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Anlageberatung: Mitverschulden des Anlageinteressenten hinsichtlich der Pflichtverletzung des Anlageberaters

BGH 19.2.2015, III ZR 90/14

Beim Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Ver­let­zung von Aufklärungs- und Be­ra­tungs­pflich­ten kommt der Ein­wand des Mit­ver­schul­dens nur un­ter be­son­de­ren Umständen zum Tra­gen, weil sich der An­le­ger re­gelmäßig auf die Rich­tig­keit der ihm er­teil­ten Aufklärung und Be­ra­tung ver­las­sen darf; eine Aus­nahme hier­von ist an­zu­neh­men, wenn der Ge­schädigte über ei­gene Sach­kunde oder über zusätz­li­che In­for­ma­tio­nen verfügt. Der Um­stand, dass der An­le­ger er­heb­li­che Beträge "aufs Spiel ge­setzt hat", ohne sich zu­vor mit der emp­foh­le­nen An­lage in­ten­siv zu be­schäfti­gen, recht­fer­tigt nicht den Schluss, er habe sich "be­son­ders leicht­sin­nig" ver­hal­ten.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger nimmt den Be­klag­ten un­ter dem Vor­wurf feh­ler­haf­ter An­la­ge­be­ra­tung auf Scha­dens­er­satz in An­spruch. Auf des­sen Emp­feh­lung zeich­nete der Kläger im No­vem­ber 2003 eine Be­tei­li­gung über 150.000 € zzgl. 9.000 € Agio als aty­pi­sch stil­ler Ge­sell­schaf­ter an der (da­ma­li­gen) A-AG & Co. KG (jetzt: A-GmbH & Co. KG), einem ge­schlos­se­nen Fonds. Nach der Be­schrei­bung im Pro­spekt sollte das Ka­pi­tal der An­le­ger in ein ganz­heit­li­ches Mo­bi­litätskon­zept, be­ste­hend aus Full-Ser­vice-Lea­sing, der Ver­mie­tung von Au­to­mo­bi­len so­wie zusätz­li­chen daran an­ge­bun­de­nen Dienst­leis­tun­gen und Lea­sing­ge­schäften al­ler Art in­ves­tiert wer­den.

Der Kläger ver­langt u.a. Zah­lung von rd. 100.000 € nebst Zin­sen so­wie Frei­stel­lung von al­len wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len und Ver­pflich­tun­gen, die sich aus der Be­tei­li­gung er­ge­ben. Er macht gel­tend, der Be­klagte habe wahr­heits­wid­rig an­ge­ge­ben, es han­dele sich um eine per­fekte und ab­so­lut si­chere An­lage für das An­la­ge­ziel der Al­ters­vor­sorge, die pro­gnos­ti­sch 12 Pro­zent p.a. ab­werfe. Eine Aufklärung über das Fun­gi­bi­litätsri­siko so­wie über die wei­chen Kos­ten von mehr als 15 Pro­zent sei nicht er­folgt. Der Be­klagte habe ihn auch nicht aus­rei­chend über die spe­zi­fi­schen Ri­si­ken der ge­zeich­ne­ten An­lage, ins­be­son­dere ein To­tal­ver­lust­ri­siko, auf­geklärt. Des Wei­te­ren sei der Pro­spekt, der ihm i.Ü. nicht über­ge­ben wor­den sei, wi­der­sprüch­lich, un­vollständig und feh­ler­haft.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab der Klage teil­weise statt - we­gen ei­nes Mit­ver­schul­dens des Klägers je­doch nur i.H.v. 50 Pro­zent. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und gab der Klage voll­umfäng­lich statt.

Die Gründe:
Die Auf­fas­sung des OLG, dem Kläger sei ein Mit­ver­schul­den an­zu­las­ten, be­geg­net durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken. Das OLG hat bei sei­ner Würdi­gung die An­for­de­run­gen an ein auf Sei­ten des An­la­gein­ter­es­sen­ten an­zu­rech­nen­des Mit­ver­schul­den bei Zeich­nung ei­ner An­lage ver­kannt. Da­nach muss sich der Kläger auf der Grund­lage der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen ein mit­wir­ken­des Ver­schul­den nicht ent­ge­gen­hal­ten las­sen.

Ein Ver­schul­den i.S.d. § 254 BGB liegt laut BGH-Recht­spre­chung dann vor, wenn der Ge­schädigte die­je­nige Sorg­falt außer Acht lässt, die nach Lage der Sa­che er­for­der­lich er­scheint, um sich selbst vor Scha­den zu be­wah­ren. Al­ler­dings ver­dient das Ver­trauen des­je­ni­gen, der sich von einem an­de­ren, der für sich Sach­kunde in An­spruch nimmt, be­ra­ten lässt, be­son­de­ren Schutz.

Des­halb kommt im Falle ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs we­gen der (vorsätz­li­chen oder fahrlässi­gen) Ver­let­zung von Aufklärungs- und Be­ra­tungs­pflich­ten der Ein­wand des Mit­ver­schul­dens nur un­ter be­son­de­ren Umständen zum Tra­gen, weil sich der An­le­ger re­gelmäßig auf die Rich­tig­keit und Vollständig­keit der ihm er­teil­ten Aufklärung und Be­ra­tung ver­las­sen darf; al­les an­dere wi­der­spräche dem Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB), der in § 254 BGB le­dig­lich eine be­son­dere Ausprägung er­hal­ten hat. Eine Aus­nahme hier­von ist ins­be­son­dere dann an­zu­neh­men, wenn der Ge­schädigte über ei­gene Sach­kunde oder über zusätz­li­che In­for­ma­tio­nen von drit­ter Seite verfügt.

Ein der­ar­ti­ger Aus­nah­me­fall liegt je­doch nicht vor. Der Um­stand, dass der Kläger er­heb­li­che Beträge "aufs Spiel ge­setzt hat", ohne sich zu­vor mit der emp­foh­le­nen An­lage in­ten­siv zu be­schäfti­gen, recht­fer­tigt nicht den Schluss, der Kläger habe sich "be­son­ders leicht­sin­nig" ver­hal­ten. Würde man dem OLG fol­gen, so wäre kaum nach­voll­zieh­bar, worin der Un­ter­schied zwi­schen einem "äußerst leicht­sin­ni­gen" und einem grob fahrlässi­gen Ver­hal­ten lie­gen soll; letz­te­res hat aber das OLG im Rah­men sei­ner Ausführun­gen zur Verjährung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs mit nach­voll­zieh­ba­rer Begründung ge­rade ab­ge­lehnt.

Das Ver­hal­ten des Klägers, der die be­ste­hen­den Ri­si­ken nicht rea­li­siert hat, be­legt nur, dass er sich auf die be­schwich­ti­gen­den Aus­sa­gen so­wie die Kennt­nisse und Er­fah­run­gen des Be­klag­ten ver­las­sen hat. In­so­weit gilt je­doch der Er­fah­rungs­satz, dass ein An­le­ger, der bei sei­ner Ent­schei­dung die be­son­de­ren Er­fah­run­gen und Kennt­nisse ei­nes An­la­ge­be­ra­ters in An­spruch nimmt, den Rat­schlägen, Auskünf­ten und Mit­tei­lun­gen des Be­ra­ters, die die­ser in einem persönli­chen Ge­spräch un­ter­brei­tet, be­son­de­res Ge­wicht zu­misst und zu­mes­sen darf. Der Kläger ist da­her nicht we­ni­ger schutzwürdig als an­dere An­le­ger, die auf die Rich­tig­keit und Vollständig­keit der ih­nen zu­teil ge­wor­de­nen Be­ra­tung ver­traut ha­ben.

Link­hin­weis:

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