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Anforderungen an unmissverständliche Rechtsbehelfsbelehrung

BFH 6.7.2016, XI B 36/16

Eine Rechts­be­helfs­be­leh­rung in einem Be­scheid, wo­nach der Be­scheid mit dem Ein­spruch an­ge­foch­ten wer­den kann, wird nicht da­durch un­rich­tig, wenn es an­schließend wei­ter heißt: "Ein Ein­spruch ist je­doch aus­ge­schlos­sen, so­weit die­ser Be­scheid einen Ver­wal­tungs­akt ändert oder er­setzt, ge­gen den ein zulässi­ger Ein­spruch oder (nach einem zulässi­gen Ein­spruch) eine zulässige Klage, Re­vi­sion oder Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde anhängig ist. In die­sem Fall wird der neue Ver­wal­tungs­akt Ge­gen­stand des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens".

Der Sach­ver­halt:
Die Fa­mi­li­en­kasse hatte mit Be­scheid vom 26.3.2015 die Kin­der­geld­fest­set­zung für die im Mai 1992 ge­bo­rene Toch­ter des An­trag­stel­lers für die Zeit von Ja­nuar 2012 bis Sep­tem­ber 2014 gem. § 70 Abs. 2 EStG auf­ge­ho­ben das da­nach zu viel ge­zahlte Kin­der­geld zurück­ge­for­dert. Der Be­scheid wurde dem An­trag­stel­ler am 30.3.2015 persönlich über­ge­ben. Ent­hielt fol­gende Rechts­be­helfs­be­leh­rung:

"Die­ser Be­scheid kann mit dem Ein­spruch an­ge­foch­ten wer­den. Ein Ein­spruch ist je­doch aus­ge­schlos­sen, so­weit die­ser Be­scheid einen Ver­wal­tungs­akt ändert oder er­setzt, ge­gen den ein zulässi­ger Ein­spruch oder (nach einem zulässi­gen Ein­spruch) eine zulässige Klage, Re­vi­sion oder Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde anhängig ist. In die­sem Fall wird der neue Ver­wal­tungs­akt Ge­gen­stand des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens. Der Ein­spruch ist bei der vor­be­zeich­ne­ten Fa­mi­li­en­kasse schrift­lich ein­zu­rei­chen oder zur Nie­der­schrift zu erklären.

Die Frist der Ein­le­gung ei­nes Ein­spruchs beträgt einen Mo­nat. Sie be­ginnt mit Ab­lauf des Ta­ges, an dem Ih­nen der Be­scheid be­kannt ge­ge­ben wor­den ist. Bei Zu­sen­dung durch ein­fa­chen Brief oder Zu­stel­lung mit­tels Ein­schrei­ben durch Überg­abe gilt die Be­kannt­gabe mit dem drit­ten Tag nach Auf­gabe zur Post als be­wirkt, es sei denn, dass der Be­scheid zu einem späte­ren Zeit­punkt zu­ge­gan­gen ist. Bei Zu­stel­lung durch Zu­stel­lungs­ur­kunde oder durch Ein­schrei­ben mit Rück­schein oder ge­gen Emp­fangs­be­kennt­nis ist der Tag der Be­kannt­gabe der Tag der Zu­stel­lung."

Mit Schrei­ben vom 19.5.2015 erklärte der An­trag­stel­ler u.a., er habe den Be­scheid nicht er­hal­ten. Die Fa­mi­li­en­kasse wer­tete die Ein­gabe des An­trag­stel­lers als Ein­spruch. Sie teilte dem An­trag­stel­ler mit, dass der Ein­spruch verspätet ein­ge­legt, mit­hin un­zulässig sei und Gründe für eine Wie­der­ein­set­zung in den vo­ri­gen Stand nicht vorlägen. Mit Verfügung vom 25.6.2015 lehnte die Fa­mi­li­en­kasse die mit Schrei­ben des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 23.6.2015 be­an­tragte Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV) ab. Dar­auf­hin be­an­tragte der An­trag­stel­ler am 20.7.2015 beim FG, die Voll­zie­hung aus­zu­set­zen und legte am 22.7.2015 bei der Fa­mi­li­en­kasse Ein­spruch ge­gen den Ab­leh­nungs­be­scheid vom 25.6.2015 ein, über den noch nicht ent­schie­den ist.

Das FG wies den An­trag auf AdV als un­begründet zurück. Die im Be­scheid vom 26.3.2015 von der Fa­mi­li­en­kasse ver­wen­dete Rechts­be­helfs­be­leh­rung sei ent­ge­gen der An­sicht des An­trag­stel­lers nicht un­rich­tig. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Be­schwerde des An­trag­stel­lers blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Bei der im Ver­fah­ren auf AdV ge­bo­te­nen sum­ma­ri­schen Prüfung der Sach- und Rechts­lage war die Rechtmäßig­keit des streit­ge­genständ­li­chen die Kin­der­geld­fest­set­zung auf­he­ben­den Be­scheids vom 26.3.2015 nicht ernst­lich zwei­fel­haft.

Der An­trag­stel­ler hatte die ein­mo­na­tige Ein­spruchs­frist i.S.v. § 355 Abs. 1 S. 1 AO nicht ge­wahrt. Der Be­scheid vom 26.3.2015 war aus­weis­lich der Zu­stel­lungs­ur­kunde dem An­trag­stel­ler am 30.3.2015 persönlich über­ge­ben und da­mit am sel­ben Tag wirk­sam be­kannt ge­ge­ben. Der hier­ge­gen am 19.5.2015, mit­hin nach Ab­lauf der nach § 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187 bis 193 BGB 30.4.2015 en­den­den Ein­spruchs­frist, bei der Fa­mi­li­en­kasse ein­ge­gan­gene Ein­spruch des An­trag­stel­lers war so­mit ver­fris­tet.

Die Ein­spruchs­frist war auch nicht gem. § 356 Abs. 2 S. 1 AO auf ein Jahr verlängert wor­den, weil sie un­rich­tig war. Un­rich­tig i.S.v. § 356 Abs. 2 S. 1 AO ist eine Be­leh­rung erst dann, wenn sie in we­sent­li­chen Aus­sa­gen un­zu­tref­fend oder der­art un­vollständig oder miss­verständ­lich ge­fasst ist, dass hier­durch bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung die Möglich­keit zur Frist­wah­rung gefähr­det er­scheint. Eine Rechts­be­helfs­be­leh­rung, die den Wort­laut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO wie­der­gibt und verständ­lich über all­ge­meine Merk­male des Frist­be­ginns so­wie Frist­dauer in­for­miert, ist ord­nungs­gemäß

Eine Rechts­be­helfs­be­leh­rung in einem Be­scheid wie im vor­lie­gen­den Fall, wo­nach der Be­scheid mit dem Ein­spruch an­ge­foch­ten wer­den kann, wird nicht da­durch un­rich­tig i.S.v. § 356 Abs. 2 S. 1 AO, wenn es an­schließend wei­ter heißt: "Ein Ein­spruch ist je­doch aus­ge­schlos­sen, so­weit die­ser Be­scheid einen Ver­wal­tungs­akt ändert oder er­setzt, ge­gen den ein zulässi­ger Ein­spruch oder (nach einem zulässi­gen Ein­spruch) eine zulässige Klage, Re­vi­sion oder Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde anhängig ist. In die­sem Fall wird der neue Ver­wal­tungs­akt Ge­gen­stand des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens".

Link­hin­weis:

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