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Mitteilungspflicht des Finanzamtes gegenüber gesetzlicher Krankenkasse über Höhe der Einkünfte des Ehegatten eines Versicherten

FG Baden-Württemberg 22.4.2016, 13 K 1934/15

Nach § 31 Abs. 2 AO sind die Fi­nanz­behörden ermäch­tigt und ver­pflich­tet, den Trägern der ge­setz­li­chen So­zi­al­ver­si­che­rung sämt­li­che re­le­van­ten Da­ten des Be­trof­fe­nen mit­zu­tei­len, die für die Ein­schätzung der Ver­si­che­rungs­pflicht so­wie die Bei­trags­fest­set­zung von Be­deu­tung sind; die Vor­schrift enthält keine Be­gren­zung des Per­sons­krei­ses. Seit 1.8.2014 ist nicht nur für frei­wil­lig haupt­be­ruf­lich selbständige Mit­glie­der, son­dern für alle frei­wil­lig Ver­si­cher­ten die Fest­set­zung von Höchst­beiträgen möglich, so­fern das Mit­glied auf Ver­lan­gen der Kran­ken­kasse Bei­trags­pflich­tige Ein­nah­men nicht nach­weist.

Der Sach­ver­halt:
Der Ehe­mann der Kläge­rin ist Rent­ner und seit Juli 2011 frei­wil­li­ges, nicht haupt­be­ruf­lich selbständi­ges Mit­glied ei­ner ge­setz­li­chen Krank­ver­si­che­rung; die Kläge­rin ist kein Mit­glied ei­ner ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung. Seit dem Ab­schluss des Ver­si­che­rungs­ver­tra­ges durch den Ehe­mann strei­tet die­ser mit der Kran­ken­kasse über die Be­rech­ti­gung der Kran­ken­kasse, in die Be­mes­sungs­grund­lage des von ihm zu ent­rich­ten­den Mit­glieds­bei­tra­ges ergänzend das Ein­kom­men der Kläge­rin ein­zu­be­zie­hen. Da sich der Ehe­mann ge­genüber der Kran­ken­kasse wei­gerte, das Ein­kom­men der Kläge­rin mit­zu­tei­len, for­derte die Kran­ken­kasse das Fi­nanz­amt un­ter Be­ru­fung auf § 31 Abs. 2 AO, § 21 Abs. 4 SGB X und § 240 Abs. 5 SGB V so­wie § 2 Abs. 4 Bei­trVerfGrsSz auf, ihr die Einkünfte der Ehe­gat­ten mit­zu­tei­len.

Das Fi­nanz­amt teilte nach Prüfung der Sach- und Rechts­lage und di­ver­ser Rück­fra­gen an die Kran­ken­kasse die­ser im auf de­ren Vor­druck die Einkünfte der Kläge­rin aus Ver­mie­tung und Ver­pach­tung, aus nicht­selbständi­ger Ar­beit und aus Ge­wer­be­be­trieb so­wie die Einkünfte des Ehe­man­nes für die Ver­an­la­gungs­zeiträume 2011 und 2012 mit. In der Spalte für 2013 trug die Behörde "keine Da­ten" ein. Dar­auf­hin wandte sich die Kläge­rin ge­gen Wei­ter­gabe ih­rer Da­ten an die Kran­ken­kasse und for­derte das Fi­nanz­amt dazu auf, künf­tig keine ent­spre­chen­den Da­ten mehr wei­ter zu ge­ben. Gleich­zei­tig bat sie um Bestäti­gung, dass künf­tig keine Da­ten mehr wei­ter­ge­ben wer­den.

Dies lehnte das Fi­nanz­amt mit der Begründung ab, § 31 AO er­fasse auch die Wei­ter­gabe von Da­ten Drit­ter, so­weit diese zur Bei­trags­fest­set­zung er­for­der­lich seien. Das FG wies die Klage größten­teils ab. Al­ler­dings wurde we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Sa­che die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Nach § 31 Abs. 2 AO sind die Fi­nanz­behörden ermäch­tigt und ver­pflich­tet, den Trägern der ge­setz­li­chen So­zi­al­ver­si­che­rung sämt­li­che re­le­van­ten Da­ten des Be­trof­fe­nen mit­zu­tei­len, die für die Ein­schätzung der Ver­si­che­rungs­pflicht so­wie die Bei­trags­fest­set­zung von Be­deu­tung sind. Die Vor­schrift enthält keine Be­gren­zung des Per­sons­krei­ses, son­dern spricht nur von dem "Be­trof­fe­nen" und nicht etwa vom Steu­er­pflich­ti­gen oder von einem ein­ge­schränk­ten Per­so­nen­kreis wie in § 31 Abs. 3 AO. Dem­nach ist Be­trof­fe­ner nicht nur das bei­trags­pflich­tige Mit­glied der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung selbst, son­dern auch eine dritte Per­son, de­ren Verhält­nisse für die Bei­trags­fest­set­zung re­le­vant sind.

Nach § 240 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 4 Bei­trVerfGrsSz set­zen sich die bei­trags­pflich­ti­gen Ein­nah­men bei Mit­glie­dern, de­ren Ehe­gatte oder Le­bens­part­ner nach dem Le­bens­part­ner­schafts­ge­setz nicht ei­ner Kran­ken­kasse nach § 4 Abs. 2 SGB V an­gehört, aus den ei­ge­nen Ein­nah­men und den Ein­nah­men des Ehe­gat­ten oder Le­bens­part­ners zu­sam­men. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen ist der Be­klagte zur Wei­ter­gabe der Be­steue­rungs­grund­la­gen der Kläge­rin an die Kran­ken­kasse be­rech­tigt und ver­pflich­tet, so­weit sie die Ver­an­la­gungs­zeiträume 2013 bis 2014 be­tref­fen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin han­delt es sich bei § 2 Abs. 4 Bei­trVerfGrsSz um eine ver­fas­sungs­gemäße Ermäch­ti­gungs­grund­lage für die Ein­be­zie­hung der Einkünfte der Kläge­rin in Be­mes­sungs­grund­lage für die Beiträge des Ehe­man­nes. Der Ge­setz­ge­ber hat in­so­weit alle we­sent­li­chen Re­ge­lun­gen selbst ge­trof­fen, wes­halb der Spit­zen­ver­band Bund der Kran­ken­kas­sen § 2 Abs. 4 Bei­trVerfGrsSz rechts­ver­bind­lich er­las­sen durfte.

Der An­trag der Kläge­rin ist al­ler­dings begründet, so­weit er die Ver­an­la­gungs­zeiträume ab 2015 be­traf. Denn mit Art. 1 Nr. 16a GKV-FQWG vom 21.7.2014 wurde § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V mit Wir­kung zum 1.8.2014 ein neuer zwei­ter Hs. an­gefügt. Seit­dem be­stimmt § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V ge­ne­rell, dass, so­fern und so­lange frei­wil­lige Mit­glie­der Nach­weise über die bei­trags­pflich­ti­gen Ein­nah­men auf Ver­lan­gen der Kran­ken­kas­sen nicht vor­le­gen, als bei­trags­pflich­tige Ein­nah­men für den Ka­len­der­tag der 30. Teil der mo­nat­li­chen Bei­trags­be­mes­sungs­grenze (§ 223 SGB V) gilt. Folge die­ser Re­ge­lung ist, dass nun­mehr nicht nur für frei­wil­lig haupt­be­ruf­lich selbständige Mit­glie­der, son­dern für alle frei­wil­lig Ver­si­cher­ten die Fest­set­zung von Höchst­beiträgen möglich ist, so­fern das Mit­glied auf Ver­lan­gen der Kran­ken­kasse Bei­trags­pflich­tige Ein­nah­men nicht nach­weist. Die Mit­tei­lung von Be­steue­rungs­grund­la­gen ist da­her ab dem Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2015 für alle frei­wil­li­gen Ver­si­cher­ten - ebenso wie zu­vor für frei­wil­lige, haupt­be­ruf­lich selbständige Ver­si­cherte - für die Bei­trags­be­mes­sung nicht mehr er­for­der­lich i.S.d. § 31 Abs. 2 S. 1 AO.

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