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Auskunftsersuchen an Dritte ohne vorherige Sachverhaltsaufklärung nur eingeschränkt möglich

BFH 29.7.2015, X R 4/14

Die Fi­nanz­behörde darf sich erst dann un­mit­tel­bar an an­dere Per­so­nen als den Be­tei­lig­ten (sog. Dritte) wen­den, wenn sie es im Rah­men ei­ner vor­weg­ge­nom­me­nen Be­weiswürdi­gung auf­grund kon­kret nach­weis­ba­rer Tat­sa­chen als zwin­gend an­sieht, dass der Ver­such der Sach­ver­halts­aufklärung durch den Be­tei­lig­ten er­folg­los blei­ben wird.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger er­zielt Einkünfte aus Ge­wer­be­be­trieb. Zwi­schen De­zem­ber 2007 und Juni 2010 führte das Fi­nanz­amt eine steu­er­li­che Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Ein­kom­men­steu­ern, Um­satz­steu­ern und Ge­wer­be­steu­er­mess­beträge 2002 bis 2004 er­streckte. Eine Außenprüfung für die Vor­jahre hatte zu ei­ner Erhöhung der Erlöse um rd. 8.500 DM geführt. Grund­lage hierfür war eine Kon­troll­mit­tei­lung, in der von ei­ner "Aus­gleichs­zah­lung" bzw. "Bo­nus­zah­lung" ei­ner Ge­schäfts­part­ne­rin des Klägers, der A, die Rede war. Ein ent­spre­chen­des Kla­ge­ver­fah­ren we­gen Um­satz­steuer wurde beim FG geführt.

Im Ok­to­ber 2008 rich­tete das Fi­nanz­amt für die Streit­jahre ein Aus­kunfts­er­su­chen be­tref­fend Pro­vi­si­ons­zah­lun­gen an die A. Diese ant­wor­tete, dem Kläger in den Jah­ren 2003 und 2004 ins­ge­samt drei "Aus­gleichs­zah­lun­gen" ge­leis­tet zu ha­ben. Kurz dar­auf rich­tete das Fi­nanz­amt - ohne den Kläger hierzu vorab um Aus­kunft ge­be­ten zu ha­ben - das im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren streit­ge­genständ­li­che Aus­kunfts­er­su­chen an die B, ei­ner wei­te­ren Ge­schäfts­part­ne­rin des Klägers. Es wies hin­sicht­lich der Aus­kunfts­pflicht auf § 93 AO hin und führte wei­ter aus: "in der o.g. Steu­er­sa­che ist die Sach­aufklärung mit den Be­tei­lig­ten nicht möglich." Aus­weis­lich ei­nes Ver­merks des Fi­nanz­amts be­zweckte die­ses zweite Aus­kunfts­er­su­chen, "die Prüfung zu ver­vollständi­gen", in­dem auch der zweite Lie­fe­rant um Aus­kunft ge­be­ten werde.

In einem Schrei­ben erklärte die B dem Fi­nanz­amt, sie habe mit dem Kläger reine Han­dels­ge­schäfte be­trie­ben, für die die­ser ent­spre­chende Wie­der­ver­kaufs­ra­batte er­hal­ten habe. Pro­vi­si­ons­zah­lun­gen seien we­der ver­ein­bart noch ge­leis­tet wor­den. Am sel­ben Tage rich­tete sie ein Schrei­ben an den Kläger, in dem sie ihre Ver­wun­de­rung über das Aus­kunfts­er­su­chen zum Aus­druck brachte. Sie ver­stehe nicht, wa­rum der Kläger dem Fi­nanz­amt nicht mit­teile, von der B nie­mals Pro­vi­sio­nen er­hal­ten zu ha­ben. Der Kläger wen­det sich mit der Fort­set­zungs­fest­stel­lungs­klage ge­gen das an die B ge­rich­tete Aus­kunfts­er­su­chen.

Das FG gab der Klage statt. Es sah einen Er­mes­sens­feh­ler des Fi­nanz­amts darin, dass die­ses nicht zu­vor den Kläger um Aus­kunft ge­be­ten hatte. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das Aus­kunfts­er­su­chen des Fi­nanz­amts an die B war rechts­wid­rig. Das FG ist zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass das Fi­nanz­amt von sei­nem Er­mes­sen in ei­ner dem Zweck des § 93 Abs. 1 S. 3 AO nicht ent­spre­chen­den Weise Ge­brauch ge­macht hat.

Nach § 93 Abs. 1 AO ha­ben Be­tei­ligte und an­dere Per­so­nen der Fi­nanz­behörde die zur Fest­stel­lung ei­nes für die Be­steue­rung er­heb­li­chen Sach­ver­halts er­for­der­li­chen Auskünfte zu er­tei­len. Im Rah­men ih­rer Ver­pflich­tung, den maßge­ben­den Sach­ver­halt zur Durch­set­zung ma­te­ri­ell-recht­lich begründe­ter Steu­er­an­sprüche auf­zuklären, darf sich die Fi­nanz­behörde der­je­ni­gen Be­weis­mit­tel be­die­nen, die sie nach pflicht­gemäßem Er­mes­sen zur Er­mitt­lung des Sach­ver­halts für er­for­der­lich hält. Zu die­sen Be­weis­mit­teln zählen auch Auskünfte an­de­rer Per­so­nen als der Be­tei­lig­ten im Be­steue­rungs­ver­fah­ren (§ 92 S. 2 Nr. 1 AO). Die recht­li­che Be­fug­nis zu sol­chen Aus­kunfts­ver­lan­gen er­gibt sich aus § 93 Abs. 1 S. 1 AO. Die In­an­spruch­nahme die­ser Be­fug­nisse verstößt grundsätz­lich nicht ge­gen ver­fas­sungs­recht­li­che Grundsätze.

Für ihr Tätig­wer­den bedürfen die Fi­nanz­behörden in­des ei­nes hin­rei­chen­den An­las­ses. Er­mitt­lun­gen "ins Blaue hin­ein" sind un­zulässig. Es liegt im In­ter­esse des Klägers, dass Dritte je­den­falls zunächst nichts über eine lau­fende Be­triebsprüfung und - aus Sicht der Prüfer - mögli­cher­weise nicht erklärte Pro­vi­si­ons­erlöse er­fah­ren. Er hat ein An­recht dar­auf, dass seine Re­pu­ta­tion nicht be­schädigt wird und seine Ge­schäfts­part­ner nicht den Ein­druck be­kom­men, er ver­nachlässige seine steu­er­li­chen Pflich­ten. Dies ist Aus­druck sei­nes Grund­rechts auf in­for­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung. Zu­dem ent­spricht es den In­ter­es­sen der Drit­ten, nur in Aus­nah­mefällen in fremde Be­steue­rungs­ver­fah­ren ein­be­zo­gen zu wer­den.

Zwar genügt es, wenn auf­grund kon­kre­ter Umstände oder auf­grund all­ge­mei­ner Er­fah­rung ein Aus­kunfts­er­su­chen an einen Drit­ten an­ge­zeigt ist. Nach § 93 Abs. 1 S. 3 AO soll­ten Dritte aber erst dann zur Aus­kunft an­ge­hal­ten wer­den, wenn die Sach­ver­halts­aufklärung durch den Steu­er­pflich­ti­gen nicht zum Ziel führt oder kei­nen Er­folg ver­spricht. Hier­von darf die Fi­nanz­behörde nur in aty­pi­schen Fällen ab­wei­chen. Ein sol­cher liegt vor, wenn auf­grund des bis­he­ri­gen Ver­hal­tens des Steu­er­pflich­ti­gen fest­steht, dass er nicht mit­wir­ken wird und da­mit die Er­folg­lo­sig­keit sei­ner Mit­wir­kung of­fen­kun­dig ist. Eben daran fehlt es vor­lie­gend. We­der war die Iden­tität des Klägers un­be­kannt noch hat er die Mit­wir­kung ver­wei­gert. Das Fi­nanz­amt konnte im Rah­men der durch­zuführen­den vor­weg­ge­nom­me­nen Be­weiswürdi­gung nicht auf­grund kon­kre­ter Tat­sa­chen da­von aus­ge­hen, dass die Mit­wir­kung des Klägers er­folg­los blei­ben wird.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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