Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zwischen Dezember 2007 und Juni 2010 führte das Finanzamt eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte. Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um rd. 8.500 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim FG geführt.
In einem Schreiben erklärte die B dem Finanzamt, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem Finanzamt nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben. Der Kläger wendet sich mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen.
Das FG gab der Klage statt. Es sah einen Ermessensfehler des Finanzamts darin, dass dieses nicht zuvor den Kläger um Auskunft gebeten hatte. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das Auskunftsersuchen des Finanzamts an die B war rechtswidrig. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Finanzamt von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 S. 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären, darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 S. 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 S. 1 AO. Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.
Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig. Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und - aus Sicht der Prüfer - möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
Zwar genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen an einen Dritten angezeigt ist. Nach § 93 Abs. 1 S. 3 AO sollten Dritte aber erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Hiervon darf die Finanzbehörde nur in atypischen Fällen abweichen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund des bisherigen Verhaltens des Steuerpflichtigen feststeht, dass er nicht mitwirken wird und damit die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Eben daran fehlt es vorliegend. Weder war die Identität des Klägers unbekannt noch hat er die Mitwirkung verweigert. Das Finanzamt konnte im Rahmen der durchzuführenden vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
Linkhinweis:
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