Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist die Importeurin der englischen Automobilhersteller Jaguar und Land Rover in Deutschland. Die Klägerin, die früher unter "Jaguar H-GmbH" firmierte, betreibt eine Autoreparaturwerkstatt. Aufgrund eines im Jahr 2003 geschlossenen "Autorisierten Jaguar Service-Vertrages" erhielt die Klägerin die Stellung eines "autorisierten Jaguar Servicebetriebes". Bis 2009 war sie daneben als Vertragshändlerin für Jaguar und Land Rover tätig.
Die Klägerin beantragte in erster Instanz festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie als Jaguar-Vertragswerkstatt zuzulassen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, sie mit Original-Ersatzteilen zu den Konditionen zu beliefern, die die Beklagte ihren Vertragswerkstätten gewähre. Das LG wies die Klage ab. Während des Berufungsverfahrens verlangte die Klägerin von der Beklagten den Rückkauf der noch vorhandenen Originalersatzteile. Die Parteien einigten sich auf eine Zahlung der Beklagten i.H.v. 29.750 € brutto, ohne dass die Klägerin zur Rückgabe der Teile verpflichtet wurde. Die Berufung hinsichtlich des Hauptantrages blieb erfolglos. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten, aus der sich ein Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines neuen Werkstattvertrages ergeben könnte, nicht rechtsfehlerfrei verneint. Es hatte keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es erlaubten, die für einen Nutzfahrzeugmarkt getroffene Bewertung ohne weiteres auf einen dem Markt für die Reparatur von Pkw der Marke Jaguar vorgelagerten Ressourcenmarkt zu übertragen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Verhältnisse auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt Auswirkungen auf die sachliche Abgrenzung des vorgelagerten Ressourcenmarktes haben können. Eine solche Auswirkung besteht etwa dann, wenn eine bestimmte Leistung auf der vorgelagerten Stufe deshalb nicht austauschbar ist, weil sie für eine Teilnahme am Wettbewerb auf der nachgelagerten Stufe schlechthin unentbehrlich ist. Hinsichtlich der Tätigkeit von Vertragswerkstätten kommt es danach für die Marktabgrenzung auf dem vorgelagerten Ressourcenmarkt darauf an, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an Pkw einer bestimmten Marke durchführen wollen, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit haben, diese Tätigkeit auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt des jeweiligen Herstellers auszuüben. Ob der Status einer Vertragswerkstatt eine notwendige Ressource für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen bei Pkw bestimmten Marke darstellt, wird maßgeblich durch die - tatrichterlich festzustellenden - Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer bei der Inanspruchnahme solcher Leistungen bestimmt.
Außerdem hielt es der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, dass das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines neuen Werkstattvertrages aus § 33 i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB aufgrund einer relativen Marktmacht der Beklagten verneint hatte. Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit - oder relative Marktmacht - i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 1 GWB wurde vom Senat in Fällen angenommen, in denen sich ein Händler so stark auf den Verkauf von Produkten eines bestimmten Herstellers ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf die Vertretung eines anderen Herstellers überwechseln kann. Diese Rechtsprechung hat der Senat ausgedehnt auf das Verhältnis eines Kfz-Herstellers zu einer mit ihm vertraglich verbundenen Werkstatt (BGH-Urt. v. 28.6.2005, Az: KZR 26/04) oder zu einem auf Fahrzeuge des Herstellers spezialisierten Tuning-Unternehmen.
Nutzt ein Kfz-Hersteller demnach eine Umstellung seines qualitativ selektiven Systems der Vertragswerkstätten zu einer quantitativen Selektion, kann das damit verfolgte Interesse im Rahmen der Abwägung mit dem Interesse eines bisherigen, von ihm unternehmensbedingt abhängigen Vertragspartners, auch nach der Systemumstellung weiterhin dem Netz der Vertragswerkstätten anzugehören, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Der Grundsatz, dass auch der Normadressat unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist berechtigt ist, die Vertragsbeziehung zu einem von ihm abhängigen Unternehmen zu beenden, wird im Streitfall durch die Zielsetzung des Gesetzes begrenzt, keine wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zu begünstigen, sofern die Klägerin alle qualitativen Anforderungen an eine Vertragswerkstatt der Beklagten erfüllt. Danach kommt bei der umfassenden Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien der Frage maßgebliche Bedeutung zu, aus welchem Grund die Beklagte der Klägerin den Zugang zu ihrem neu gestalteten Netz von Vertragswerkstätten verweigert hat.
Linkhinweise:
- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Für den Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.