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Kein Ausgleichsanspruch bei Verpflichtung des Herstellers zur Unbrauchbarmachung überlassener Kundendaten

BGH 5.2.2015, VII ZR 315/13

Ein Aus­gleichs­an­spruch in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 89b HGB steht dem Ver­tragshänd­ler nicht zu, wenn der Her­stel­ler oder Lie­fe­rant nach den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ver­pflich­tet ist, die ihm vom Ver­tragshänd­ler über­las­se­nen Kun­den­da­ten bei Be­en­di­gung des Ver­trags zu sper­ren, ihre Nut­zung ein­zu­stel­len und auf Ver­lan­gen des Ver­tragshänd­lers zu löschen. Es fehlt in­so­weit an der Vor­aus­set­zung, dass der Her­stel­ler bei Be­en­di­gung des Ver­trags in die Lage ver­setzt wird, den Kun­den­stamm des Händ­lers so­fort und ohne wei­te­res für sich nutz­bar zu ma­chen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger nimmt als Ver­wal­ter in dem In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der K-GmbH (Schuld­ne­rin) die Be­klagte auf Zah­lung von Aus­gleich ent­spre­chend § 89b HGB in An­spruch. Die Schuld­ne­rin schloss mit der Be­klag­ten 1996 einen Ver­tragshänd­ler­ver­trag. Die­ser Ver­trag wurde durch die Be­klagte zum 30.9.2003 gekündigt. Im Juli 2003 schlos­sen die Schuld­ne­rin und die Be­klagte einen wei­te­ren Ver­tragshänd­ler­ver­trag so­wie eine ge­son­derte Ver­ein­ba­rung zur Über­las­sung von Kun­den­da­ten für Zwecke der Kun­den­be­treu­ung durch die Be­klagte und zur Markt­for­schung (KBP-Ver­ein­ba­rung).

In einem An­schrei­ben, das dem Ver­trags­an­ge­bot bei­gefügt war, wies die Be­klagte ausdrück­lich dar­auf hin, dass die Un­ter­zeich­nung der KBP-Ver­ein­ba­rung frei­wil­lig sei und keine Vor­aus­set­zung für den Ab­schluss des Ver­tragshänd­ler­ver­trags dar­stelle. Die KBP-Ver­ein­ba­rung enthält un­ter I u.a. fol­gende Be­stim­mun­gen:

  • 2. Zur Durchführung der Kun­den­be­treu­ung so­wie zu Markt­for­schungs­zwe­cken wird der Händ­ler die Per­so­nen-, Fir­men- und Fahr­zeug­da­ten von Kun­den und In­ter­es­sen­ten für neue Au­to­mo­bile, Vorführ­fahr­zeuge und Dienst­wa­gen ein­schließlich al­ler not­wen­di­gen Be­triebs­da­ten lau­fend an B (die Be­klagte) über­mit­teln.
  • 5. Die Teil­nahme des Händ­lers an der Kun­den­be­treu­ung en­det durch Be­en­di­gung des Händ­ler­ver­trags, durch schrift­li­che Kündi­gung der Teil­nah­me­erklärung durch den Händ­ler oder mit Be­en­di­gung des Kun­den­be­treu­ungs­pro­gramms durch B.
  • 6. Vor­be­halt­lich der nach­ste­hend un­ter Ab­schnitt II ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen wird B nach Be­en­di­gung der Teil­nahme des Händ­lers an der Kun­den­be­treu­ung die vom Händ­ler über­las­se­nen Da­ten sper­ren, ihre Nut­zung ein­stel­len und auf Ver­lan­gen des Händ­lers löschen."

Ab­schnitt II der Ver­ein­ba­rung hat aus­zugs­weise fol­gen­den Wort­laut:

"II. An­kauf von Kun­den­da­ten durch B.

  • 1. B bie­tet dem Händ­ler hier­mit an, seine vollständi­gen Kun­den- und In­ter­es­sen­ten­da­ten bei endgülti­ger Be­en­di­gung der Zu­sam­men­ar­beit auf Grund­lage ei­nes Händ­ler­ver­trags ge­gen Zah­lung ei­nes pau­scha­len Kauf­prei­ses an­zu­kau­fen, wenn B dem Händ­ler nicht nach Aus­lau­fen des je­weils be­ste­hen­den Händ­ler­ver­tra­ges den Ab­schluss ei­nes neuen Händ­ler­ver­tra­ges an­bie­tet oder die Be­en­di­gung aus Gründen er­folgt, die von B zu ver­tre­ten sind, und der Händ­ler die­ses An­ge­bot bin­nen drei Mo­na­ten nach Be­en­di­gung der Zu­sam­men­ar­beit durch schrift­li­che Erklärung ge­genüber B an­nimmt.

Das Ver­trags­verhält­nis wurde durch außer­or­dent­li­che frist­lose Kündi­gung der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 7.7.2008 be­en­det. Eine Ver­ein­ba­rung über den An­kauf der Kun­den­da­ten nach Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses kam nicht zu­stande.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht einen Aus­gleichs­an­spruch der Schuld­ne­rin ge­gen die Be­klagte in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 89b HGB ver­neint.

Dem Ver­tragshänd­ler steht laut BGH-Recht­spre­chung nur dann ein Aus­gleichs­an­spruch ge­gen den Her­stel­ler oder Lie­fe­ran­ten in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 89b HGB zu, wenn zwi­schen ihm und einem Her­stel­ler ein Rechts­verhält­nis be­steht, das über eine bloße Verkäufer-Käufer-Be­zie­hung hin­aus­geht. Der Ver­tragshänd­ler muss auf­grund ver­trag­li­cher Ab­ma­chun­gen so in die Ab­satz­or­ga­ni­sa­tion des Her­stel­lers ein­ge­glie­dert sein, dass er wirt­schaft­lich in wei­tem Um­fang Auf­ga­ben zu erfüllen hat, die sonst einem Han­dels­ver­tre­ter zu­kom­men. Vor­lie­gend fehlt es je­doch an der Vor­aus­set­zung, dass die Schuld­ne­rin ver­pflich­tet war, der Be­klag­ten ih­ren Kun­den­stamm zu über­tra­gen, so dass diese ihn bei Be­en­di­gung des Ver­trags so­fort und ohne wei­te­res für sich nutz­bar ma­chen konnte.

Eine Ver­pflich­tung zur Über­las­sung der Kun­den­da­ten an die Be­klagte, mit der Folge, dass diese die Kun­den­da­ten bei Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses mit der Schuld­ne­rin ohne wei­te­res für sich nutz­bar ma­chen konnte, er­gibt sich we­der aus dem Ver­tragshänd­ler­ver­trag noch aus der zwi­schen den Par­teien ge­schlos­se­nen KBP-Ver­ein­ba­rung. Eine ana­loge An­wen­dung des § 89b HGB schei­det vor­lie­gend je­den­falls des­we­gen aus, weil die Be­klagte nach der KBP-Ver­ein­ba­rung bei Be­en­di­gung des Ver­tragshänd­ler­ver­trags die ihr von der Schuld­ne­rin über­las­se­nen Kun­den­da­ten nicht ohne wei­te­res für sich nutz­bar ma­chen konnte. Diese Möglich­keit be­steht nicht, wenn der Her­stel­ler nach den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ver­pflich­tet ist, die ihm vom Ver­tragshänd­ler über­las­se­nen Kun­den­da­ten bei Be­en­di­gung des Ver­trags zu sper­ren, ihre Nut­zung ein­zu­stel­len und auf Ver­lan­gen des Ver­tragshänd­lers zu löschen.

Zu­tref­fend ist das OLG i.Ü. da­von aus­ge­gan­gen, dass sich aus dem in Ab­schnitt II der KBP-Ver­ein­ba­rung ent­hal­te­nen An­ge­bot der Be­klag­ten, die vollständi­gen Kun­den- und In­ter­es­sen­ten­da­ten bei endgülti­ger Be­en­di­gung der Zu­sam­men­ar­beit auf Grund­lage ei­nes Ver­tragshänd­ler­ver­trags ge­gen Zah­lung ei­nes pau­scha­len Kauf­prei­ses an­zu­kau­fen, nichts an­de­res er­gibt. Die­ses An­ge­bot ist nicht an­ge­nom­men wor­den. Es be­stand auch keine Ver­pflich­tung, die­sem An­ge­bot nach Ver­trags­be­en­di­gung zu­zu­stim­men. Da­mit ist auch nach Be­en­di­gung des Ver­tragshänd­ler­ver­trags keine Ver­pflich­tung der Schuld­ne­rin zur Über­las­sung von Kun­den­da­ten an die Be­klagte begründet wor­den, die eine ent­spre­chende An­wen­dung des § 89b HGB im vor­lie­gen­den Fall recht­fer­ti­gen könnte.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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