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Fiktive Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung auf Gutachtenbasis

BGH 11.11.2015, IV ZR 426/14

Auch bei ei­ner fik­ti­ven Ab­rech­nung von Un­fall­schäden in der Fahr­zeug­kas­ko­ver­si­che­rung sind un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Auf­wen­dun­gen, die bei Durchführung der Re­pa­ra­tur in ei­ner mar­ken­ge­bun­de­nen Fach­werk­statt an­fal­len würden, er­satzfähig. Der Ver­si­che­rungs­neh­mer muss sich dann von sei­nem Ver­si­che­rer nicht auf die nied­ri­ge­ren Kos­ten ei­ner "freien" Werk­statt ver­wei­sen las­sen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger, der sei­nen Mer­ce­des nach einem Un­fall­scha­den nicht re­pa­rie­ren ließ, be­gehrt von sei­nem be­klag­ten Kas­ko­ver­si­che­rer den Er­satz der not­wen­di­gen Re­pa­ra­tur­kos­ten auf Gut­ach­ten­ba­sis. Hierzu legte er ein von ihm be­auf­trag­tes Gut­ach­ten zu­grunde, in dem auf Ba­sis der Stun­den­ver­rech­nungssätze ei­ner Mer­ce­des-Fach­werk­statt ein Re­pa­ra­tur­kos­ten­auf­wand von rd. 9.400 € er­mit­telt wor­den ist.

Der be­klagte Ver­si­che­rer re­gu­lierte da­ge­gen auf der Ba­sis ei­nes von ihm ein­ge­hol­ten Gut­ach­tens nur rd. 6.400 €. Die­sem Gut­ach­ten lie­gen die Lohn­kos­ten ei­ner orts­ansässi­gen, nicht mar­ken­ge­bun­de­nen Fach­werk­statt zu­grunde. Die Dif­fe­renz von knapp 3.000 € ist Ge­gen­stand der Klage.

In Zif­fer A.2.7.1 der dem Ver­si­che­rungs­ver­trag zu­grunde lie­gen­den All­ge­mei­nen Be­din­gun­gen für die Kraft­fahrt­ver­si­che­rung (AKB) 2008 heißt es:

"Wird das Fahr­zeug be­schädigt, zah­len wir die für die Re­pa­ra­tur er­for­der­li­chen Kos­ten bis zu fol­gen­den Ober­gren­zen:

  • a)Wird das Fahr­zeug vollständig und fach­ge­recht re­pa­riert, zah­len wir die hierfür er­for­der­li­chen Kos­ten bis zur Höhe des Wie­der­be­schaf­fungs­werts nach A.2.6.6, wenn Sie uns dies durch eine Rech­nung nach­wei­sen. Fehlt die­ser Nach­weis, zah­len wir ent­spre­chend A.2.7.1.b.
  • b)Wird das Fahr­zeug nicht, nicht vollständig oder nicht fach­ge­recht re­pa­riert, zah­len wir die er­for­der­li­chen Kos­ten ei­ner vollständi­gen Re­pa­ra­tur bis zur Höhe des um den Rest­wert ver­min­der­ten Wie­der­be­schaf­fungs­werts nach A.2.6.6."

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. So­weit die Re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs auch in ei­ner mar­ken­freien Fach­werk­statt zu ei­ner vollständi­gen und fach­ge­rech­ten Re­pa­ra­tur führe, seien nur die dort an­fal­len­den Kos­ten als er­for­der­lich i.S.d. AKB an­zu­se­hen. Für eine Über­tra­gung der Grundsätze aus dem ge­setz­li­chen Haf­tungs­recht fehle es an ei­ner tragfähi­gen Begründung. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Die Gründe:
In der Kas­ko­ver­si­che­rung sind al­lein die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen der Par­teien maßgeb­lich. Da­her können die für den Scha­dens­er­satz - also ins­be­son­dere für die Er­satz­pflicht des Un­fall­geg­ners - gel­ten­den Re­ge­lun­gen nicht an­ge­wandt wer­den.

Die Auf­wen­dun­gen für die Re­pa­ra­tur in ei­ner mar­ken­ge­bun­de­nen Werk­statt können auch nach der maßgeb­li­chen Aus­le­gung der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen aus Sicht ei­nes durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mers abhängig von den Umständen des je­wei­li­gen Fal­les als "er­for­der­li­che" Kos­ten i.S.d. Klau­sel an­zu­se­hen sein.

Da­nach kann der Ver­si­che­rungs­neh­mer diese Auf­wen­dun­gen dann er­setzt ver­lan­gen, wenn nur in der Mar­ken­werk­statt eine vollständige und fach­ge­rechte In­stand­set­zung sei­nes Fahr­zeugs möglich ist, im Re­gel­fall aber auch dann, wenn es sich um ein neue­res Fahr­zeug oder um ein sol­ches han­delt, das der Ver­si­che­rungs­neh­mer bis­her stets in ei­ner mar­ken­ge­bun­de­nen Fach­werk­statt hat war­ten und re­pa­rie­ren las­sen.

Dass eine die­ser Vor­aus­set­zun­gen vor­liegt, ist je­weils vom Ver­si­che­rungs­neh­mer - im Streit­fall vom Kläger - dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen. Da das LG hierzu bis­lang keine Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat, war die Sa­che dort­hin zurück­zu­ver­wei­sen, da­mit die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen nach­ge­holt wer­den können.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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