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Beherrschungsvertrag und geschütztes Interesses des Versorgungsempfängers am Werterhalt laufender Leistungen der bAV

BGH 27.9.2016, II ZR 57/15

Das Be­ste­hen ei­nes Be­herr­schungs­ver­trags schafft eine Ge­fah­ren­lage für das durch § 16 Abs. 1 Be­trAVG ge­schützte In­ter­esse ei­nes Ver­sor­gungs­empfängers am Wert­er­halt lau­fen­der Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung. Dies recht­fer­tigt einen Be­rech­nungs­durch­griff auf die wirt­schaft­li­che Lage des herr­schen­den Un­ter­neh­mens, wenn sich die durch den Be­herr­schungs­ver­trag für die Ver­sor­gungs­empfänger begründete Ge­fah­ren­lage ver­wirk­licht hat.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war Vor­stand der Z-AG, ei­ner Rechts­vorgänge­rin der be­klag­ten GmbH. Er schloss 1988 mit der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten einen Ver­sor­gungs­ver­trag, aus dem er seit dem Jahr 2000 Leis­tun­gen be­zieht. Die Be­klagte ist eine Toch­ter­ge­sell­schaft der G-Group-AG, mit der seit Ok­to­ber 2000 ein Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trag be­steht.

Sie gab zum Jah­res­ende 2007 ihr ope­ra­ti­ves Ge­schäft auf und hat nicht mehr genügend Mit­tel für Be­triebs­ren­ten­an­pas­sun­gen. Die wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse der Mut­ter­ge­sell­schaft würden An­pas­sun­gen möglich ma­chen. Mit der Klage möchte der Kläger eine Erhöhung sei­ner mtl. Ver­sor­gungs­leis­tun­gen ab Ja­nuar 2010 um rd. 10,7 Pro­zent und die Zah­lung von rd. 9.000 € brutto er­rei­chen.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG ist der Be­haup­tung des Klägers, die Be­klagte wäre wei­ter er­folg­reich am Markt tätig ge­we­sen, wenn nicht die G-Group-AG die Ent­schei­dung ge­trof­fen hätte, die Be­klagte zu ei­ner rei­nen Ab­wick­lungs­ge­sell­schaft zu ma­chen, zu Un­recht nicht wei­ter nach­ge­gan­gen.

Ein Be­rech­nungs­durch­griff kommt nach der neuen Recht­spre­chung des BAG in Be­tracht, wenn sich die mit einem Be­herr­schungs­ver­trag ver­bun­dene Ge­fahr für das durch § 16 Abs. 1 Be­trAVG ge­schützte In­ter­esse der Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten am Wert­er­halt der Be­triebs­rente ver­wirk­licht. Der Be­herr­schungs­ver­trag gibt dem herr­schen­den Un­ter­neh­men die Möglich­keit, Wei­sun­gen auch zum Nach­teil der abhängi­gen Ge­sell­schaft zu er­tei­len (§ 308 Abs. 1 AktG), und begründet da­mit Ge­fah­ren für das durch § 16 Abs. 1 Be­trAVG ge­schützte In­ter­esse der Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten an dem Er­halt des rea­len Werts ih­rer Ver­sor­gungs­an­sprüche. Ein im In­ter­esse der Ver­sor­gungs­empfänger ge­bo­te­ner Be­rech­nungs­durch­griff auf die wirt­schaft­li­che Lage des herr­schen­den Un­ter­neh­mens er­for­dert al­ler­dings die Ver­wirk­li­chung der durch den Be­herr­schungs­ver­trag begründe­ten Ge­fah­ren­lage.

Sind Wei­sun­gen des herr­schen­den Un­ter­neh­mens, die das Ei­gen­in­ter­esse der abhängi­gen Ge­sell­schaft außer Acht las­sen, nicht er­teilt wor­den oder ha­ben er­teilte Wei­sun­gen nicht dazu geführt, dass sich die wirt­schaft­li­che Lage des Ver­sor­gungs­schuld­ners in ei­ner Weise ver­schlech­tert hat, die eine Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung aus­schließt, be­steht kein Grund für einen Be­rech­nungs­durch­griff. Nicht alle Maßnah­men der Kon­zern­po­li­tik mit ungüns­ti­gen Aus­wir­kun­gen auf die wirt­schaft­li­che Lage ei­ner abhängi­gen Ge­sell­schaft gehören da­bei zu den Ri­si­ken, de­ren Ver­wirk­li­chung einen Be­rech­nungs­durch­griff recht­fer­tigt. Die mit dem Be­herr­schungs­ver­trag ent­stan­dene Ge­fah­ren­lage stellt eine Aus­nah­me­si­tua­tion dar, für die der­je­nige, der sich dar­auf be­ruft, die Dar­le­gungs- und Be­weis­last trägt. Es ist da­her zunächst Auf­gabe des Ver­sor­gungs­empfängers dar­zu­le­gen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für einen Be­rech­nungs­durch­griff vor­lie­gen könn­ten. Dazu hat er das Be­ste­hen ei­nes Be­herr­schungs­ver­trags dar­zu­le­gen und ggf. zu be­wei­sen.

Zu­dem muss der Ver­sor­gungs­empfänger dar­le­gen, dass sich die dem Be­herr­schungs­ver­trag ei­gene Ge­fah­ren­lage ver­wirk­licht hat. Es ist dann Sa­che des Ver­sor­gungs­schuld­ners, im Ein­zel­nen nach­voll­zieh­bar dar­zu­le­gen, dass sich die im Be­herr­schungs­ver­trag an­ge­legte Ge­fah­ren­lage nicht ver­wirk­licht hat. Da es sich bei den im Kon­zern­in­ter­esse lie­gen­den und sich auf die wirt­schaft­li­che Lage der abhängi­gen Ge­sell­schaft aus­wir­ken­den Wei­sun­gen des herr­schen­den Un­ter­neh­mens um Sach­vor­trag über Tat­sa­chen han­delt, die in der Sphäre des Ver­sor­gungs­schuld­ners lie­gen, hat die­ser sich hierzu vollständig und wahr­heits­gemäß zu erklären. Der Ver­sor­gungs­schuld­ner hat da­bei im Ein­zel­nen sub­stan­ti­iert dar­zu­le­gen, dass sich in­folge der er­teil­ten Wei­sun­gen des herr­schen­den Un­ter­neh­mens die Ge­fah­ren­lage nicht ver­wirk­licht oder seine wirt­schaft­li­che Lage nicht maßgeb­lich ver­schlech­tert ha­ben. Er kann aber auch de­tail­liert dar­le­gen, dass er auch ohne Wei­sun­gen nicht leis­tungsfähig und da­mit zur An­pas­sung der Be­triebs­rente nicht ver­pflich­tet wäre.

Der Se­nat schließt sich die­ser Recht­spre­chung des BAG an. Auch das In­ter­esse von Ver­sor­gungs­empfängern, die wie der Kläger Or­gan­mit­glie­der wa­ren, am Wert­er­halt der zu­ge­sag­ten Rente ist durch § 16 Abs. 1 Be­trAVG ge­schützt und durch die Zulässig­keit von Wei­sun­gen des herr­schen­den Un­ter­neh­mens nach § 308 Abs. 1 AktG gefähr­det. Das recht­fer­tigt auch bei ih­nen einen Be­rech­nungs­durch­griff, wenn sich diese Ge­fahr ver­wirk­licht hat. Dafür sind ih­nen wie Be­triebs­rent­nern, die Ar­beit­neh­mer wa­ren, Dar­le­gungs­er­leich­te­run­gen zu­zu­ge­ste­hen, je­den­falls so­weit sie, wie dies die Re­gel ist, als Be­zie­her von Ver­sor­gungs­bezügen kei­nen Ein­blick mehr in Wei­sun­gen des herr­schen­den Un­ter­neh­mens ha­ben. Aus die­sem Grund reicht auch bei ih­nen die bloße Be­haup­tung ei­ner ent­spre­chen­den Ge­fahr­ver­wirk­li­chung aus. Es ist dann Sa­che des Ver­sor­gungs­schuld­ners, im Ein­zel­nen nach­voll­zieh­bar dar­zu­le­gen, dass sich die im Be­herr­schungs­ver­trag an­ge­legte Ge­fah­ren­lage nicht ver­wirk­licht hat.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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