer in Rech­nung, der diese per Über­wei­sung be­zahlte. Die Kläge­rin über­wies die Rech­nungs­beträge auf das auf den Rech­nun­gen an­ge­ge­bene Konto ei­ner Schwei­zer Bank.

Das Fi­nanz­amt setzte dar­auf­hin die Um­satz­steuer für 2006 un­ter Ver­sa­gung der Vor­steuer aus den bei­den Rech­nun­gen der Fa. H fest. Die Ab­leh­nung ei­ner Gewährung des Vor­steu­er­ab­zugs aus Bil­lig­keitsgründen begründete die Behörde u.a. da­mit, dass die Kläge­rin - ob­wohl es sich bei der Fa. H um eine neue Ge­schäfts­be­zie­hung ge­han­delt habe - we­der Kennt­nis von den Ge­schäftsführern noch von sons­ti­gen Kon­takt­per­so­nen bei der an­geb­li­chen Lie­fe­ran­tin Fa. H ge­habt habe, auf Fax­ant­wor­ten der Fa. H auch keine Kon­takt­per­son auf­geführt ge­we­sen sei. Schließlich sei auch die von der Fa. H ver­wen­dete Steu­er­num­mer er­kenn­bar von den in Deutsch­land gebräuch­li­chen Steu­er­num­mern ab­ge­wi­chen.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage teil­weise statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Zwar hatte das FG zu Un­recht ent­schie­den, dass der Vor­steu­er­ab­zug im Bil­lig­keits­ver­fah­ren zu gewähren sei, wenn die Steu­er­behörden nicht das Vor­lie­gen ob­jek­ti­ver Umstände nach­wei­sen könne, die den Schluss zu­lasse, dass das Recht auf Vor­steu­er­ab­zug in betrüge­ri­scher Weise oder missbräuch­lich gel­tend ge­macht wurde, denn diese Vor­aus­set­zung be­trifft nicht das Bil­lig­keits­ver­fah­ren. Vor­steu­er­ab­zug im Bil­lig­keits­ver­fah­ren setzt nämlich vor­aus, dass der Un­ter­neh­mer gutgläubig war und alle Maßnah­men er­grif­fen hat, die vernünf­ti­ger­weise von ihm ver­langt wer­den können, um sich von der Rich­tig­keit der An­ga­ben in der Rech­nung zu über­zeu­gen und seine Be­tei­li­gung an einem Be­trug aus­ge­schlos­sen ist.

Im Bil­lig­keits­ver­fah­ren muss das Fi­nanz­amt nicht das Vor­lie­gen ob­jek­ti­ver Umstände nach­wei­sen, die den Schluss zu­las­sen, dass das Recht auf Vor­steu­er­ab­zug in betrüge­ri­scher Weise oder missbräuch­lich gel­tend ge­macht wird. Das ist nur dann er­for­der­lich, wenn der Vor­steu­er­ab­zug trotz Vor­lie­gens des­sen ob­jek­ti­ver Merk­male we­gen der Ein­bin­dung des Un­ter­neh­mers in eine missbräuch­li­che Ge­stal­tung ver­sagt wer­den soll.

Die Auf­he­bung der Ent­schei­dung des Fi­nanz­am­tes im Bil­lig­keits­ver­fah­ren war aber im Er­geb­nis rich­tig, da der Fi­nanz­behörde Er­mes­sens­feh­ler un­ter­lau­fen wa­ren. Zwar stellt es kei­nen Er­mes­sens­feh­ler dar, wenn eine Behörde ihre Ent­schei­dung auf meh­rere Er­mes­sen­serwägun­gen stützt, von de­nen zwar eine oder ein­zelne feh­ler­haft sind, die Behörde aber ein­deu­tig zum Aus­druck ge­bracht hat, dass jede ein­zelne der Er­mes­sen­serwägun­gen be­reits al­lein tra­gend ist.

Der Er­mes­sens­ent­schei­dung im vor­lie­gen­den Fall ließ sich aber nicht ent­neh­men, wel­che Erwägun­gen ge­nau für die Ent­schei­dung maßge­bend wa­ren. Diese Ent­schei­dung kann der BFH nicht an Stelle des FG tref­fen, denn das Ge­richt muss im Fall der Auf­de­ckung von Er­mes­sens­feh­lern die Er­mes­sens­ent­schei­dung auf­he­ben und darf nicht sein Er­mes­sen an die Stelle des Er­mes­sens der Ver­wal­tungs­behörde set­zen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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