Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit des gegenüber der Klägerin ergangenen Nachforderungsbescheids von August 2009 über Kapitalertragsteuer sowie den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag im Streit. Gesellschafter der klagenden GmbH waren im Streitjahr (2006) R mit einem Anteil von 95 Prozent sowie P mit einem Anteil von 5 Prozent. Obgleich die Gesellschafter auch im Jahr 2006 die Teilauszahlung der Kapitalrücklage beschlossen hatten (2006 insgesamt rd. 135.000 €) und deren Ausweis nach den Feststellungen des FG in der Handelsbilanz entsprechend gemindert wurde, erklärte die Klägerin am 14.12.2007 mit amtlichen Vordruck zum 31.12.2006 ein gegenüber der Feststellung zum Ende des Vorjahrs (2005) unverändertes steuerliches Einlagekonto von rd. 534.000 €.
Mit Nachforderungsbescheid vom 13.8.2009 wurde gegenüber der Klägerin als Entrichtungsschuldnerin u.a. für den Zeitraum 2006 die nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer sowie der darauf entfallende Solidaritätszuschlag (rd. 27.000 € [20 % x 135.000 €] zzgl. rd. 1.500 € geltend gemacht. Mit Bescheid vom 19.5.2011 lehnte das Finanzamt auch den Antrag der Klägerin, die Kapitalertragsteuer für 2006 aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO abweichend festzusetzen, ab. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage sowohl gegen den Nachforderungsbescheid als auch gegen die Ablehnung des Billigkeitserweises; Letzteres im Wege der Sprungklage. Beide Verfahren wurden vom FG gem. § 73 Abs. 1 S. 1 FGO verbunden.
Das FG wies die Klage (betreffend das Streitjahr 2006) ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin ist zwar durch das Urteil des FG beschwert. Ihre Revision bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil der Nachforderungsbescheid vom 13.8.2009 insoweit rechtlich nicht zu beanstanden ist und Gründe, die die Aufhebung des Bescheids aus Billigkeitsgründen gebieten würden, nicht vorliegen.
Mit den Bescheiden vom 12.11.2009 wurde das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 S .1 KStG 2002 sowohl zum 31.12.2006 als auch zum Ende des Vorjahrs (31.12.2005) auf (jeweils) 484.000 € festgestellt. Diese Feststellungen entfalten, obgleich an die Kapitalgesellschaft als Inhaltsadressatin gerichtet, auch für die Besteuerung der Anteilseigner eine materiell-rechtliche Bindung. Der Senat hat hierzu mit Urteil vom 19.5.2010 (I R 51/09) ausgeführt, dass die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 2002, nach welcher Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, soweit für diese das steuerliche Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG 1999 n.F. als verwendet gilt, tatbestandlich an die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG 1999 n.F. ausgewiesenen Bestände des steuerlichen Einlagekontos anknüpft.
Demzufolge ist nicht nur die mit den Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos für die Leistungen der Körperschaft verbundene Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten; vielmehr bedeutet die materiell-rechtliche Bindung des Gesellschafters (Anteilsinhabers) auch, dass er sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen. Es besteht keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Folge hiervon ist nicht nur, dass im Streitfall nach den Feststellungen des Einlagekontos vom 12.11. 2009 die Ausschüttungen nicht i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 2002 unter Verwendung des Einlagekontos erbracht wurden und damit entgegen der Würdigung der Klägerin als Gewinnanteil i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG 2002 der Kapitalertragsteuer unterlagen.
Hinzu kommt, dass auch die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2006 (Änderungsbescheid vom 12.11.2009), die von der Klägerin nicht angegriffen wurde und die auf die von ihr im Dezember 2007 abgegebene Erklärung (§ 27 Abs. 2 S. 4 KStG 2002) zurückging, nach § 181 Abs. 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des Jahres 2011 bestandskräftig geworden ist. Nicht durchgreifen kann der Einwand der Klägerin, nach der Rechtsprechung sei der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter gegenüber dem nur vorläufigen Verfahren des Kapitalertragsteuerabzugs der Vorrang zu geben, ein Steuereinbehalt sowie die Inanspruchnahme der ausschüttenden Gesellschaft als Entrichtungsschuldnerin schieden deshalb dann aus, wenn - wie hier - nach den Einkommensteuerveranlagungen für die Empfänger der Ausschüttungen (hier: R und P) feststehe, dass diese nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen geführt hätten.
Tragend für diese Auffassung ist, dass die Bescheide über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss der Jahre 2006 und 2005 vom 12.11.2009 (jeweils i.H.v. 484.000 €; zuvor jeweils i.H.v. 534.000 €) als materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal unmittelbar auf die Qualifikation der Ausschüttungen auf der Stufe der Gesellschafter (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 i.V.m. S. 3 EStG 2002) einwirken. Der Erlass der vorgenannten Bescheide, mit denen die zunächst getroffenen Feststellungen (Bescheide vom 25.3.2008) geändert wurden, hat deshalb als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO die Anlaufhemmung der vierjährigen Frist für die Einkommensteuerfestsetzung (betreffend R und P) nach § 175 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO ausgelöst.
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