Der Sachverhalt:
Der Kläger ist deutscher Staatsbürger, lebt in Deutschland und bezieht und Leistungen nach SGB II. Seine 2007 geborene Tochter A lebt im Haushalt der von dem Kläger dauernd getrennt lebenden Kindsmutter in Litauen. Die Kindsmutter ist litauische Staatsangehörige und war im Streitzeitraum nicht erwerbstätig.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG-Urteil verletzt § 64 Abs. 2 S. 1 EStG. Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes.
Der Kläger ist zwar kindergeldberechtigt, weil er in Deutschland lebt und Vater einer Tochter ist, die ihren Wohnsitz in Litauen hat (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 EStG) und für die ein Anspruch auf Kindergeld besteht (§ 32 Abs. 3 EStG). Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger Leistungen nach SGB II bezieht. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes; denn mit Blick auf das Unionsrecht ist nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG die Kindsmutter vorrangig anspruchsberechtigt. Nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.
Die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009, wonach die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle Beteiligten unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats (hier: Deutschland) fallen und dort wohnen, führt dazu, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht dem in Deutschland, sondern dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. So auch im Streitfall: A lebt im Haushalt der ebenfalls kindergeldberechtigten Kindsmutter, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes hat. Aus der von der Kindsmutter dem Kläger erteilten Vollmacht ergibt sich nichts anderes. Der Kläger dürfte aufgrund dieser Vollmacht zwar möglicherweise als Bevollmächtigter (§ 80 AO) einen Kindergeldanspruch der Klägerin geltend machen. Darauf kommt es aber vorliegend nicht an. Denn der Kläger hat Kindergeld nicht im Namen der Kindsmutter, sondern in eigenem Namen beantragt. Zu einem Antrag in eigenem Namen konnte ihn die Kindsmutter nicht wirksam ermächtigen.
Bei mehreren Berechtigten (Eltern) ist das Kindergeld an denjenigen zu zahlen, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen ist, auch wenn die Berechtigten zivilrechtlich etwas anderes vereinbart haben. Durch zivilrechtliche Vereinbarungen, auch wenn sie durch gerichtlichen Vergleich bestätigt werden, kann § 64 Abs. 2 S. 1 EStG nicht außer Kraft gesetzt werden. Zwar kann der Anspruch auf Kindergeld als Steuervergütung (§ 31 S. 3 EStG) unter bestimmten Voraussetzungen abgetreten werden (vgl. § 46 AO). Die Abtretung erfasst indes nicht die gesamte Rechtsstellung des Kindergeldberechtigten. Übertragen werden kann nur der Zahlungsanspruch im Auszahlungsverfahren, nicht die Antragsberechtigung im Festsetzungsverfahren.
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