Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Handwerksmeister und erzielt seit dem Jahr 1992 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin, seine Ehefrau, ist alleinige Eigentümerin des Betriebsgrundstücks, das sie 1991 erworben und im Anschluss bebaut hatte. Nach Fertigstellung im Jahr 1995 vermietete sie die "Halle mit Werkstattgebäude" an den Kläger und erklärte fortan laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger machte die Mietzahlungen als Betriebsausgaben geltend. Für das Streitjahr 2013 erklärte die Klägerin nachträgliche Einkünfte aus der Vermietung dieses Objekts i.H.v. 996 €. Darüber hinaus bezog und bezieht die Klägerin laufende Einkünfte aus einem Anstellungsverhältnis bei ihrem Ehemann.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2013 erkannte das Finanzamt die Bestellung des Nießbrauchs zugunsten der Tochter steuerlich nicht an, da insoweit ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliege. Die Behörde erhöhte daher die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung um die bisher in der Einkommensteuererklärung der Tochter angegebenen laufenden Einkünfte aus der Vermietung des Objektes auf insgesamt 8.802 € und ermittelte so ein zu versteuerndes Einkommen von 95.443 €. Mit Bescheid aus April 2015 setzte es die Einkommensteuer für das Jahr 2013 auf 18.004 € fest.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts hinsichtlich des Anwendungsbereichs von § 42 AO bei Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs zugunsten naher Angehöriger die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks sind der Tochter der Kläger und nicht der Klägerin zuzurechnen.
Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung allerdings noch nicht unangemessen. Auch Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll
Im vorliegenden Fall räumten die Eltern ihrer studierenden Tochter unentgeltlich ein befristetes Nießbrauchsrecht an einer vermieteten Immobilie ein, um sie während ihres Studiums mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten. Infolgedessen ist dies nicht gestaltungsmissbräuchlich, vielmehr steht es Eltern frei, zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder ob sie ihm - auch befristet - die Einkunftsquelle selbst übertragen. Wenn sie sich aus steuerlichen Gründen für Letzteres entscheiden, führt allein dies nicht dazu, dass die zugrunde liegende rechtliche Gestaltung als unangemessen im oben dargestellten Sinne anzusehen wäre.
Der steuerliche Vorteil der Gestaltung besteht im Wesentlichen darin, dass unter Berücksichtigung der steuerlichen Progression die Vermietungseinkünfte niedriger oder - falls der Grundfreibetrag nicht überschritten werden sollte - überhaupt nicht besteuert werden. Die Verlagerung von Einkünften aus einem Wirtschaftsgut auf Familienangehörige mit geringerem Steuersatz widerspricht allerdings nicht den Wertungen des Gesetzgebers und stellt grundsätzlich keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar. Sie ist steuerlich anzuerkennen, wenn - was hinsichtlich des hier zu beurteilenden Zuwendungsnießbraus der Fall ist - die zugrundeliegende Vereinbarung zivilrechtlich gültig ist und in ihrer Gestaltung wie auch in ihrer Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Die Bestellung des Nießbrauchs und der Abschluss des Mietverhältnisses können steuerlich nicht allein deshalb anders zu beurteilen sein, weil die Immobilie an einen Familienangehörigen vermietet wird, wenn dieses Mietverhältnis - wie hier - dem zwischen Fremden Üblichen entspricht
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