Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B" und "H" zu. V wohnt seit Dezember 2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum. Er erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen mtl. Lohn i.H.v. rd. 170 €. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 mtl. eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall i.H.v. rd. 770 € und eine Schmerzensgeldrente i.H.v. rd. 200 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Familienkasse hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.
Es ist u.a. zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge. Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG gilt dies auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG a.F.
Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist. Das Schmerzensgeld nimmt eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein. Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des BGH vom 6.7.1955 (GSZ 1/55) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet.
Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen.
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