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Keine steuerbegünstigte Praxisveräußerung bei Wiederaufnahme der freiberuflichen Tätigkeit nach 22 Monaten?

FG Köln 3.12.2014, 13 K 2231/12

Dass ein Veräußerer in der Pra­xis des Er­wer­bers als freier Mit­ar­bei­ter "seine" mit­ge­brach­ten Man­dan­ten wei­ter be­treut (hier nach 22 Mo­na­ten), ist bei der Über­tra­gung von Frei­be­ruf­ler­pra­xen weit ver­brei­tet. Fin­det der von der Recht­spre­chung un­ter­stellte Ver­trau­ens­trans­fer we­gen der persönli­chen Wei­ter­be­treu­ung tatsäch­lich nicht statt und macht der Veräußerer sich wie­der im sel­ben ört­li­chen Wir­kungs­be­reich mit ei­ge­ner Pra­xis selbständig, stellt sich die Frage, wel­che War­te­zeit ein­ge­hal­ten wer­den muss, um die Ta­rif­begüns­ti­gung des § 18 Abs. 3 i.V.m. §§ 16 Abs. 2 bis 4, 34 EStG für die be­reits voll­zo­gene Pra­xis­veräußerung nicht (rück­wir­kend) zu gefähr­den.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Steu­er­be­ra­ter. Nach sei­nem Aus­schei­den aus ei­ner Wirt­schaftsprüfungs­ge­sell­schaft im Jahr 2003 war er ab 2004 in B. frei­be­ruf­lich tätig. Im Ja­nuar 2008 veräußerte er seine als Ein­zel­pra­xis geführte Steu­er­be­ra­tungs­kanz­lei zu einem Kauf­preis von 750.000 € an die in B. ge­schäfts­ansässige Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft STS. Ge­gen­stand des Kauf­ver­trags war ne­ben dem mo­bi­len Pra­xis­in­ven­tar der ge­samte Man­dan­ten­stamm des Klägers.

Gleich­zei­tig tra­fen die Par­teien eine frei­be­ruf­li­che Tätig­keits­ver­ein­ba­rung. Der Kläger sollte nach 22 Mo­na­ten bei der Über­lei­tung der über­tra­ge­nen Man­date auf die STS mit­wir­ken und neue Man­dan­ten für die STS zu ak­qui­rie­ren. Die fach­li­che Be­ra­tung der ein­ge­brach­ten und et­wai­ger neu ak­qui­rier­ter Man­date sollte im Na­men und für Rech­nung der STS er­fol­gen. Im Ge­gen­zug sollte der Kläger für seine 32 Wo­chen­stun­den ein mo­nat­li­ches Pau­schal­ho­no­rar i.H.v. 5.000 € zzgl. Mehr­wert­steuer er­hal­ten. Dem Kläger wurde ausdrück­lich ge­stat­tet, auch für an­dere Auf­trag­ge­ber als die STS tätig zu wer­den.

Das Fi­nanz­amt ging letzt­lich da­von aus, dass der Veräußerungs­ge­winn hin­sicht­lich der Steu­er­be­ra­tungs­kanz­lei des Klägers nicht steu­er­begüns­tigt gem. § 34 EStG, son­dern als lau­fen­der Ge­winn zu er­fas­sen sei. Der Kläger ging hin­ge­gen wei­ter­hin da­von aus, dass die Fort­set­zung sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit bei der STS der An­nahme ei­ner tatsäch­li­chen Veräußerung nicht ent­ge­gen­stehe und be­rief sich wei­ter­hin auf die Steu­er­begüns­ti­gung.

Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte den Ge­winn des Klägers aus dem Ver­kauf sei­ner Steu­er­be­ra­ter­pra­xis an die STS zu Recht nicht als gem. § 18 Abs. 3 i.V.m. §§ 16 Abs. 2 bis 4, 34 EStG ta­rif­begüns­tig­ten Veräußerungs­ge­winn be­han­delt, son­dern als lau­fen­den Ge­winn der Re­gel­ver­steue­rung un­ter­wor­fen.

Der BFH macht die An­er­ken­nung ei­ner ta­rif­begüns­tig­ten "Veräußerung" in An­leh­nung an die eben­falls steu­er­lich pri­vi­le­gierte Auf­gabe ei­nes Be­triebs oder ei­ner frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit bei Pra­xisüber­tra­gun­gen in ständi­ger Recht­spre­chung von dem Er­for­der­nis abhängig, dass der Veräußerer seine frei­be­ruf­li­che Tätig­keit in dem bis­he­ri­gen ört­li­chen Wir­kungs­kreis we­nigs­tens für eine ge­wisse Zeit ein­stellt. Teile der - auch vom BFH zi­tier­ten - Fach­li­te­ra­tur las­sen als aus­rei­chende War­te­zeit, nach de­ren Ab­lauf von ei­ner begüns­ti­gungs­un­schädli­chen Pra­xis­neueröff­nung aus­zu­ge­hen ist, eine Zeit­spanne von drei Jah­ren genügen. Den­noch hat sich der BFH hierzu nicht ver­bind­lich - ab­leh­nend oder zu­stim­mend - geäußert. Glei­ches gilt für die räum­li­che Ent­fer­nung, in der sich die neue Pra­xis zu der bis­he­ri­gen Tätig­keitsstätte be­fin­den muss, um eine Ar­beits­auf­nahme außer­halb des bis­he­ri­gen ört­li­chen Wir­kungs­be­reichs an­neh­men zu können.

Un­ge­ach­tet ei­ni­ger Zwei­fel hält der er­ken­nende Se­nat es bei der­ar­ti­gen Sach­ver­hal­ten für begüns­ti­gungs­schädlich, wenn der Veräußerer nach (nur) 22 Mo­na­ten seine Tätig­keit als freier Mit­ar­bei­ter in der Pra­xis des Er­wer­bers auf­gibt und in der­sel­ben Stadt eine Pra­xis eröff­net, in der er eine frei­be­ruf­li­che Tätig­keit auf­nimmt, die in­halt­lich sei­ner vor der Pra­xisüber­tra­gung ausgeübten Betäti­gung ent­spricht, und seine Leis­tun­gen ge­genüber Man­dan­ten er­bringt, die be­reits vor der Pra­xisüber­tra­gung recht­lich und wirt­schaft­lich und da­nach im­mer­hin fak­ti­sch zu sei­nem Kli­en­tel gehörten. Die Über­tra­gung der we­sent­li­chen Pra­xis­grund­la­gen auf die STS er­wies sich hier so­mit als bloße Un­ter­bre­chung der bis­he­ri­gen frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit des Klägers.

Zwar ist höchstrich­ter­lich be­reits geklärt, dass die Be­stim­mung der "ge­wis­sen Zeit", während de­rer der Veräußerer seine frei­be­ruf­li­che Tätig­keit nach der Pra­xisüber­tra­gung ein­stel­len muss, von den Umständen des je­wei­li­gen Ein­zel­fal­les abhängig ist. Die hier vor­lie­gende Ge­stal­tung, dass ein Veräußerer in der Pra­xis des Er­wer­bers als freier Mit­ar­bei­ter "seine" mit­ge­brach­ten Man­dan­ten wei­ter be­treut, ist je­doch bei der Über­tra­gung von Frei­be­ruf­ler­pra­xen weit ver­brei­tet. Fin­det der von der Recht­spre­chung un­ter­stellte Ver­trau­ens­trans­fer auf den Er­wer­ber we­gen der persönli­chen Wei­ter­be­treu­ung der Man­dan­ten durch den Veräußerer tatsäch­lich nicht statt und macht die­ser sich da­nach wie­der im sel­ben ört­li­chen Wir­kungs­be­reich mit ei­ge­ner Pra­xis selbständig, stellt sich die Frage, wel­che War­te­zeit ein­ge­hal­ten wer­den muss, um die Ta­rif­begüns­ti­gung des § 18 Abs. 3 i.V.m. §§ 16 Abs. 2 bis 4, 34 EStG für die be­reits voll­zo­gene Pra­xis­veräußerung nicht (rück­wir­kend) zu gefähr­den. In­fol­ge­des­sen wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text des Ur­teils ist erhält­lich un­ter www.nrwe.de - Recht­spre­chungs­da­ten­bank des Lan­des NRW.

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