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Mietmangel wegen Lärmbelästigungen durch neuen Bolzplatz?

BGH 29.4.2015, VIII ZR 197/14

Ein Ver­mie­ter muss im Rah­men sei­ner nach § 535 Abs. 1 BGB be­ste­hen­den Pflicht, die Woh­nung in einem zum ver­trags­gemäßen Ge­brauch ge­eig­ne­ten Zu­stand zu er­hal­ten, nicht dafür ein­ste­hen, dass sich ein bei Ver­trags­schluss hin­ge­nom­me­nes Maß an Geräuschen vom Nach­bar­grundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn er diese Geräusche selbst ge­genüber dem Nach­barn gem. § 906 Abs. 1 BGB (ent­schädi­gungs­los) zu dul­den hätte. Denn Unmögli­ches hätte der Mie­ter, wenn die Ver­trags­par­teien das An­stei­gen der Geräusch­ku­lisse bei Ver­trags­schluss be­dacht hätten, vom Ver­mie­ter red­li­cher­weise nicht be­an­spru­chen können.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klag­ten hat­ten vor vie­len Jah­ren von den Klägern eine Erd­ge­schoss­woh­nung nebst Ter­rasse in Ham­burg ge­mie­tet. Das Wohn­grundstück grenzt an eine Schule, auf de­ren Gelände im Jahr 2010 in etwa 20 Me­tern Ent­fer­nung von der von der Ter­rasse der Be­klag­ten ein Bolz­platz er­rich­tet wurde. Die­ser soll nach der vom Schulträger an­ge­brach­ten Be­schil­de­rung Kin­dern im Al­ter bis zu zwölf Jah­ren von Mon­tag bis Frei­tag bis 18:00 Uhr zur Be­nut­zung of­fen­ste­hen.

Seit Som­mer 2010 rügten die Be­klag­ten ge­genüber den Klägern Lärm­belästi­gun­gen durch Ju­gend­li­che, die auch außer­halb der ge­nann­ten Zei­ten auf dem Bolz­platz spiel­ten. Sie min­der­ten des­halb von Ok­to­ber 2010 an die Miete um 20 %. Die Kläger hiel­ten die Miet­min­de­rung für un­be­rech­tigt und be­gehr­ten mit ih­rer Klage Zah­lung der rest­li­chen Miete so­wie die Fest­stel­lung, dass die Be­klag­ten nicht be­rech­tigt seien, we­gen des Lärms die Miete zu min­dern.

AG und LG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Die Gründe:
Zwar können nach­tei­lige Ein­wir­kun­gen von außen - sog. "Um­weltmängel" - zwar Ge­gen­stand ei­ner Ver­ein­ba­rung über die Be­schaf­fen­heit der Miet­woh­nung sein, so dass im Laufe der Zeit ein­tre­tende nach­tei­lige Ände­run­gen we­gen ei­nes Zurück­blei­bens der ver­ein­bar­ten hin­ter der tatsäch­lich be­ste­hen­den Be­schaf­fen­heit zu einem Man­gel der Miet­sa­che führen können. Al­ler­dings kann - ent­ge­gen ei­ner ver­brei­te­ten Pra­xis - bei Feh­len ausdrück­li­cher Ver­ein­ba­run­gen nicht ohne kon­krete An­halts­punkte da­von aus­ge­gan­gen wer­den, die Miet­ver­trags­par­teien hätten gleich­wohl den bei Ver­trags­schluss vor­ge­fun­de­nen Wohn­stan­dard zu­min­dest still­schwei­gend da­hin fest­le­gen wol­len, dass die­ser Zu­stand sich in Be­zug auf Um­welt­einflüsse über die Dauer des Miet­verhält­nis­ses hin­weg nicht nach­tei­lig verändern darf und der Ver­mie­ter sei­nen Fort­be­stand je­den­falls im We­sent­li­chen zu ga­ran­tie­ren hat. Der­ar­tige An­halts­punkte la­gen im vor­lie­gen­den Fall nach den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen nicht vor.

Bei Feh­len ei­ner der­ar­ti­gen Ver­ein­ba­rung im Miet­ver­trag ist die Frage, ob und in wel­chem Um­fang der Mie­ter ein nachträglich veränder­tes Maß an Geräuschim­mis­sio­nen hin­zu­neh­men hat, ohne sich auf einen Man­gel der Miet­woh­nung be­ru­fen zu können, im Wege der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung un­ter Rück­griff auf die Ver­kehrs­an­schau­ung zu be­ant­wor­ten. Ent­ge­gen ei­ner viel­fach ver­tre­te­nen Auf­fas­sung muss ein Ver­mie­ter da­bei aber im Rah­men sei­ner nach § 535 Abs. 1 BGB be­ste­hen­den Pflicht, die Woh­nung in einem zum ver­trags­gemäßen Ge­brauch ge­eig­ne­ten Zu­stand zu er­hal­ten, nicht dafür ein­ste­hen, dass sich ein bei Ver­trags­schluss hin­ge­nom­me­nes Maß an Geräuschen vom Nach­bar­grundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn er diese Geräusche selbst ge­genüber dem Nach­barn gem. § 906 Abs. 1 BGB (ent­schädi­gungs­los) zu dul­den hätte. Denn Unmögli­ches hätte der Mie­ter, wenn die Ver­trags­par­teien das An­stei­gen der Geräusch­ku­lisse bei Ver­trags­schluss be­dacht hätten, vom Ver­mie­ter red­li­cher­weise nicht be­an­spru­chen können. Er hätte viel­mehr nur ver­lan­gen können, dass der Ver­mie­ter einen von ihm nicht mehr zu dul­den­den Geräusch­an­stieg ge­genüber dem Drit­ten ab­wehrt oder ihm eine Min­de­rung zu­bil­ligt, wenn auch er selbst von dem Drit­ten für eine we­sent­li­che, aber als ortüblich zu dul­dende Störung einen Aus­gleich ver­lan­gen kann.

In­fol­ge­des­sen konnte hier in der neu auf­ge­tre­te­nen Lärm­belästi­gun­gen je­den­falls dann kein Man­gel der Miet­sa­che ge­se­hen wer­den, wenn auch der Ver­mie­ter selbst die Belästi­gun­gen ohne ei­gene Ab­wehr- oder Ent­schädi­gungsmöglich­kei­ten - etwa mit Rück­sicht auf das bei Kin­derlärm be­ste­hende To­le­ranz­ge­bot des § 22 Abs. 1a BImSchG - als un­we­sent­lich oder ortsüblich hin­neh­men müsste. Ent­ge­gen der An­sicht des LG kommt es nicht dar­auf an, das § 22 Abs. 1a BImSchG erst im Jahr 2011 und da­mit lange nach dem Ab­schluss des Miet­ver­tra­ges in Kraft ge­tre­ten ist. Denn die Pri­vi­le­gie­rungs­re­ge­lung ist nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers dar­auf an­ge­legt, über sei­nen ei­gent­li­chen An­wen­dungs­be­reich und das da­mit viel­fach ver­klam­merte zi­vil­recht­li­che Nach­bar­recht hin­aus auch auf das sons­tige Zi­vil­recht, ins­be­son­dere das Miet­recht und das Woh­nungs­ei­gen­tums­recht aus­zu­strah­len, so­fern die­ses je­weils für die Be­wer­tung von Kin­derlärm re­le­vant ist.

Da die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen, ins­be­son­dere die Frage, ob die von den Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Lärm­belästi­gun­gen von Kin­dern oder von (nicht un­ter die Pri­vi­le­gie­rung des § 22 Abs. 1a BImSchG fal­len­den) Ju­gend­li­chen oder jun­gen Er­wach­se­nen ver­ur­sacht wor­den wa­ren, bis­her nicht ge­trof­fen wur­den, war das Be­ru­fungs­ur­teil auf­zu­he­ben und die Sa­che an das LG zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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