Der Sachverhalt:
Die Beteiligten stritten über die Höhe von Hinterziehungszinsen. Die Kläger sind Erben des am 2015 verstorbenen A.. Dieser war bis 2003 mit seiner in diesem Jahr verstorbenen Ehefrau zusammen und ab 2004 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden. Der Erblasser hatte in den Streitjahren 2003 bis 2005 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Zahnarzt erzielt.
Die Kläger waren der Ansicht, dass die Steuerhinterziehungen erst mit Einreichung der Jahressteuererklärungen vollendet worden seien. Daher könne der Zinslauf erst zu diesen Zeitpunkten beginnen. Während des laufenden Jahres habe der Steuerpflichtige noch keine Kenntnis über die tatsächliche Höhe seiner Zinseinkünfte. Außerdem seien die Zinsen gem. § 233a AO anzurechnen. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung half das Finanzamt den Einsprüchen teilweise ab, indem es die festgesetzten Zinsen um weitere Zinsbeträge nach § 233a AO minderte. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hatte die Hinterziehungszinsen zumindest nicht zu hoch festgesetzt. Gem. § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt der Verkürzung und endet mit Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für denselben Zeitraum festgesetzte Zinsen nach § 233a AO sind auf die Hinterziehungszinsen anzurechnen. Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat des Zinslaufs 0,5% des auf volle 50 € abgerundeten zu verzinsenden Betrages.
Maßgeblich für die Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuer und den Zeitpunkt des Eintritts der Steuerverkürzung ist § 370 AO. Danach begeht eine Steuerhinterziehung u.a. derjenige, der gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. Für die Verwirklichung dieses objektiven Tatbestands reicht es aus, dass aufgrund unvollständiger oder unrichtiger Angaben einer Steuererklärung die tatsächlich geschuldeten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.
Die Höhe der Vorauszahlungen bemisst sich gem. § 37 Abs. 3 S. 2 EStG grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Nach Maßgabe von § 37 Abs. 3 S. 3 ff. EStG kann das Finanzamt Vorauszahlungen anpassen. Festgesetzte Vorauszahlungen können allerdings nur dann erhöht werden, wenn sich der Erhöhungsbetrag für einen Vorauszahlungszeitpunkt auf mindestens 100 € beläuft. Somit hatte der Erblasser die objektive Tathandlung für die Einkommensteuerhinterziehungen für die Streitjahre 2003 bis 2006 nicht erst durch die Abgabe der unzutreffenden Einkommensteuererklärungen für diese Jahre begangen, sondern bereits mit Abgabe der Einkommensteuererklärungen für frühere Jahre. Der jeweilige Taterfolg der Steuerverkürzung war in dem Moment eingetreten, in dem das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid erlassen hatte, ohne zugleich die Vorauszahlungen für die Streitjahre anzupassen.
Der Einwand der Kläger, dass bei zu erwartenden Minderungen der ausländischen Kapitalerträge Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gestellt worden wären, konnte nicht durchgreifen, weil für die Frage der Kausalität der Tathandlung für den Hinterziehungserfolg hypothetische Kausalverläufe außer Betracht bleiben. Da die Frage, ob Hinterziehungszinsen bei hinterzogenen Einkommensteuer-Vorauszahlungen entstehen und wie diese zu berechnen sind, eine Vielzahl von Fällen betrifft und - soweit ersichtlich - bisher nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung war, hat das Gericht die Revision zugelassen.
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