Der Sachverhalt:
Die Kläger waren Aktionäre der X-AG. Deren Übernahme hatte die Beklagte seit 2013 geplant. Hierbei strebte sie eine Beteiligung von mindestens 75% an, um nach der Übernahme sicher einen Beherrschungsvertrag mit der X-AG schließen zu können. Dafür musste die Beklagte in großem Umfang Wandelanleihen kaufen. Diese gewährten ihr ein Recht zur Wandlung in Aktien der X-AG und waren von dieser garantiert. Sie sollten 2014 ("Anleihen 2014") bzw. 2018 ("Anleihen 2018") fällig werden und enthielten eine Klausel, wonach der Inhaber im Fall eines Kontrollwechsels am oder vor dem Kontrollstichtag die Wandlung zu einem angepassten Wandlungspreis verlangen konnte.
Am 27.1.2014 wurden die "Anleihen 2018" übertragen. Einen Tag später übte die Beklagte die Wandlungsrechte zu einem Wandlungspreis von 19,05 € aus. Anfang Februar erwarb sie 11.443.569 (von insgesamt 170.100.000) Aktien der X AG. Die Übertragung der "Anleihen 2014" erfolgte am 6.2.2014. Mitte Februar übte die Beklagte die Wandlungsrechte aus diesen Anleihen zu einem Wandlungspreis von 21,66 € aus und erhielt 11.172.668 Aktien der X-AG. Bis zur Abgabe des Übernahmeangebots erwarben die Beklagte und eine Schwestergesellschaft zusammen weitere 519 Wandelanleihen, von denen sie 442 in 1.429.076 Aktien der X-AG umtauschten.
Nach Prüfung und Gestattung der Angebotsunterlagen durch die BaFin gab die Beklagte am 28.2.2014 ein auf den Erwerb sämtlicher Aktien der X-AG gerichtetes öffentliches Übernahmeangebot zum Preis von 23,50 € je Aktie ab. Die Vorerwerbe der Wandelanleihen und die hierfür gezahlten Preise hatte die Beklagte gegenüber der BaFin offengelegt. Auf das Angebot lieferten der Kläger zu 1) 9.256 Aktien ein, der Kläger zu 2) 13.294 Aktien, der Kläger zu 3) 4.071 Aktien und der Kläger zu 4) 8.379 Aktien. Die Kläger waren der Ansicht, dass der Preis von 23,50 € je Aktie keine angemessene Gegenleistung i.S.v. § 31 Abs. 1 WpÜG i.V.m. § 4 WpÜG-AngVO sei. Aus § 31 Abs. 6 WpÜG folge, dass bei der Berechnung des Mindestpreises der für die Wandelanleihen gezahlte Kaufpreis berücksichtigt werden müsse. Der angebotene Preis hätte daher mindestens 30,95 € je Aktie betragen müssen, weshalb den Klägern ein Differenzbetrag von 7,45 € je eingereichter Aktie zustehe.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Kläger hob das OLG die Entscheidung auf und gab der Klage ganz überwiegend statt.
Die Gründe:
Den Klägern stehen gem. § 31 Abs. 1, 6 S. 1 WpÜG i.V.m. § 4 WpÜG-AngVO die geltend gemachten Erhöhungsansprüche zu. Die Zinsansprüche haben ihre Grundlage in §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB. Der erhöhte Zinssatz gem. § 288 Abs. 2 BGB ist nicht geschuldet, da die angemessene Gegenleistung i.S.v. § 31 Abs. 1 WpÜG keine Entgeltforderung für eine von den Klägern erbrachte Leistung darstellt.
Gem. § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG hat der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Ist die Gegenleistung nicht angemessen, steht den Aktionären, die das Angebot angenommen haben, gegenüber dem Bieter ein Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung zu. Der Zahlungsanspruch folgt unmittelbar aus § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG i.V.m. §§ 3 ff. WpÜG-AngVO. Diese Voraussetzung war hier erfüllt, denn die von der Beklagten angebotene und gezahlte Gegenleistung von 23,50 € war nicht angemessen i.S.v. § 31 Abs. 1 WpÜG i.V.m. §§ 4, 5 WpÜG-AngVO. Maßgeblich war der höchste für den Erwerb der Wandelanleihen (bezogen auf eine Aktie) gezahlte Betrag von 30,95 €, da diese von der Beklagten innerhalb der Frist des § 31 Abs. 3 WpÜG erworben und gewandelt worden waren.
Allerdings ist eine strenge Gleichsetzung des "Grundes" i.S.v. § 31 Abs. 6 S. 1 WpÜG mit der "causa" des dinglichen Rechtserwerbs nicht zwingend. Vielmehr kommt ebenso in Betracht, diesen in dem weiteren Sinne zu verstehen, dass mit ihm alle Verträge erfasst werden sollen, welche die Grundlage für den späteren dinglichen Erwerb der Aktien bilden. Ebenfalls unergiebig ist im Ergebnis die systematische Auslegung der Vorschrift. Insofern fällt § 31 Abs. 6 S. 2 WpÜG ins Auge. § 31 Abs. 6 S. 1 WpÜG stellt dem Erwerb i.S.d. §§ 31 Abs. 3 bis 5 WpÜG, 4 S. 1 WpÜG-AngVO Vereinbarungen gleich, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann. Entscheidende Bedeutung für die Auslegung kamen daher dem Sinn und Zweck der Regelung des § 31 Abs. 6 S. 1 WpÜG zu. Diese sprachen im vorliegenden Fall für seine Anwendung.
Für die Höhe des Anspruchs der Kläger aus §§ 31 Abs. 6 S. 1 WpÜG, 4 WpÜG-AngVO war der geltend gemachte Betrag von 30,95 € zugrunde zu legen, sodass die Kläger je Aktie einen zusätzlichen Ausgleich von 7,45 € verlangen konnten. Dass die Wandelanleihen i.E. zum Erwerb von Aktien ohne Gewinnbezugsrecht für das Jahr 2013 berechtigten, die von den Klägern im Zuge der Übernahme verkauften Aktien hingegen gewinnbezugsberechtigt waren, vermochte keinen Abschlag zu rechtfertigen. Zwar differenziert § 3 S. 3 WpÜG-AngVO nach der Aktiengattung: Der vom Bieter für den Vorerwerb von stimmrechtsvermittelnden Aktien gezahlte Preis entspricht z.B. nicht dem Preis, den er den Inhabern von stimmrechtslosen Aktien mindestens anbieten muss. Die von den Klägern hingegebenen Aktien waren jedoch mehr wert, als die von der Beklagten auf Grund der Wandelanleihe erworbenen. Die angemessene Gegenleistung gem. § 31 Abs. 1 WpÜG musste daher wenigstens den - geltend gemachten - Preis des geringwertigeren Vorerwerbs erreichen.
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