Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Gesamtrechtsnachfolger der 1925 geborenen A. Diese war die Schwester der 1924 geborenen Erblasserin B. Diese hatte im Mai 2000 ein eigenhändiges Testament errichtet, mit dem sie ihre Patenkinder C. und D. zu ihren Erben einsetzte. Ferner verfügte sie unter Nr. 2 ihres Testaments:
Nachvermächtnisnehmer nach dem Tod meiner Schwester ist Frau E."
Die Erblasserin ordnete unter Nr. 3 ihres Testaments Testamentsvollstreckung für die Durchführung ihrer letztwilligen Verfügung "einschließlich des Vor- und Nachvermächtnisses" an. Die Erblasserin verstarb im Jahr 2009. Das beklagte Finanzamt setzte gegen A. 70.680 € Erbschaftsteuer fest. Dabei setzte es einen Erwerb durch Vermächtnis von 255.646 € an. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hatte die Erbschaftsteuer zu Recht und in zutreffender Höhe festgesetzt.
Die Erbschaftsteuer für den Erwerb durch ein Vorvermächtnis entsteht - wie allgemein bei Vermächtnissen - nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers. Im vorliegenden Fall war mithin für den Erwerb der A. in der Gestalt des Vorvermächtnisses gem. § 2191 BGB nach den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 u. 4 sowie 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod der Erblasserin im Jahr 2009 die Erbschaftsteuer entstanden. Anders als der Kläger meinte, war Gegenstand dieses Erwerbs nicht nur der in dem Testament der Erblasserin genannte Schmuck und ein Anwartschaftsrecht der A. auf jährliche Auszahlung von Teilbeträgen gewesen. Vielmehr bezog sich der Gegenstand des Vorvermächtnisses auch auf den Kapitalbetrag von 500.000 DM.
Bei der Auslegung des Testaments war auf den Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung abzustellen. Dann hätte A. den Kapitalbetrag von 500.000 DM vollständig erhalten können. Eine weitergehende Einschränkung des ihr eingeräumten Auszahlungsrechts enthielt die letztwillige Verfügung der Erblasserin nicht. Die an die Testamentsvollstreckerin gerichtete Anordnung, den Kapitalbetrag von 500.000 DM treuhänderisch und mündelsicher anzulegen, stand der Annahme, dass dieser Betrag Gegenstand des Vorvermächtnisses sein sollte, nicht entgegen. § 2191 Abs. 2 BGB verweist zwar nicht auf § 2119 BGB. Gleichwohl kann ein ähnliches Ergebnis durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung erreicht werden, ohne dass die hierdurch begründete Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, einen Geldbetrag mündelsicher anzulegen, daran etwas zu ändern vermag, dass dieser Geldbetrag Gegenstand eines Vorvermächtnisses sein kann.
Zwar wurde aufgrund der Regelungen des § 6 Abs. 1 u. 4 ErbStG derselbe Vermögensgegenstand mehrfach besteuert. Das entsprach jedoch der Gesetzeslage und es bestanden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Besteuerung des Erwerbs des Vorvermächtnisnehmers. Eine Anrechnung der gegenüber A. festgesetzten Steuer käme zudem allenfalls bei der Besteuerung des Nachvermächtnisses nach der im Streitfall allerdings nicht einschlägigen Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 3 S. 2 u. Abs. 4 ErbStG in Betracht. Somit war A. als Erwerberin des Vorvermächtnisses gem. § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG Steuerschuldnerin geworden. Die Steuerschuldnerschaft war gem. § 45 Abs. 1 S. 1 AO mit ihrem Tod auf den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger übergegangen. Das beklagte Finanzamt musste im Streitfall nicht im Rahmen einer Gesamtschuldnerauswahl in Erwägung ziehen, die Erbschaftsteuer für das Vorvermächtnis gegen die Nachvermächtnisnehmerin festzusetzen.
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