Der Sachverhalt:
Die Klägerin beansprucht unter Vorlage von Aktienurkunden eine weitergehende Barabfindung nach einem Ausschluss von Minderheitsaktionären (Squeeze-out). Die Beklagte war Hauptaktionärin der B-AG. Deren Hauptversammlung beschloss am 4.7.2002 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre; die Barabfindung wurde auf rd. 740 € je Aktie im Nennbetrag von 50 DM festgelegt. Der Beschluss wurde im Handelsregister eingetragen. In dem anschließenden Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung schlossen mehrere Antragsteller mit der Beklagten einen Teilvergleich, der eine Erhöhung der Barabfindung um rd. 90 € je Aktie im Nennbetrag von 50 DM vorsieht. Gem. § 7 des Teilvergleichs wirkt dieser als echter Vertrag zugunsten Dritter für alle ehemaligen Minderheitsaktionäre.
Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Anspruchsberechtigung der Klägerin folgt nicht schon in Anwendung von § 327e Abs. 3 S. 2 AktG daraus, dass sie Inhaberin der vorgelegten Aktienurkunden ist. Auch die Beweiswürdigung des OLG, das unter Berücksichtigung der vorgelegten Aktienurkunden und der weiteren Umstände des Falles nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bis zum Ausschluss zu den Minderheitsaktionären der B-AG gehört oder den geltend gemachten Abfindungsanspruch durch Abtretung erworben habe, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Die von der Klägerin vorgelegten, mit einer "Ungültig"-Stempelung der Beklagten versehenen Aktienurkunden der B-AG verbriefen nicht (mehr) den Anspruch auf die im Teilvergleich festgelegte Abfindungsergänzung. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister entsteht der Barabfindungsanspruch der Minderheitsaktionäre und gehen deren Mitgliedschaften ("Aktien") kraft Gesetzes auf den Hauptaktionär über. Erst durch die Aushändigung oder die Zahlung erlangt der Hauptaktionär das Eigentum an den Aktienurkunden. Gem. § 327e Abs. 3 S. 2 AktG verbriefen die Aktienurkunden allerdings den vollen Barabfindungsanspruch des früheren Minderheitsaktionärs einschließlich einer etwaigen Differenz zwischen der vom Hauptaktionär festgelegten und der in einem nachfolgenden Spruchverfahren ermittelten (höheren) Barabfindung.
Die Aktienurkunden verbriefen den Barabfindungsanspruch gem. § 327e Abs. 3 S. 2 AktG jedoch nur bis zu ihrer Aushändigung an den Hauptaktionär. Jedenfalls mit der Übergabe der Aktienurkunden zum Zweck der "Einlösung" im Hinblick auf die bereits gewährte oder im Gegenzug zu gewährende Barabfindung geht das Eigentum an den Aktienurkunden auf den Hauptaktionär über. Damit endet die durch § 327e Abs. 3 S. 2 AktG angeordnete Verbriefung des Abfindungsanspruchs. Die Aushändigung der Aktienurkunden gem. § 327e Abs. 3 S. 2 AktG ist allerdings von einer bloßen Vorlage der Aktienurkunden zum Zweck des Erhalts einer Teilleistung zu unterscheiden. Händigt der ehemalige Minderheitsaktionär dem Hauptaktionär die Aktienurkunden aus, um ihn zur Auszahlung der festgelegten Abfindung zu veranlassen, so endet auch durch eine solche Aushändigung die Legitimationswirkung zugunsten des ehemaligen Minderheitsaktionärs.
Der Anspruch auf die (mögliche) Differenz zur vollen Abfindung bleibt ihm aber erhalten, ohne dass es eines entsprechenden Vorbehalts bedürfte, vgl. § 13 S. 2 SpruchG. Der ausgeschiedene Minderheitsaktionär kann in diesem Fall von dem Hauptaktionär die Erteilung einer Quittung verlangen, die ihn als ehemaligen Inhaber der ausgehändigten Aktienurkunden ausweist und ihm so die Möglichkeit gibt, seine frühere Aktionärsstellung in einem etwaigen Spruchverfahren zu belegen. Vorliegend hat das OLG rechtsfehlerfrei die Aushändigung der in Rede stehenden Aktienurkunden an die Beklagte angenommen, mit der Folge, dass die Urkunden keinen Ergänzungsanspruch als Teil eines Anspruchs auf angemessene Barabfindung mehr verbriefen.
Zur Aushändigung i.S.d. § 327e Abs. 3 S. 2 AktG ist es nicht erforderlich, dass der Hauptaktionär die Aktienurkunden nach der Vorlage einbehält. Mit Aktienurkunden, die ihm zur "Einlösung" vorgelegt und vom bisherigen Inhaber nicht weiter als Wertpapier beansprucht werden, kann der Hauptaktionär nach seinem Belieben verfahren; er kann sie vernichten, aufbewahren oder mit Markierungen bzw. Stempelaufdrucken versehen. Es macht für den Tatbestand der "Aushändigung" keinen rechtlich erheblichen Unterschied, ob der Hauptaktionär die übergebene Aktie einbehält, vernichtet oder sie als "ungültig" gestempelt in eindeutig entwerteter Form zurückgibt bzw. an Dritte als Sammlerstück abgibt. Im Streitfall belegt der Umstand, dass die Beklagte auf den Aktienurkunden den Stempelaufdruck "UNGÜLTIG wegen Squeeze-out Barabfindung erhalten" anbringen konnte und angebracht hat, dass eine Aushändigung zum Zwecke der Auszahlung der festgesetzten Barabfindung stattgefunden hat und die Aktien nicht etwa aus einem anderen Grund wie etwa zur Verwahrung oder Verpfändung übergeben wurden.
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