Der Sachverhalt:
Der Kläger lebte im Streitjahr (2009) zusammen mit seiner Ehefrau (F) in Österreich. Beide sind österreichische Staatsbürger. Im Streitjahr erzielte F keine Einkünfte. Für den Kläger ergaben sich hingegen nach den Vorschriften des (deutschen) Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermittelte Welteinkünfte i.H.v. rd. 18.800 €. Hierzu gehörte die von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) bezogene Leibrente, deren im Inland steuerpflichtiger Ertragsanteil (56 %; Rentenbeginn im Jahr 2008) sich nach Abzug des anteiligen Werbungskostenpauschbetrags (49 €) auf rd. 9.000 € belief (§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 49 Abs. 1 Nr. 7, § 9a S. 1 Nr. 3 EStG 2009 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 DBA-Österreich 2000.
Die Eheleute beantragten bezüglich der im Inland steuerpflichtigen Renteneinkünfte für das Streitjahr die Zusammenveranlagung. Dem Antrag war eine Bescheinigung EU/EWR des zuständigen österreichischen Finanzamts beigefügt, nach der im Rahmen der Veranlagung in Österreich Einkünfte i.H.v. rd. 15.300 € angesetzt worden sind (davon: rd. 9.600 € für die österreichische Pensionsleistung sowie rd. 5.700 € für die Betriebsrente des inländischen Arbeitgebers). Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und veranlagte den Kläger mit seinen Einkünften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) als beschränkt einkommensteuerpflichtig.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und verpflichtete das Finanzamt, die Eheleute zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger mit seiner Ehefrau im Streitjahr nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.
Nach § 1 Abs. 3 S. 1 EStG 2009 werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG 2009 erzielen. Voraussetzung hierfür ist nach Satz 2 der Vorschrift, dass entweder die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG 2009 nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Die vorgenannten Regelungen werden in § 1a EStG 2009 in der Weise ergänzt, dass für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates, die nach § 1 Abs. 1 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder die nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 S. 1 EStG 2009) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009) und bei Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009 (relative und absolute Wesentlichkeitsgrenze) auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG 2009 zu verdoppeln ist.
Der Kläger und seine Ehefrau, die beide im Streitjahr weder ihren Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt (§§ 8, 9 der Abgabenordnung) im Inland hatten und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU (Österreich) sind, erfüllen dann die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer, wenn in die Prüfung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze (Einkunftsgrenze) nur die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte beider Ehegatten einbezogen (§ 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009) und diese mit dem doppelten Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG 2009) verglichen werden. Es besteht keine Veranlassung, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung sind, folgt man dem FG, indessen nicht erfüllt, wenn die Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009 - vor der Verdoppelung des Grundfreibetrags und unter Einbeziehung der Einkünfte beider Ehegatten - für die Eheleute zusätzlich jeweils isoliert und unter Ansatz des einfachen Grundfreibetrags geprüft werden müssen. Im Einzelnen kann dies dahinstehen, weil es einer eigenständigen Vorabprüfung der Einkunftsgrenzen der Ehegatten nicht bedarf.
Allerdings besteht dazu kein einheitliches Meinungsbild. Die Finanzverwaltung (so erstmals ausdrücklich R 1 S. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR 2012 -) und Teile des Schrifttums halten eine solche Vorabprüfung für erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt BFH 1.10.2014, I R 18/13) ist hingegen im Zusammenhang mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 nach dessen Satz 3 auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Betrag von (damals Streitjahre 2005 und 2006) 6.136 € (heute: 7.834 €) zu verdoppeln. Eine eigenständige Vorabprüfung der Einkunftsgrenzen des Klägers scheidet damit aus. Daran ist weiterhin festzuhalten.
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