Der Sachverhalt:
Die Beklagte schloss mit dem Schuldner im Juli 2002 einen Darlehensvertrag i.H.v. 750.000 € mit einem für fünf Jahre festgeschriebenen Nominalzinssatz von 5,2 % p.a. und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 5,33 %. Als Sicherheit diente eine Grundschuld an einem Hausgrundstück des Schuldners in München. Im Mai 2009 wurde ein neuer Nominalzinssatz von 4,333 % p.a. bis Ende Mai 2019 (anfänglicher effektiver Jahreszins: 4,420 %) vereinbart.
Der Kläger hat titulierte Ansprüche gegen den Schuldner. Mit Beschluss des AG München vom 10.4.2013 wurde wegen einer Teilhauptforderung des Klägers gegen den Schuldner in Höhe von 100.000 € der angebliche Anspruch des Schuldners gegen die Beklagte "auf Rückzahlung von zu Unrecht vereinnahmten Vorfälligkeitsentschädigungen zum Darlehensvertrag Nr. 6706355721" zugunsten des Klägers gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen. Der Kläger meint, die Beklagte habe keine Vorfälligkeitsentschädigung einbehalten dürfen.
LG und OLG wiesen die auf Zahlung von 75.000 € nebst Zinsen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen hätte das OLG einen Anspruch des Schuldners gegen die Beklagte auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht verneinen dürfen. Die Annahme des OLG, die Regelung des § 497 Abs. 1 BGB a.F. schließe nicht aus, dass die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangen könne, ist rechtsfehlerhaft.
Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass § 497 Abs. 1 BGB (dort in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung) eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten enthält, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt werden. Sie entfaltet eine Sperrwirkung, die die Geltendmachung einer als Erfüllungsinteresse verlangten Vorfälligkeitsentschädigung neben dem dort geregelten Verzögerungsschaden ausschließt. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte des § 11 VerbrKrG als Vorgängernorm des § 497 BGB a.F. sowie dem Sinn und Zweck der Regelung und gilt daher ohne weiteres auch für die hier anwendbare vom 1.1. bis zum 31.7.2002 geltende Fassung.
Aus der Begründung zum Regierungsentwurf des VerbrKrG ergibt sich, dass "der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln und ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen" sein sollte. Der Gesetzgeber wollte damit die aufgrund der beiden Urteile des BGH vom 28.4.1988 (III ZR 57/87 und III ZR 120/87) für zulässig erachteten Schadensberechnungsmöglichkeiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen, weil die vom BGH entwickelte Lösung zwar zu befriedigenden Ergebnissen führe, aber von der Kreditwirtschaft als unpraktikabel und schwer umsetzbar bemängelt worden sei. Zugleich wurde mit der Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu berechnen.
Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung wird indes nicht erreicht, wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugszinsberechnung auf die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungsrückstände eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte, deren genaue Feststellung unter Berücksichtigung der bis zum regulären Vertragsende noch ausstehenden Zahlungsströme aus Tilgung und Vertragszins eine komplizierte Abzinsung der einzelnen Zahlungsbeträge erforderlich macht. Vor allem aber würde bei Zubilligung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die im Ausgangspunkt auf dem Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach Wirksamwerden der Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt.
Der Gesetzgeber wollte den Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausschließen. Dies zeigt sich auch daran, dass im Regierungsentwurf in § 11 Abs. 3 VerbrKrG-E noch eine Regelung enthalten war, aufgrund derer der Kreditgeber auf die fällige Restschuld abweichend von § 10 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG-E (dem späteren § 11 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG) den Vertragszins hätte verlangen können, diese Bestimmung indes im weiteren Gesetzgebungsverlauf wegen ihrer mangelnden Praktikabilität ersatzlos gestrichen wurde. Aus den Materialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, mit dem § 497 BGB a.F. an die Stelle des § 11 VerbrKrG getreten ist, ergibt sich nichts anderes. Einen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung billigt der Gesetzgeber dem Darlehensgeber nur in Fällen zu, in denen der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag vorzeitig kündigt. Auch dies kann im Wege des Umkehrschlusses zumindest als Hinweis darauf verstanden werden, dass ein solcher Anspruch im Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein soll.
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