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Kein Verzicht auf Nachweise der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen

BFH 15.1.2015, VI R 85/13

Im Fall von psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Be­hand­lun­gen und der me­di­zi­ni­sch er­for­der­li­chen auswärti­gen Un­ter­brin­gung ei­nes an ei­ner Be­hin­de­rung lei­den­den Kin­des des Steu­er­pflich­ti­gen setzt die An­er­ken­nung von außer­gewöhn­li­chen Be­las­tun­gen vor­aus, dass die in § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV auf­geführ­ten Nach­weise er­bracht wer­den. Diese Nach­weise können ins­be­son­dere nicht durch an­dere Un­ter­la­gen er­setzt wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Der min­derjährige Sohn der Kläger war von Fe­bruar 2005 bis Juli 2007 we­gen der psy­chi­schen Er­kran­kung ADHS mit Schul­ver­wei­ge­rung in einem Heim un­ter­ge­bracht. Dort er­hielt er eine psy­cho­the­ra­peu­ti­sche, schul­psy­cho­lo­gi­sche Be­hand­lung ein­schließlich der Be­schu­lung. Die Lan­des­haupt­stadt gewährte von Be­ginn an Ju­gend­hilfe in Form von Ein­glie­de­rungs­hilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII. Das Kin­der­geld er­hielt die Lan­des­haupt­stadt im Wege der Er­stat­tung nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X. Die Lan­des­haupt­stadt setzte ge­gen den Kläger einen Kos­ten­bei­trag nach §§ 91 ff. SGB VIII fest. Er mus­ste mo­nat­li­che Zah­lun­gen zu den Kos­ten der Heim­un­ter­brin­gung bei­tra­gen. Ein vor Be­ginn der Maßnahme aus­ge­stell­tes amtsärzt­li­ches Gut­ach­ten oder eine Be­schei­ni­gung ei­nes me­di­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung lag nicht vor.

In der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr 2007 mach­ten die Kläger Auf­wen­dun­gen i.H.v. 12.741 € ein­schließlich der Nach­zah­lun­gen für 2006 als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen nach § 33 EStG gel­tend. Das Fi­nanz­amt er­kannte nur einen ge­rin­gen Teil der gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen an. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auch die Re­vi­sion der Kläger vor dem BFH blieb er­folg­los.

Gründe:
Da es an einem den An­for­de­run­gen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV genügen­den Nach­weis fehlte, ha­ben die Kläger die Zwangsläufig­keit der gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen dem Grunde nach nicht nach­ge­wie­sen. Das FG hat da­her die Klage zu Recht ab­ge­wie­sen.

Die Zwangsläufig­keit von krank­heits­be­ding­ten Auf­wen­dun­gen für Arz­nei-, Heil- und Hilfs­mit­tel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) hat der Steu­er­pflich­tige durch eine Ver­ord­nung ei­nes Arz­tes oder Heil­prak­ti­kers nach­zu­wei­sen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVer­einfG 2011). In den ab­schließend ge­re­gel­ten Ka­ta­logfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVer­einfG 2011 ist der Nach­weis der Zwangsläufig­keit durch ein vor Be­ginn der Heilmaßnahme oder dem Er­werb des me­di­zi­ni­schen Hilfs­mit­tels aus­ge­stell­tes amtsärzt­li­ches Gut­ach­ten oder eine vor­he­rige ärzt­li­che Be­schei­ni­gung ei­nes me­di­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung (§ 275 SGB V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStDV i.d.F. des StVer­einfG 2011).

Ein sol­cher qua­li­fi­zier­ter Nach­weis war - auf­grund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVer­einfG 2011 an­ge­ord­ne­ten ver­fas­sungs­recht­lich un­be­denk­li­chen rück­wir­ken­den Gel­tung des § 64 EStDV i.d.F. des StVer­einfG 2011 - auch im Streit­jahr 2007 bei krank­heits­be­ding­ten Auf­wen­dun­gen für psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Be­hand­lun­gen und die me­di­zi­ni­sch er­for­der­li­che auswärtige Un­ter­brin­gung ei­nes an Leg­as­the­nie oder ei­ner an­de­ren Be­hin­de­rung lei­den­den Kin­des des Steu­er­pflich­ti­gen zu er­brin­gen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1b bzw. c EStDV). Ein vor Be­ginn der Maßnahme aus­ge­stell­tes amtsärzt­li­ches Gut­ach­ten oder eine Be­schei­ni­gung ei­nes me­di­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung lag im vor­lie­gen­den Fall al­ler­dings nicht vor.

Im Ver­fah­ren der Ein­glie­de­rungs­hilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII war ein den An­for­de­run­gen des § 64 EStDV ent­spre­chen­der Nach­weis nicht ein­zu­ho­len. Zwar sieht § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII vor, dass der Träger der öff­ent­li­chen Ju­gend­hilfe die Stel­lung­nahme ei­nes be­son­ders qua­li­fi­zier­ten Arz­tes oder Psy­cho­the­ra­peu­ten ein­holt. Da § 64 EStDV den Se­nat je­doch da­hin­ge­hend ge­bun­den hat, dass auf die dort vor­ge­se­he­nen Nach­weise nicht ver­zich­tet wer­den kann und sie nicht durch an­dere Un­ter­la­gen er­setzt wer­den können, konnte of­fen­blei­ben, ob im Streit­fall eine sol­che Stel­lung­nahme vor­ge­le­gen hatte.

Link­hin­weis:

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