Konkret ging es um die durch den BFH dem BVerfG mit Beschluss vom 10.1.2012 (Az. I R 66/09) vorgelegte Frage vor, ob die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstößt, da hierdurch die im DBA vorgesehene Steuerfreistellung im Inland von Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit im Ausland nur unter einer bestimmten Bedingung gewährt wird. Der Steuerpflichtige hat demnach nachzuweisen, dass der Staat, dem laut DBA das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses verzichtet hat oder die hierauf im Ausland festgesetzte Steuer entrichtet wurde. Der BFH sah darin ein sog. „treaty override“, das dem Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts zuwiderlaufe und daher verfassungswidrig sei.
Mit Beschluss vom 15.12.2015 (Az. 2 BvL 1/12) widersprach das BVerfG jedoch dieser Auffassung. Demnach ist der Gesetzgeber auch dann nicht am Erlass eines Gesetzes gehindert, wenn dieses zu völkerrechtlichen Verträgen im Widerspruch stehe. Denn völkerrechtlichen Verträgen komme innerstaatlich der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu, soweit sie nicht in den Anwendungsbereich speziellerer verfassungsrechtlicher Öffnungsklausel fallen. Das Demokratieprinzip verlange, dass spätere Gesetzgeber die Rechtsetzungsakte früherer Gesetzgeber innerhalb der vom Grundgesetz vorgegebenen Grenzen revidieren können.
Hinweis
Zur Frage der Verfassungskonformität eines „treaty override“ sind noch weitere Verfahren beim BVerfG anhängig, z. B. BFH-Beschluss vom 11.12.2013, Az. I R 4/13 zu § 50d Abs. 10 EStG. Angesichts der vorliegenden Entscheidung dürfte das BVerfG aber wohl auch in anderen Fällen zu dem Ergebnis kommen, dass Regelungen im Widerspruch zu zuvor vereinbarten völkerrechtlichen Verträgen grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.