Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine inländische GmbH. Ihre Alleingesellschafterin ist eine in Großbritannien ansässige Gesellschaft. Unternehmensgegenstand ist der Kauf unsortierter Bargeldbestände in Form von Münzen und Banknoten verschiedener Währungen, die vorwiegend im Rahmen von Spenden- und Hilfsaktionen durch wohltätige Organisationen oder Fluggesellschaften gesammelt wurden und der Umtausch in Euro bei den jeweiligen Nationalbanken.
Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens fand eine Besprechung statt, in deren Verlauf eine einvernehmliche Regelung dergestalt getroffen wurde, dass das Entgelt "Provision" für den Prüfungszeitraum und die nachfolgenden Zeiträume zu 50% auf sonstige steuerpflichtige Leistungen "Fundraising" und "Sortieren" und zu 50 % auf nach § 4 Nr. 8 b UStG sonstige steuerfreie Leistungen "Umtausch" aufzuteilen sei. Es erging ein geänderter Betriebsprüfungsbericht. Kurze Zeit später meldete sich ein Steuerberater beim Finanzamt und teilte mit, dass im Auftrag der Klägerin eine Anfrage an das Finanzministerium NRW hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung des Sortengeschäfts für die Vergangenheit und die Zukunft gestellt worden sei. Die getroffene Einigung über die umsatzsteuerliche Behandlung des Sortengeschäfts sei damit hinfällig geworden.
Nachdem das Finanzministerium NRW der Klägerin mitgeteilt hatte, dass es die Rechtsansicht nicht teile, dass die Leistung der Klägerin gegenüber ihren Kunden als einheitliche Leistung, die insgesamt gem. § 4 Nr. 8 b UStG von der Umsatzsteuer befreit ist, zu beurteilen sei, sah sich die Klägerin dennoch nicht mehr an die getroffene Vereinbarung gebunden. Das FG gab der gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2008 gerichteten Klage teilweise statt. Die Sache ist beim BFH unter dem Az.: V B 159/14 anhängig.
Die Gründe:
Die Klage war insoweit begründet, als die Klägerin eine Herabsetzung des umsatzsteuerpflichtigen Anteils der erhaltenen Provisionen von 80% auf 50% begehrt hatte. Der darüber hinaus gehende Antrag auf vollständige Befreiung der Provision von der Umsatzsteuer war dagegen unbegründet.
Zwischen den Beteiligten war bei der Besprechung eine bindende tatsächliche Verständigung über den steuerpflichtigen Anteil der Umsätze der Klägerin i.H.v. 50 % zustande gekommen, an die die Beteiligten gebunden sind. Der BFH hat die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt. Da jede Verständigung über steuerlich relevante Tatsachen zugleich auch die Höhe des Steueranspruchs beeinflusst und daher eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Tatfrage und Rechtsfrage nicht in allen Fällen nach abstrakten Maßstäben im Vorhinein möglich ist, ist eine Verständigung über sich aus Sachverhaltsfragen ergebende Rechtsfolgen nicht zu beanstanden, wenn diese in einem so engen Zusammenhang mit Tatsachen stehen, dass sie sachgerechterweise nicht auseinandergerissen werden können. Unzulässig bleibt eine Verständigung über reine Rechtsfragen.
Eine Verständigung über reine Rechtsfragen haben die Beteiligten nicht getroffen. Auch wenn in die Einordnung der Leistungen sowohl tatsächliche als auch rechtliche Aspekte eingeflossen sein mögen, so stand sie doch in einem so engen Zusammenhang mit dem komplexen Gesamtsachverhalt und auch seinen einzeln zu beurteilenden Teilsachverhalten, dass die tatsächliche und rechtliche Beurteilung sachgerechterweise nicht getrennt werden konnte und die Einbeziehung rechtlicher Folgerungen in die tatsächliche Verständigung daher zulässig wäre.
Es entspricht auch ständiger BFH-Rechtsprechung, dass eine tatsächliche Verständigung grundsätzlich für beide Parteien bindend ist. Daraus ergibt sich, dass sie grundsätzlich nicht einseitig widerrufen werden kann und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung nicht steuerlich beraten war. Die tatsächliche Verständigung war im vorliegenden Fall auch nicht durch eine wirksame Anfechtung aufgehoben worden. Denn die Klägerin hatte einen Anfechtungsgrund nicht substantiiert dargelegt. Dass sich der Geschäftsführer der Klägerin aufgrund von Verständigungsproblemen möglicherweise über die Reichweite der tatsächlichen Verständigung geirrt haben mochte, führte nicht zu einer Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums nach § 119 BGB, denn die Klägerin wurde von steuerlich fachkundigen Beratern vertreten. Letztlich wäre eine Anfechtung aber zu spät erklärt worden.
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