Der Sachverhalt:
Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Im Streitjahr (1999) übertrug die GmbH ihm gegen Verzicht auf seine Pensionszusage ihre Ansprüche gegenüber einer Pensionsversicherung, die sie im eigenen Namen zur Rückdeckung für sich abgeschlossen hatte. In seiner Einkommensteuererklärung von März 2001 für das Streitjahr berücksichtigte der Kläger diesen Tausch nicht, weil seiner Ansicht nach die monatlichen Beträge erst bei Zufluss der Pensionszahlungen nach Eintritt des Versorgungsfalles der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen waren.
Das Finanzamt veranlagte den Kläger zunächst erklärungsgemäß und änderte den Einkommensteuerbescheid in der Folgezeit mehrmals. Bei der GmbH wurde für die Jahre 1999 bis 2002 eine steuerliche Außenprüfung durchgeführt; ebenso bei dem Kläger für die Jahre 2000 bis 2002. Der Prüfer stellte fest, dass die Übertragung der Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung auf den Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) darstelle.
Daraufhin setzte das Finanzamt die Einkommensteuer gegen den Kläger für 1999 mit Einkommensteueränderungsbescheid von Oktober 2007 nach § 32a Abs. 1 S. 1 KStG 2007 höher fest, indem es die Einkünfte aus Kapitalvermögen um rd. 120.000 DM heraufsetzte, nachdem die vGA im Körperschaftsteueränderungsbescheid für 1999 von August 2007 bei der GmbH einkommenserhöhend angesetzt worden war.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Das FG hat bei der Prüfung, ob der gegen den Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ergangene Einkommensteuerbescheid für 1999 aufgrund der Feststellung einer vGA im Körperschaftsteueränderungsbescheid der GmbH noch geändert werden durfte, die Änderungsvorschrift des § 32a KStG unzutreffend ausgelegt.
Zu der Frage, in welchem Verhältnis die Regelungen der AO zur Festsetzungsverjährung in § 171 AO zu der Korrekturregelung in § 32a KStG stehen, enthält lediglich § 32a Abs. 1 S. 2 KStG eine Bestimmung. Danach endet die Festsetzungsfrist für den nach Satz 1 der Vorschrift wegen der vGA zu ändernden Einkommensteuerbescheid "nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft". Dem FG ist nur im Ausgangspunkt darin zu folgen, dass die Rechtsprechung zu § 171 Abs. 10 AO durchaus für die Auslegung des Begriffs "Festsetzungsfrist" in § 32a Abs. 1 S. 2 KStG heranzuziehen ist. Das FG lässt jedoch außer Acht, dass diese Rechtsprechung einen Ablauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid verneint, solange die Feststellungsfrist für den Grundlagenbescheid noch nicht abgelaufen ist.
In Anwendung dieser Grundsätze auf das Verhältnis von Körperschaft- und Einkommensteuerbescheid (ungeachtet der fehlenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung zur Feststellung einer vGA) ist danach im Anwendungsbereich des § 32a KStG nach Maßgabe des Abs. 1 S. 2 der Vorschrift (lex specialis zu den Korrekturtatbeständen der §§ 171 ff. AO) grundsätzlich von einer Ablaufhemmung für die Festsetzung der Einkommensteuer im Zusammenhang mit der Berücksichtigung einer vGA auszugehen, solange über die vGA in einem Körperschaftsteuerbescheid nicht bestandskräftig entschieden worden ist. Da die Entscheidung des FG auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie (u.a.) aus diesem Grund aufzuheben.
Das FG hat vorliegend nicht geprüft, ob § 32a KStG in Fällen der vorliegenden Art gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Wie der BFH entschieden hat (BFH 29.8.2012, VIII B 45/12), bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Korrekturvorschrift des § 32a KStG, soweit sie Änderungen noch nicht festsetzungsverjährter Einkommensteuerveranlagungen zur Folge hat. Insbesondere führt sie nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten, sondern zu einer grundsätzlich verfassungskonformen sog. unechten Rückwirkung. Weder kommt ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG noch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung fällt allerdings anders aus, wenn die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer nach Maßgabe der §§ 169, 170, 171 AO bereits bei Inkrafttreten des § 32a Abs. 1 S. 1 und 2 KStG abgelaufen war. In dem Fall liegt eine echte Rückwirkung auf die zu diesem Zeitpunkt bereits festsetzungsverjährte Einkommensteuerveranlagung vor, die nach den Grundsätzen über die Grenzen des Gesetzgebers bei Erlass rückwirkender Steuergesetze regelmäßig verfassungsrechtlich unzulässig ist, falls - wie hier - keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind. Da die Sache nicht spruchreif ist, war sie zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Linkhinweis:
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