Der Sachverhalt:
Die Klägerin macht gegen die Beklagten aus ererbtem Recht Darlehensrückzahlungsansprüche geltend. U. sen. (Erblasser) gewährte seinem Sohn U. jun. im März 1977 ein Darlehen über 50.000 DM sowie 1981 ein weiteres Darlehen über 200.000 Schweizer Franken (CHF). Am 28.3.1985 verstarb der Erblasser, der von der Klägerin (Tochter des Erblassers), Irene U. (Ehefrau des Erblassers) und U. jun. beerbt wurde. Am 16.10.1996 verschied Irene U., deren Erben die Klägerin, U. jun., Dr. Jenny N. und Nikolas N. sind. Am 1.10.2006 verstarb U. jun., der von den drei Beklagten beerbt wurde.
Mit Beschluss vom 23.4.2004 zog das Nachlassgericht den am 5.3.1997 erteilten Erbschein ein und erteilte einen neuen gemeinschaftlichen Erbschein, ausweislich dessen die Klägerin, Irene U. und U. jun. Erben zu je 1/3 des Erblassers sind. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.10.2008 kündigten die Klägerin, Dr. Jenny N. und Nikolas N. gegenüber den Beklagten als Rechtsnachfolgern von U. jun. erneut die Darlehen. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf anteilige Rückzahlung der beiden Darlehen i.H.v. rd. 10.650 € sowie 54.650 € in Anspruch. Ihren Anspruch berechnet sie aus ihrem eigenen Anteil von 1/3 am Nachlass des Erblassers sowie ihrem 1/4-Anteil an dem weiteren 1/3-Anteil der Irene U. Die Beklagten erhoben u.a. die Einrede der Verjährung.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Ausführungen der Vorinstanzen zur Berechnung der Regelverjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB sind unzutreffend. Gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Das ist der Fall, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich Fälligkeit. Die Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs hängt, da hier eine Zeit für die Rückzahlung des Darlehens nicht bestimmt war, von einer Kündigung ab (§ 488 Abs. 3 S. 1 BGB, § 609 Abs. 1 BGB a.F.). Die Vorinstanzen meinen, der Kündigung vom 5.3.1999 stehe nicht entgegen, dass die Klägerin hierzu nicht berechtigt gewesen sei, da gem. § 2367 Alt. 2, § 2366 BGB von deren Wirksamkeit unter Rechtsscheingesichtspunkten auszugehen sei. Das ist unzutreffend.
Nach § 2367 Alt. 2 BGB findet § 2366 BGB zwar entsprechende Anwendung, wenn zwischen demjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe bezeichnet wird, und einem anderen in Ansehung eines zur Erbschaft gehörenden Rechts ein nicht unter die Vorschrift des § 2366 BGB fallendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht enthält. Hierunter sind insbesondere Gestaltungsrechte, z.B. die Kündigung, zu verstehen. Die §§ 2366, 2367 BGB setzen aber - wie die übrigen Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb auch - ein Rechtsgeschäft in der Form eines Verkehrsgeschäfts voraus. Veräußerer und Erwerber dürfen daher weder rechtlich noch wirtschaftlich (teilweise) identisch sein. Auch im Bereich der erbrechtlichen Gutglaubensvorschriften gem. §§ 2366, 2367 BGB ist allgemein anerkannt, dass diese nur bei Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts Anwendung finden. Im Rahmen einer Erbauseinandersetzung unter Miterben ist also kein gutgläubiger Erwerb möglich.
Vorliegend handelt es sich zwar nicht um einen gutgläubigen Erwerb durch den Rechtsvorgänger der Beklagten, sondern um ein von der Klägerin diesem gegenüber vorgenommenes Rechtsgeschäft gem. § 2367 Alt. 2 BGB. Dies rechtfertigt aber keine abweichende Beurteilung. Die Gutglaubensvorschriften müssen hinsichtlich des Begriffs des Verkehrsgeschäfts einheitlich ausgelegt werden, unabhängig davon, um welches Rechtsgeschäft es im Einzelnen geht. Für eine Differenzierung zwischen den einzelnen Gutglaubenstatbeständen der §§ 2366, 2367 BGB besteht keine Veranlassung. Ohne Erfolg machen die Beklagten demgegenüber geltend, für ein Verkehrsgeschäft spreche bereits die unabhängig von einer Mitwirkung von U. jun. bestehende Verfügungsbefugnis der übrigen Miterben.
Zwar kam es auf eine Mitwirkung des Rechtsvorgängers der Beklagten bei der Kündigung des Darlehens nicht an, da sich der geltend gemachte Anspruch gegen ihn richtete und er daher von einer Mitwirkung ausgeschlossen war. Dies ändert aber nichts daran, dass die Klägerin, Dr. Jenny N., Nikolas N. und U. jun. eine Gesamthandsgemeinschaft in Form einer Erbengemeinschaft bildeten, der die Darlehensrückzahlungsforderung gegen eines ihrer Mitglieder in gesamthänderischer Verbundenheit zustand. Insoweit standen sie sich in Bezug auf die Darlehensforderung als Miterben und nicht wie außenstehende Dritte gegenüber.
Die fehlerhafte Anwendung der §§ 2366, 2367 BGB ist auch entscheidungserheblich. Ohne weitere Sachverhaltsaufklärung lässt sich nicht feststellen, ob die Kündigung der Darlehen durch das Schreiben der Klägerin vom 5.3.1999 wirksam erfolgt ist. Verfügungen über einen Nachlassgegenstand können gem. § 2040 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur gemeinschaftlich von allen Miterben vorgenommen werden. Gekündigt hat das Darlehen jedoch die Klägerin allein. Eine Mehrheitsentscheidung zur Kündigung fehlt. Die Kündigung vom 5.3.1999 wäre daher nur dann wirksam, wenn die übrigen Miterben ihre vorherige Zustimmung erteilt hätten. Sollte eine derartige Einwilligung zur Kündigung vorgelegen haben, hätte dies die Wirksamkeit der Kündigung vom 5.3.1999 zur Folge. In diesem Fall erwiese sich die Entscheidung des OLG im Ergebnis als richtig. Insoweit musste die Sache daher zur weiteren Sachaufklärung dorthin zurückverwiesen werden.
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