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Anforderungen an die Kündigung von Serviceverträgen mit Vertragswerkstätten

BGH 26.1.2016, KZR 41/14

Die Frage, ob der Sta­tus ei­ner Ver­trags­werk­statt eine not­wen­dige Res­source für die Er­brin­gung von In­stand­set­zungs- und War­tungs­dienst­leis­tun­gen bei Pkw ei­ner be­stimm­ten Marke dar­stellt, wird maßgeb­lich durch die - ta­trich­ter­lich fest­zu­stel­len­den - An­sprüche, Er­war­tun­gen und Ge­pflo­gen­hei­ten der Fahr­zeug­ei­gentümer bei der In­an­spruch­nahme sol­cher Leis­tun­gen be­stimmt. Nutzt ein Her­stel­ler eine Um­stel­lung sei­nes qua­li­ta­tiv se­lek­ti­ven Sys­tems der Ver­trags­werkstätten zu ei­ner quan­ti­ta­ti­ven Se­lek­tion, kann das da­mit ver­folgte In­ter­esse im Rah­men der Abwägung mit dem In­ter­esse ei­nes bis­he­ri­gen abhängi­gen Ver­trags­part­ners, auch nach Sys­tem­um­stel­lung wei­ter­hin dem Netz der Ver­trags­werkstätten an­zu­gehören, nicht berück­sich­tigt wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist die Im­por­teu­rin der eng­li­schen Au­to­mo­bil­her­stel­ler Ja­guar und Land Ro­ver in Deutsch­land. Die Kläge­rin, die früher un­ter "Ja­guar H-GmbH" fir­mierte, be­treibt eine Au­to­re­pa­ra­tur­werk­statt. Auf­grund ei­nes im Jahr 2003 ge­schlos­se­nen "Au­to­ri­sier­ten Ja­guar Ser­vice-Ver­tra­ges" er­hielt die Kläge­rin die Stel­lung ei­nes "au­to­ri­sier­ten Ja­guar Ser­vice­be­trie­bes". Bis 2009 war sie da­ne­ben als Ver­tragshänd­le­rin für Ja­guar und Land Ro­ver tätig.

Im Mai 2011 kündigte die Be­klagte die Ser­vice­verträge mit der Kläge­rin und al­len an­de­ren Ser­vice­part­nern zum 31.5.2013. Als Begründung teilte sie mit, die Mut­ter­ge­sell­schaft habe sich zum Ziel ge­setzt, das Ja­guar-Ser­vice­netz neu zu ord­nen. In der Folge bot die Be­klagte ih­ren bis­he­ri­gen Ver­trags­part­nern in den meis­ten Fällen einen neuen Werk­statt­ver­trag an. In dem Kündi­gungs­schrei­ben ge­genüber der Kläge­rin hieß es da­ge­gen, dass ihr Un­ter­neh­men bei der Neu­pla­nung nicht berück­sich­tigt wer­den könne. Einen An­trag der Kläge­rin auf Ab-schluss ei­nes neuen Werk­statt­ver­tra­ges lehnte die Be­klagte ab.

Die Kläge­rin be­an­tragte in ers­ter In­stanz fest­zu­stel­len, dass die Be­klagte ver­pflich­tet sei, sie als Ja­guar-Ver­trags­werk­statt zu­zu­las­sen, hilfs­weise die Be­klagte zu ver­ur­tei­len, sie mit Ori­gi­nal-Er­satz­tei­len zu den Kon­di­tio­nen zu be­lie­fern, die die Be­klagte ih­ren Ver­trags­werkstätten gewähre. Das LG wies die Klage ab. Während des Be­ru­fungs­ver­fah­rens ver­langte die Kläge­rin von der Be­klag­ten den Rück­kauf der noch vor­han­de­nen Ori­gi­na­ler­satz­teile. Die Par­teien ei­nig­ten sich auf eine Zah­lung der Be­klag­ten i.H.v. 29.750 € brutto, ohne dass die Kläge­rin zur Rück­gabe der Teile ver­pflich­tet wurde. Die Be­ru­fung hin­sicht­lich des Haupt­an­tra­ges blieb er­folg­los. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte eine markt­be­herr­schende Stel­lung der Be­klag­ten, aus der sich ein An­spruch der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes neuen Werk­statt­ver­tra­ges er­ge­ben könnte, nicht rechts­feh­ler­frei ver­neint. Es hatte keine aus­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen, die es er­laub­ten, die für einen Nutz­fahr­zeug­markt ge­trof­fene Be­wer­tung ohne wei­te­res auf einen dem Markt für die Re­pa­ra­tur von Pkw der Marke Ja­guar vor­ge­la­ger­ten Res­sour­cen­markt zu über­tra­gen.

Es ent­spricht ständi­ger Recht­spre­chung, dass die Verhält­nisse auf dem nach­ge­la­ger­ten End­kun­den­markt Aus­wir­kun­gen auf die sach­li­che Ab­gren­zung des vor­ge­la­ger­ten Res­sour­cen­mark­tes ha­ben können. Eine sol­che Aus­wir­kung be­steht etwa dann, wenn eine be­stimmte Leis­tung auf der vor­ge­la­ger­ten Stufe des­halb nicht aus­tausch­bar ist, weil sie für eine Teil­nahme am Wett­be­werb auf der nach­ge­la­ger­ten Stufe schlecht­hin un­ent­behr­lich ist. Hin­sicht­lich der Tätig­keit von Ver­trags­werkstätten kommt es da­nach für die Markt­ab­gren­zung auf dem vor­ge­la­ger­ten Res­sour­cen­markt dar­auf an, ob freie Werkstätten, die Ar­bei­ten an Pkw ei­ner be­stimm­ten Marke durchführen wol­len, eine wirt­schaft­lich sinn­volle Möglich­keit ha­ben, diese Tätig­keit auch ohne den Sta­tus ei­ner Ver­trags­werk­statt des je­wei­li­gen Her­stel­lers auszuüben. Ob der Sta­tus ei­ner Ver­trags­werk­statt eine not­wen­dige Res­source für die Er­brin­gung von In­stand­set­zungs- und War­tungs­dienst­leis­tun­gen bei Pkw be­stimm­ten Marke dar­stellt, wird maßgeb­lich durch die - ta­trich­ter­lich fest­zu­stel­len­den - An­sprüche, Er­war­tun­gen und Ge­pflo­gen­hei­ten der Fahr­zeug­ei­gentümer bei der In­an­spruch­nahme sol­cher Leis­tun­gen be­stimmt.

Außer­dem hielt es der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nachprüfung nicht stand, dass das Be­ru­fungs­ge­richt einen An­spruch der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes neuen Werk­statt­ver­tra­ges aus § 33 i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB auf­grund ei­ner re­la­ti­ven Markt­macht der Be­klag­ten ver­neint hatte. Eine un­ter­neh­mens­be­dingte Abhängig­keit - oder re­la­tive Markt­macht - i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 1 GWB wurde vom Se­nat in Fällen an­ge­nom­men, in de­nen sich ein Händ­ler so stark auf den Ver­kauf von Pro­duk­ten ei­nes be­stimm­ten Her­stel­lers aus­ge­rich­tet hat, dass er nur un­ter In­kauf­nahme er­heb­li­cher Wett­be­werbs­nach­teile auf die Ver­tre­tung ei­nes an­de­ren Her­stel­lers über­wech­seln kann. Diese Recht­spre­chung hat der Se­nat aus­ge­dehnt auf das Verhält­nis ei­nes Kfz-Her­stel­lers zu ei­ner mit ihm ver­trag­lich ver­bun­de­nen Werk­statt (BGH-Urt. v. 28.6.2005, Az: KZR 26/04) oder zu einem auf Fahr­zeuge des Her­stel­lers spe­zia­li­sier­ten Tu­ning-Un­ter­neh­men.

Nutzt ein Kfz-Her­stel­ler dem­nach eine Um­stel­lung sei­nes qua­li­ta­tiv se­lek­ti­ven Sys­tems der Ver­trags­werkstätten zu ei­ner quan­ti­ta­ti­ven Se­lek­tion, kann das da­mit ver­folgte In­ter­esse im Rah­men der Abwägung mit dem In­ter­esse ei­nes bis­he­ri­gen, von ihm un­ter­neh­mens­be­dingt abhängi­gen Ver­trags­part­ners, auch nach der Sys­tem­um­stel­lung wei­ter­hin dem Netz der Ver­trags­werkstätten an­zu­gehören, grundsätz­lich nicht berück­sich­tigt wer­den. Der Grund­satz, dass auch der Nor­madres­sat un­ter Ein­hal­tung ei­ner an­ge­mes­se­nen Kündi­gungs­frist be­rech­tigt ist, die Ver­trags­be­zie­hung zu einem von ihm abhängi­gen Un­ter­neh­men zu be­en­den, wird im Streit­fall durch die Ziel­set­zung des Ge­set­zes be­grenzt, keine wett­be­werbs­be­schränken­den Ver­ein­ba­run­gen zu begüns­ti­gen, so­fern die Kläge­rin alle qua­li­ta­ti­ven An­for­de­run­gen an eine Ver­trags­werk­statt der Be­klag­ten erfüllt. Da­nach kommt bei der um­fas­sen­den Abwägung der ge­gen­sei­ti­gen In­ter­es­sen der Par­teien der Frage maßgeb­li­che Be­deu­tung zu, aus wel­chem Grund die Be­klagte der Kläge­rin den Zu­gang zu ih­rem neu ge­stal­te­ten Netz von Ver­trags­werkstätten ver­wei­gert hat.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.
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