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Ermäßigter Steuersatz für Lebensmittel auch für nicht trinkbare Sondennahrung?

FG Münster 5.3.2015, 5 K 3876/11 U

Umsätze von nicht trink­ba­rer Son­den­nah­rung sind nach EuGH-Ur­teil vom 30.4.2014 (Rs.: C-267/13) nicht als "Le­bens­mit­tel­zu­be­rei­tung", son­dern als Arz­nei­wa­ren i.S.d. Po­si­tion 3004 KN ein­zu­ord­nen. Da je­doch der BFH in sei­nem Be­schluss vom 24.9.2014 (Az.: VII R 54/11 - "Son­den- und Trin­knah­rung") dem EuGH-Ur­teil nicht un­ein­ge­schränkt ge­folgt ist, war die Re­vi­sion zu­zu­las­sen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist als Apo­the­ker selbstständig tätig. In den Streit­jah­ren 2004 bis 2010 lie­ferte er u.a. an Ver­si­cherte von Kran­ken­kas­sen spe­zi­elle Son­den­nah­rung. Da­bei han­delte es sich um eine Flüssig­keit, die über eine Ma­gen- oder Darm­sonde an sol­che Pa­ti­en­ten ver­ab­reicht wird, die krank­heits­be­dingt Nah­rung nicht in fes­ter Form zu sich neh­men können. Die Mit­tel wur­den in Plas­tik­fla­schen zu 500 ml oder als Pack zu 1.500 ml ab­ge­ge­ben. Eine Re­zept­pflicht be­stand nicht. Die Mit­tel stell­ten keine Arz­nei i.S.d. deut­schen Arz­nei­mit­tel­ge­set­zes dar. Sie wa­ren je­doch ver­ord­nungsfähig und durf­ten nur un­ter ärzt­li­cher Auf­sicht ver­wen­det wer­den. Eine Auf­nahme durch "Trin­ken" ist aus­ge­schlos­sen.

Der Kläger stritt mit dem Fi­nanz­amt darüber, ob der ermäßigte Um­satz­steu­er­satz für die Lie­fe­rung der Son­den­nah­rung gewährt wer­den kann. Er war der An­sicht, dass die Son­den­nah­rung als Le­bens­mit­tel­zu­be­rei­tung ermäßigt zu be­steu­ern sei. Das EuGH-Ur­teil v. 30.4.2014 (Rs.: C-267/13) finde keine An­wen­dung, weil es sich bei der vom Kläger ge­lie­fer­ten Son­den­nah­rung um ein Nah­rung er­set­zen­des Pro­dukt und nicht um ein Arz­nei­mit­tel i.S.d. deut­schen Arz­nei­mit­tel­ge­set­zes han­dele. Das Fi­nanz­amt war der Auf­fas­sung, die Son­den­nah­rung sei zoll­ta­rif­lich un­ter die Po­si­tion 2202 der Kom­bi­nier­ten No­men­kla­tur (KN) ein­zu­rei­hen und un­ter­liege dem Re­gel­steu­er­satz.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Um­satz­steu­er­ermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anl. 2 konnte nicht gewährt wer­den. Die Vor­aus­set­zun­gen für die im Streit­fall al­lein in Be­tracht kom­mende Steu­er­ermäßigung gem. Nr. 33 der Anl. 2 UStG i.V.m. Ka­pi­tel 21 KN wa­ren nicht erfüllt. Nach neu­erer EuGH-Recht­spre­chung (s.o.) sind die streit­be­fan­ge­nen Son­den­nah­rungs­umsätze nicht als "Le­bens­mit­tel­zu­be­rei­tung", son­dern als Arz­nei­wa­ren i.S.d. Po­si­tion 3004 KN ein­zu­ord­nen. Und für Arz­nei­wa­ren gibt es in Deutsch­land keine Um­satz­steu­er­ermäßigung. Der Se­nat folgt die­ser An­sicht.

Da­nach gehören zu den "Arz­nei­wa­ren" i.S.d. Po­si­tion 3004 KN Er­zeug­nisse, die ein­deu­tig be­stimm­bare the­ra­peu­ti­sche und pro­phy­lak­ti­sche Ei­gen­schaf­ten auf­wei­sen und die zur Verhütung ei­ner Krank­heit oder ei­nes Lei­dens an­ge­wandt wer­den können. Auch wenn das be­trof­fene Er­zeug­nis keine ei­gene the­ra­peu­ti­sche Wir­kung hat, aber bei der Verhütung oder Be­hand­lung ei­ner Krank­heit oder ei­nes Lei­dens An­wen­dung fin­det, ist es als zu the­ra­peu­ti­schen Zwecken zu­be­rei­tet an­zu­se­hen, so­fern es ei­gens für diese Ver­wen­dung be­stimmt ist. Die Dar­bie­tung der Er­zeug­nisse muss des Wei­te­ren in do­sier­ter Form er­fol­gen oder ih­rer Auf­ma­chung nach für den Ein­zel­ver­kauf be­stimmt sein. Aus dem Um­stand, dass die Er­zeug­nisse in einem the­ra­peu­ti­schen Um­feld un­ter ärzt­li­cher Auf­sicht mit­tels ei­ner Ma­gen­sonde zu Verhütung oder Be­hand­lung ei­ner Krank­heit oder lei­dens­be­ding­ten Un­terernährung ver­ab­reicht wer­den, schließt der EuGH, dass die Er­zeug­nisse zu the­ra­peu­ti­schen oder pro­phy­lak­ti­schen Zwecken i.S.d. Ta­rif­po­si­tion 3004 KN her­ge­stellt wur­den.

Die vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen la­gen im Streit­fall sämt­lich vor. Die streit­be­fan­ge­nen Son­den­nah­rungs­mit­tel dürfen an kranke Pa­ti­en­ten nur do­siert ab­ge­ge­ben und un­ter ärzt­li­cher Auf­sicht mit­tels ei­ner Ma­gen- und Darm­sonde ver­ab­reicht wer­den. Sie wa­ren auf­grund ih­rer ob­jek­ti­ven Merk­male und Ei­gen­schaf­ten zu me­di­zi­ni­schen Ver­wen­dung be­stimmt. Al­ler­dings liegt eine BFH-Ent­schei­dung zur Ein­ord­nung von Son­den­nah­rung in der hier streit­be­fan­ge­nen Art bis­lang nicht vor. Der BFH-Be­schluss vom 24.9.2014 (Az.: VII R 54/11) be­trifft "Son­den- und Trin­knah­rung". Im vor­lie­gen­den Fall ist dem­ge­genüber die Son­den­nah­rung nicht trink­bar. Dem EuGH-Ur­teil vom 30.4.2014 folgte der BFH in sei­nem Be­schluss vom 24.9.2014 nicht un­ein­ge­schränkt. In­fol­ge­des­sen wurde die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Link­hin­weis:

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