Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr (2010) im Inland wohnten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war bei der in der Schweiz ansässigen X-AG nichtselbständig tätig. Er erzielte im Streitjahr einen Bruttolohn i.H.v. rd. 166.000 CHF. Die X-AG behielt vom Bruttolohn gem. Art. 15a Abs. 1 S. 2 und 3 DBA-Schweiz 1971/1992 4,5 Prozent Quellensteuer ein und führte diese an die Eidgenössische Steuerverwaltung ab. Die Abführung erfolgte monatlich.
Die Kläger sind demgegenüber der Ansicht, das Finanzamt habe zu Unrecht den erweiterten Härteausgleich gem. § 46 Abs. 5 EStG 2009 i.V.m. § 70 EStDV 2000 nicht durchgeführt. Bei Anwendung des (erweiterten) Härteausgleichs vermindere sich das zu versteuernde Einkommen um 363 €.
Das FG gab Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger unterlag mit seinen von der X-AG bezogenen Einkünften als Grenzgänger gem. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 im Inland der Besteuerung. Die Tatsache, dass wegen des ausländischen Arbeitgebers kein Lohnsteuerabzug durchgeführt wurde, steht der Anwendung der Härtefallregelung des § 46 Abs. 5 EStG 2009 i.V.m. § 70 EStDV 2000 nicht entgegen.
Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nur bei Vorliegen der in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 EStG 2009 aufgeführten besonderen Voraussetzungen durchgeführt. So ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 EStG 2009 etwa dann zu veranlagen, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, mehr als 410 € beträgt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann unterbleibt eine Veranlagung. In denjenigen Fällen, in denen nach § 46 Abs. 2 EStG 2009 die Veranlagung durchzuführen ist, ist gem. § 46 Abs. 3 S. 1 EStG 2009 ein Betrag in Höhe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, vom Einkommen abzuziehen, wenn diese Einkünfte insgesamt nicht mehr als 410 € betragen (sog. Härteausgleich).
Betragen diese Einkünfte in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2009 mehr als 410 €, dann kann durch eine Rechtsverordnung die Besteuerung so gemildert werden, dass auf die volle Besteuerung dieser Einkünfte stufenweise übergeleitet wird (§ 46 Abs. 5 EStG 2009, sog. erweiterter Härteausgleich). Zum Ausgleich von Härten ist insoweit in § 70 EStDV 2000 Folgendes geregelt: Betragen in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, insgesamt mehr als 410 €, so ist vom Einkommen der Betrag abzuziehen, um den die bezeichneten Einkünfte, vermindert um den auf sie entfallenden Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG) und den nach § 13 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Betrag, niedriger als 820 € sind (Härteausgleichsbetrag). Der Härteausgleichsbetrag darf nicht höher sein als die nach Satz 1 verminderten Einkünfte.
Ausgangspunkt der Härtefallregelungen in § 46 Abs. 3 und 5 EStG 2009 ist danach die in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2009 enthaltene 410 €-Grenze für "Nebeneinkünfte" eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitslohn als "Haupteinkunftsquelle" bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren der Besteuerung unterworfen wurde. Wird die Grenze unterschritten, dann findet eine dem Vereinfachungszweck des Lohnsteuerabzugsverfahrens zuwiderlaufende Pflichtveranlagung des Arbeitnehmers nicht allein deshalb statt, um die geringfügigen Nebeneinkünfte der an sich gebotenen Besteuerung zuführen zu können. Dadurch werden die Nebeneinkünfte dieses Arbeitnehmers bis zur "Freigrenze" von 410 € im Ergebnis von der Besteuerung freigestellt. § 46 Abs. 3 EStG 2009 überträgt diese "Freigrenze" der Sache nach auf die Veranlagungsfälle des § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG 2009 und sorgt damit für die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer: Auch wenn eine Veranlagung aus den in § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG 2009 genannten Gründen erfolgen muss, bleiben Nebeneinkünfte unterhalb von 410 € steuerlich unberücksichtigt.
Der erweiterte Härteausgleich ergänzt das Entlastungskonzept, indem er die bei einem geringfügigen Überschreiten der "Freigrenze" drohende sprunghafte Mehrbelastung des Arbeitnehmers in einer Übergangszone bis 820 € stufenweise abmildert. Ebenfalls aus Gleichbehandlungsgründen sind die steuerlichen Vergünstigungen, die der einfache und der erweiterte Härteausgleich gewähren, auch solchen Arbeitnehmern zuzugestehen, die mit ihrem von einem ausländischen Arbeitgeber bezogenen Arbeitslohn im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind und mangels Vornahme eines Lohnsteuerabzugs nicht gem. § 46 EStG 2009, sondern nach der Grundnorm des § 25 Abs. 1 EStG 2009 zu veranlagen sind. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, diesen Arbeitnehmern den Härteausgleich zu versagen, der ihnen ohne Weiteres zugestanden hätte, wenn sie bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt gewesen wären.
Demzufolge war vom Einkommen der Kläger ein Härteausgleichsbetrag abzuziehen. Beim Kläger wurde im Hinblick auf seine Einkünfte aus seiner Grenzgängertätigkeit zutreffend kein Lohnsteuerabzug vorgenommen, weil sein ausländischer Arbeitgeber hierzu nicht verpflichtet war. Daher ist der Kläger zwar nicht gem. § 46 Abs. 2 EStG 2009, wohl aber nach der Grundnorm des § 25 Abs. 1 EStG 2009 zu veranlagen. Die Härteausgleichsregelungen in § 46 Abs. 3 und 5 EStG 2009 sind in diesem Fall analog anzuwenden.
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