Damit befassten sich die Verfassungsrichter nach ihrer Entscheidung in 2006 erneut mit dieser Frage. Damals lautete der Richterspruch: verfassungswidrig mit dem Auftrag an den Gesetzgeber, spätestens bis Ende 2008 nachzubessern. Mit den nun auf dem Prüfstand stehenden, seit 1.1.2009 anzuwendenden erbschaftsteuerlichen Regelungen wurden die damaligen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Das Gericht hat nun zu entscheiden, ob der gegenwärtige Gesetzesstand den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt.
Seit 1.1.2009 sieht das Erbschaftsteuergesetz umfassende Verschonungsregelungen bei der Übertragung von Betriebsvermögen vor, die allerdings nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn strenge Auflagen erfüllt werden. Ziel dieser Regelungen ist es, die Fortführung von Unternehmen unter Berücksichtigung von Belangen des Allgemeinwohls zu sichern. Dazu sollen die Unternehmen vor Liquiditätsabflüssen durch die Belastung mit Erbschaftsteuer verschont bleiben, wenn deren Fortbestand und der Erhalt von Arbeitsplätzen gewährleistet sind.
Grundsätzlich ist es dem Gesetzgeber freigestellt, bestimmte Vermögensarten gegenüber anderen Vermögensarten steuerlich zu begünstigen, sofern er die verfassungsrechtlichen Vorgaben berücksichtigt. Im Fall der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen von Betriebsvermögen im Vergleich zu anderen Vermögensarten lassen sich jedoch einige gravierende Unterschiede feststellen, durch die Steuerbegünstigungen von Betriebsvermögen grundsätzlich gerechtfertigt werden können.
Anders als z. B. bei Barvermögen oder börsennotierten Wertpapieren stellt sich die Bewertung von Betriebsvermögen um ein Vielfaches komplizierter dar. Anhand von Bewertungsverfahren ist zu ermitteln, welcher fiktive Preis für das Unternehmen am Markt zu erzielen wäre. Dabei ist aber zu beachten, dass Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen, anders als Wertpapiere oder Immobilien, oftmals nur beschränkt handelbar sind. Durch gesellschaftsvertragliche Vorgaben kann der Verkauf von Gesellschaftsanteilen beschränkt oder durch Thesaurierungsvorgaben oder Veräußerungsbeschränkungen die Attraktivität eines solchen Investments für potentielle Erwerber deutlich gemindert sein. Letztlich ist in vielen Fällen festzustellen, dass der fiktiv zu ermittelnde Verkehrswert für Betriebsvermögen, der Basis der Erbschaftsteuerberechnung ist, nicht realisierbar und somit letztlich zu hoch ist.
Würde der so ermittelte Wert des Betriebsvermögens ungeschmälert oder aber auch mit geringeren Begünstigungen der Erbschaftsteuer unterliegen, würde eine Unternehmensnachfolge mit Liquiditätsabflüssen belastet, die schlimmstenfalls den Bestand des Unternehmens, zumindest aber den Erhalt von Arbeitsplätzen gefährden könnten und zudem die Investitionskraft nachhaltig schwächen würden. Anstelle der Begünstigungen auf die derzeit bereits bestehende Möglichkeit der Stundung der durch die Unternehmensnachfolge ausgelösten Erbschaftsteuer hinzuweisen, ist keine Lösung. Dadurch wäre zwar zunächst die Liquidität des Unternehmens geschont. Jedoch wäre das Unternehmen gezwungen, dennoch bis zum Ende des Stundungszeitraums den Steuerbetrag bereitzustellen, wodurch unternehmerische Handlungsspielräume massiv eingeschränkt werden würden. Zudem sind die derzeit bestehenden Hürden, um eine Stundung in Anspruch nehmen zu können, so hoch, dass sie einem gesunden Unternehmen letztlich nicht gewährt werden.
In der Gesamtschau ist somit festzustellen, dass es sich bei den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen nicht um ein Geschenk des Gesetzgebers an Unternehmen zulasten der Allgemeinheit handelt. Vielmehr sind diese Begünstigungen u. E. unerlässlich. Denn ohne die Begünstigungen würden zahlreiche Unternehmensübergaben nachteilige Folgen für die Unternehmen und damit volkswirtschaftliche Nachteile, wie eine Schwächung der Wirtschaftsleistung und eine Gefährdung von Arbeitsplätzen, mit sich bringen. Ob die derzeit bestehenden Begünstigungen verfassungskonform sind, wird aber in Fachkreisen seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Der Richterspruch aus Karlsruhe wird zeigen, ob und in welchem Umfang auch künftig Betriebsvermögen erbschaftsteuerlich begünstigt übertragen werden kann. Tendenziell wird von einer Verschärfung des geltenden Erbschaftsteuerrechts ausgegangen, so dass Übertragungen auf die nächste Generation ggf. noch rasch vollzogen werden sollten.