Mit dem Entwurf reagiert der Gesetzgeber auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 (Az. 1 BvL 21/12), wonach die derzeit geltenden Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen zwar grundsätzlich geeignet und erforderlich sind, jedoch angesichts ihres Übermaßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Das Bundesverfassungsgericht hatte deshalb die Erhebung der derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuer insgesamt für mit der Verfassung unvereinbar erklärt.
Geplant ist nun, die Verschonungsregelungen in ihrer Grundstruktur zu erhalten und die beanstandeten Regelungen anzupassen. Im Einzelnen geht es um
- die Abgrenzung des begünstigten von dem nicht begünstigten Vermögen,
- die Freistellung von Kleinstbetrieben von den Lohnsummenregelungen,
- die Einführung einer Verschonungsbedarfsprüfung für den Erwerb großer Betriebsvermögen sowie
- die Einführung eines Abschmelzmodells als Wahlrecht für den Erwerb großer Betriebsvermögen.
Abstellen auf den Hauptzweck des begünstigten Vermögens
Das BVerfG hatte es für unverhältnismäßig angesehen, dass die Verschonung auch eintritt, obwohl das betriebliche Vermögen bis zu 50% aus Verwaltungsvermögen besteht. Künftig soll nicht verschonungswürdiges Vermögen grundsätzlich besteuert werden.
Zur genauen Abgrenzung des begünstigten (verschonungswürdigen) Vermögens vom nicht begünstigen Vermögen wird eine Neudefinition des begünstigten Vermögens vorgenommen - in Abkehr von der Negativdefinition des Verwaltungsvermögenskatalogs.
Begünstigt ist danach das Vermögen, das seinem Hauptzweck nach überwiegend einer originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Mit dem Abstellen auf den „Hauptzweck“ sollen missbräuchliche Gestaltungen, wie dies mit der Cash-GmbH möglich war, auch zukünftig unterbunden werden.
HINWEIS
Der Bundesrat lehnt diese neue Abgrenzung ab und fordert, den bisherigen Verwaltungsvermögenskatalog in modifizierter Form beizubehalten. Da die Bundesregierung entsprechend dem Gesetzentwurf an der Neuregelung festhalten will, besteht hier weiterhin politischer Verständigungsbedarf.
Freistellung von Kleinstbetrieben von den Lohnsummenregelungen
Die Anzahl der Arbeitnehmer, bei der Betriebe von der Einhaltung der Lohnsummenregelung ausgenommen werden, wird auf drei abgesenkt.
Bei Betrieben mit vier bis zehn Arbeitnehmern soll dem besonderen Bedürfnis für eine Flexibilisierung der Lohnsummenregelung Rechnung getragen werden. Dazu wird die Mindestlohnsumme bei einer Lohnsummenfrist von fünf Jahren auf 250 Prozent bzw. bei einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren auf 500 Prozent herabgesenkt. Im Gesetzentwurf ist eine weitere Erleichterung für Betriebe mit elf bis fünfzehn Arbeitnehmern vorgesehen. Diese sollen innerhalb von fünf Jahren eine Mindestlohnsumme von 300 Prozent und bei der für die Optionsverschonung maßgeblichen Frist von sieben Jahren von 565 Prozent zu erfüllen haben.
Missbräuchlichen Gestaltungen durch Betriebsaufspaltungen und Übertragungen in mehreren Schritten soll durch Zusammenrechnung der Beschäftigtenzahl und der Lohnsummen entgegengewirkt werden.
Verschonungsbedarfsprüfung für den Erwerb großer Betriebsvermögen
Wird großes begünstigtes Vermögen von über 26 Mio. Euro erworben, wird eine Verschonungsbedarfsprüfung eingeführt.
Unterhalb dieser Prüfschwelle verbleibt es bei der bisherigen Steuerbefreiung, wobei die Lohnsummenregelung und die Behaltensfristen einzuhalten sind.
Die Prüfschwelle erhöht sich auf 52 Mio. Euro bei bestimmten qualitativen Merkmalen in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen (insbesondere bei Familienunternehmen).
Oberhalb der Prüfschwelle von 26 Mio. bzw. 52 Mio. Euro wird auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt. Sofern dem Erwerber genügend übrige Mittel zur Verfügung stehen, um die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerlast zu tragen, scheidet eine Verschonung aus.
Reichen dagegen 50 Prozent des mitübertragenen und des bereits vorhandenen nicht begünstigten Nettovermögens nicht zur vollen Entrichtung der Steuer aus, ist ein Bedarf für eine Verschonung gegeben. Dann wird die Steuer in entsprechendem Umfang erlassen, vorausgesetzt, der Erwerber hält die Lohnsummen- und Behaltensregelungen ein.
Einführung eines Abschmelzmodells
Wahlweise kann der Steuerpflichtige unwiderruflich einen Antrag auf Gewährung eines Verschonungsabschlags stellen. Dann schmilzt bei begünstigtem Vermögen in einem Korridor von 26 Mio. bis 116 Mio. Euro der Verschonungsabschlag um einen Prozentpunkt je 1,5 Mio. Euro, die der Erwerb des begünstigten Vermögens über der Grenze von 26 Mio. Euro liegt, ab. Ab einem begünstigten Vermögen von 116 Mio. Euro gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 Prozent im Falle der Regelverschonung bzw. von 35 Prozent im Falle der Optionsverschonung.
Für familiengeführte Unternehmen ist ein entsprechendes Abschmelzen innerhalb eines Korridors von 52 Mio. Euro bis 142 Mio. Euro vorgesehen.
HINWEIS
Der Bundesrats fordert wegen Zweifel der Verfassungskonformität des im Gesetzentwurf enthaltenen Abschmelzmodells ein deutliches schnellers Abschmelzen ohne eine Mindestprozentsatz der Verschonung. Auch diesbezüglich besteht derzeit politischer Streit.
Vorgesehene Erstanwendung der Neuregelungen
Laut einem vorläufigen Zeitplan war zunächst die Abstimmung über den Gesetzentwurf im Bundestag am 6.11.2015 und im Bundesrat am 27.11.2015 vorgesehen. Den Verlautbarungen zufolge verzögert sich jedoch der Fortgang des Gesetzgebunbsverfahrens, so dass mit einem Beschluss im Bundestag vorausichtlich erst in 2016 zu rechnen ist.
Die Änderungen des Reformgesetzes sollen laut dem Gesetzentwurf am Tag nach der Gesetzesverkündung in Kraft treten. Eine rückwirkende Anwendung der Neuregelungen ist bislang nicht vorgesehen, so dass nach derzeitigem Stand bis zur Gesetzesverkündung die bisherigen Regelungen weiterhin anzuwenden sind.
Einzelheiten zum Inhalt des Gesetzentwurfs entnehmen Sie bitte der Übersicht: