Der Entscheidung des Bundesrats war die Beschlussempfehlung seines Finanzausschusses vom 30.6.2016 vorausgegangen, aus der sich die Kritikpunkte des Bundesrats ergeben. So wird eine Überarbeitung in folgenden Bereichen für erforderlich erachtet:
- Familienunternehmen sollen durch einen Vorab-Abschlag von bis zu 30 % vom begünstigten Vermögen entlastet werden, wenn bestimmte Verfügungs-, Ausschüttungs- und Abfindungsbeschränkungen gesellschaftsvertraglich vorgesehen sind. Diese Anforderungen bedürfen nach Auffassung des Finanzausschusses des Bundesrats der Präzisierung. Auch wird die Ausnahme von Mitgesellschafter aus der Verfügungsbeschränkung abgelehnt.
- Nach dem Reformgesetz ist die Optionsverschonung nicht mehr davon abhängig, dass eine Verwaltungsvermögensquote von 10 % nicht überschritten wird. Der Finanzausschuss fordert die Wiederaufnahme der bisherigen 10 %igen Wertgrenze.
- Anders als zunächst im Gesetzentwurf vorgesehen schließt das Reformgesetz Beteiligungen an gewerblich geprägte Personengesellschaften sowie an bestimmten Kapitalgesellschaften nicht aus dem Kreis des begünstigungsfähigen Vermögens aus. Der Finanzausschuss fordert die Aufnahme dieser Einschränkung.
- Altersvorsorgevermögen zählt nach dem Reformgesetz nicht zum Verwaltungsvermögen. Der Finanzausschuss des Bundesrats sieht hier allerdings eine Deckelung entsprechend des bei Übertragung real vorhandenen Bestands an Altersvorsorgeverpflichtungen vor.
- Der Finanzausschuss sieht die Gefahr der Wiederbelebung der sog. „Cash-GmbH“, da bei einem Verwaltungsvermögensanteil von unter 90 % durch den Freibetrag für Finanzmittel von 15 % und den Freibetrag für Verwaltungsvermögen von 10 % dennoch knapp 27,5 % des Betriebsvermögens erbschaftsteuerlich begünstigt werden würden.
- Bei Erwerb von begünstigtem Vermögen über 26 Mio. Euro kann nach dem Abschmelzmodell ein um einen Prozentpunkt je volle 750.000 Euro, die die Schwelle von 26 Mio. Euro überschreiten, geminderter Verschonungsabschlag genutzt werden. Der Finanzausschuss des Bundesrats fordert ein stufenloses Abschmelzen ohne 750.000 Euro-Stufen. Auch sollte die Abschmelzung bei der Optionsverschonung bis auf null gehen und nicht - wie im Reformgesetz vorgesehen - bei Überschreiten einer 90 Mio. Euro-Grenze entfallen.
- Bei Erwerb von Todes wegen sieht das Reformgesetz eine zinslose Stundung der auf begünstigtes Vermögen entfallenden Steuer bis zu zehn Jahre vor. Der Finanzausschuss lehnt die Stundung ab und fordert, diese zu streichen.
- Schließlich wird auch die Änderung bei der Bemessung des Unternehmenswerts abgelehnt, weil diese zu einer ganz erheblichen und unmittelbar aufkommenswirksamen Senkung der heranzuziehenden Werte um rund 30 % führen würde.
Hinweis
Sollte ein Vermittlungsergebnis am 21.9.2016 erzielt werden können, könnte das Gesetzgebungsverfahren zügig, ggf. bis Ende September 2016, abgeschlossen werden. Andernfalls droht ein weiteres Tätigwerden des Bundesverfassungsgerichts, wie dieses bereits vor der parlamentarischen Sommerpause angekündigt hatte.
HINTERGRUND
Am 20.6.2016 - und damit äußerst knapp vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht bis zum 30.6.2016 gesetzten Frist - hatten sich die Regierungsparteien auf Bundesebene auf eine Reform des Erbschaftsteuergesetzes geeinigt. Auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom 17.12.2014 sind Änderungen bei den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen von Betriebsvermögen erforderlich.
Bereits am 22.6.2016 legte der Finanzausschuss des Bundestag eine Beschlussempfehlung zum Erbschaftsteuerreformgesetz vor und modifizierte dadurch den Gesetzentwurf aus Juli 2015. Der Bundestag beschloß das Gesetz in dieser Fassung am 24.6.2016.
Wesentliche Änderungen des beschlossenen Reformgesetzes sind:
- Zwar sind weiterhin eine Regelverschonung von 85 % und eine Optionsverschonung von 100 % des begünstigten Betriebsvermögens vorgesehen, jedoch wird entgegen der bisherigen Regelung sog. Verwaltungsvermögen grundsätzlich aus der Verschonung ausgenommen.
- Die Ermittlung sowohl des begünstigten Betriebsvermögens als auch des Verwaltungsvermögens wird punktuell modifiziert. Dabei werden u. a. Finanzmittel dem nicht begünstigten Verwaltungsvermögen zugerechnet, soweit diese 15 % des Werts des gesamten Betriebsvermögens übersteigen. Verwaltungsvermögen von bis zu 10 % des Betriebsvermögens wird dem begünstigten Betriebsvermögen als Liquiditätspuffer zugerechnet (sog. Schmutzklausel). Umgekehrt gilt aber Betriebsvermögen, das zu mehr als 90 % aus Verwaltungsvermögen besteht, insg. als nicht begünstigt. Damit soll Steuergestaltungen, wie z. B. sog. „cash-GmbHs“, entgegen gewirkt werden. Neu ist zudem, dass das Verwaltungsvermögen bei mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen im Rahmen einer Verbundsvermögensaufstellung konsolidiert zu ermitteln ist.
- Durch eine Investitionsklausel wird im Erbfall erhaltenes Verwaltungsvermögen dennoch als begünstigtes Betriebsvermögen behandelt, wenn dieses gemäß dem früheren Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall für Unternehmensinvestitionen eingesetzt wird.
- Wird Betriebsvermögen von mindestens 26 Mio. Euro je Erwerber übertragen, soll eine Bedürfnisprüfung erforderlich sein, so dass die Begünstigungen soweit nicht gewährt werden, als der Erwerber die Steuer mit der Hälfte seines Privatvermögens begleichen kann.
- Anstelle der Bedürfnisprüfung kann das Abschmelzmodell gewählt werden. Dabei reduziert sich der Verschonungsabschlag um einen Prozentpunkt je die Prüfschwelle von 26 Mio. Euro übersteigende 750.000 Euro. Ab einem Erwerb von 89,75 Mio. Euro im Falle der Regelverschonung bzw. 90 Mio. Euro im Falle der Optionsverschonung entfällt die Verschonung insgesamt.
- Familienunternehmen mit gesellschaftsvertraglichen Verfügungs-, Abfindungs- sowie Ausschüttungs- und Entnahmebeschränkungen werden dadurch besonders begünstigt, dass ein Abschlag auf den Firmenwert von max. 30 % vorgenommen werden kann. Die Beschränkungen müssen dazu zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Zeitpunkt des Erbfalls bzw. der Schenkung vorliegen.
- Kleinbetriebe werden künftig von der Lohnsummenregelung ausgenommen, wenn sie bis zu fünf Arbeitnehmer beschäftigen. Bei Betrieben mit bis zu 15 Beschäftigten sind gestuft geringere Anforderungen an die Lohnsummenprüfung vorgesehen.
- Die Ermittlung des Unternehmenswerts nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren wird modifiziert, indem ein dem derzeitigen niedrigen Zinsniveau entsprechender geringerer Kapitalisierungsfaktor berücksichtigt wird. Derzeit beträgt der Faktor 17,86. Dieser wird sich künftig innerhalb eines Korridors von 10 bis maximal 12,5 bewegen.
- Im Erbfall kann die auf begünstigtes Vermögen entfallende Erbschaftsteuer bis zu zehn Jahre zinslos gestundet werden. Dies betrifft damit die bei der Regelverschonung auf die verbleibenden 15 % des begünstigten Betriebsvermögens entfallende Steuer oder die Steuer, die nach Durchführung der Bedarfsprüfung bei Erwerben von großem Unternehmensvermögen angefallen ist.