Der Sachverhalt:
Die Beklagte und ihre Schwester Carolin S. sind Erbinnen ihrer im Januar 2012 verstorbenen Mutter, die seit März 1995 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin war. Die Beklagte und ihre Schwester zeigten der Klägerin im Februar 2012 den Tod ihrer Mutter an. Das Schreiben war mit den Absenderanschriften der Beklagten unter der streitgegenständlichen Wohnung und ihrer Schwester in D. versehen. Sie trugen darin vor, dass sie mit der Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hätten und nun nach § 563 Abs. 2 BGB per Gesetz an die Stelle der Mutter in das Mietverhältnis getreten seien.
Mit Schreiben vom 6.9.2012 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten und ihrer Schwester erneut die Kündigung und berief sich hierbei sowohl auf § 563 BGB als auch auf § 564 BGB. Es folgten weitere Kündigungsschreiben.
AG und LG wiesen die Räumungsklage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Gründe:
Die (formelle) Wirksamkeit der Kündigung vom 29.2.2012 scheiterte nicht bereits - wie vom Berufungsgericht angenommen - daran, dass sich die Kündigung nur an die Beklagte und nicht an deren Schwester Carolin S. richtete. Ob die Klägerin ihr Sonderkündigungsrecht mit Schreiben vom 29.2.2012 im Übrigen wirksam ausgeübt hatte, konnte auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantwortet werden.
Zwar war dem LG darin beizupflichten, dass die Kündigung gem. § 564 BGB gegenüber sämtlichen Erben als Rechtsnachfolgern des verstorbenen Mieters erfolgen musste. Rechtsfehlerhaft war jedoch die Würdigung des Berufungsgerichts, dieses sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt, da die Kündigung sich nur an die Beklagte richtete und die im handschriftlichen Zusatz zugesagte Weitergabe des Schreibens vom 29.2.2012 an deren Schwester nicht eine an diese gerichtete Kündigung ersetzte. Die Auslegung des LG schöpfte den Wortlaut des Schreibens vom 29.2.2012 einschließlich der darauf vermerkten handschriftlichen Zusätze nicht aus und verkürzte auf diese Weise unzulässig deren rechtsgeschäftlichen Bedeutungsgehalt.
Insbesondere ließ das LG unberücksichtigt, dass die Klägerin ihre auf § 564 BGB gestützte Kündigung ersichtlich an beide Töchter als nach dem Tod der Mieterin in Betracht kommende Erben richten wollte und dies auch - wie allein schon der auf das Kündigungsschreiben gesetzte Weiterleitungsvermerk zeigte - für alle Beteiligten ersichtlich war. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung - wie hier die Kündigungserklärung - ist gem. §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden.
Das LG, das dem Vermerk den Sinn beigemessen hatte, die Schwester habe von der Kündigung gegenüber der Beklagten erfahren sollen, wurde dem Erklärungsgehalt des Zusatzvermerks nicht gerecht. Eine derart beschränkende Erklärungsbedeutung hätte für die Klägerin in rechtlicher Hinsicht keinen Sinn ergeben. Ihr ging es ersichtlich nicht um eine Kenntnis der Schwester von der gegenüber der Beklagten erfolgten Kündigung, sondern um die Beendigung des Mietverhältnisses insgesamt. Dies war nur durch die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber beiden Töchtern der verstorbenen Mieterin als deren Erbinnen zu erreichen. Dieser objektive Erklärungsgehalt des Weiterleitungszusatzes konnte einem redlichen Erklärungsempfänger nicht verborgen bleiben.
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