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Realisierungszeitpunkt eines Auflösungsverlusts bei insolvenzfreier Liquidation mit Nachtragsliquidation

BFH 1.7.2014, IX R 47/13

Maßge­ben­der Rea­li­sie­rungs­zeit­punkt des nach § 17 Abs. 4 EStG zu berück­sich­ti­gen­den Auflösungs­ver­lusts ist auch im Fall ei­ner Nach­trags­li­qui­da­tion der­je­nige, in dem mit ei­ner Aus­keh­rung von Ge­sell­schafts­vermögen an den Ge­sell­schaf­ter und mit ei­ner we­sent­li­chen Ände­rung der durch die Be­tei­li­gung ver­an­lass­ten Auf­wen­dun­gen nicht mehr zu rech­nen ist. Fal­len im Rah­men der Nach­trags­li­qui­da­tion Auf­wen­dun­gen an, die nachträgli­che An­schaf­fungs­kos­ten der Be­tei­li­gung i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind, han­delt es sich um ein nachträgli­ches Er­eig­nis, das auf den Zeit­punkt der Auflösung zurück­zu­be­zie­hen ist.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war al­lei­ni­ger Ge­sell­schaf­ter der X-GmbH. Für diese wurde im Ja­nuar 1998 der Be­schluss zur Auflösung der Ge­sell­schaft in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. Zum Li­qui­da­tor wurde der Kläger be­stellt. Nach in­sol­venz­freier Auflösung wurde am 1.11.2001 die Be­en­di­gung der Li­qui­da­tion der GmbH im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen und die Ge­sell­schaft gelöscht. Im Jahr 2003 mach­ten meh­rere Woh­nungs­ei­gentümer ei­ner Woh­nungs­ei­gen­tums­an­lage, die von der X-GmbH in den Jah­ren 1997 und 1998 er­rich­tet wor­den war, ge­gen die Ge­sell­schaft Gewähr­leis­tungs­an­sprüche we­gen Baumängeln gel­tend und be­an­trag­ten die Ein­lei­tung ei­nes selbstständi­gen Be­weis­ver­fah­rens beim LG.

Als Gläubi­ger der X-GmbH ver­an­lass­ten die Woh­nungs­ei­gentümer die An­ord­nung ei­ner Nach­trags­li­qui­da­tion, da die Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft die Not­wen­dig­keit wei­te­rer Ab­wick­lungsmaßnah­men glaub­haft ge­macht hatte. Der Kläger wurde durch Be­schluss des AG vom 12.6.2003 zum Nach­trags­li­qui­da­tor der X-GmbH be­stellt. In der Fol­ge­zeit sind der X-GmbH ne­ben Rechts- und Be­ra­tungs­kos­ten auch Kos­ten der Mängel­be­sei­ti­gung an dem Gebäude ent­stan­den. Die Nach­trags­li­qui­da­tion mündete im Jahr 2005 in einen Ver­gleich zwi­schen der Ge­sell­schaft und ih­ren Gläubi­gern. Nach des­sen Erfüllung durch die GmbH wurde die Nach­trags­li­qui­da­tion mit Schrei­ben an das AG A vom 7.12.2005 für be­en­det erklärt. Durch Be­schluss des AG vom 20.1.2006 wurde die An­ord­nung der Nach­trags­li­qui­da­tion, die nicht in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wor­den war, auf­ge­ho­ben.

Am 7.3.2007 wurde für die X-GmbH eine Li­qui­da­ti­ons­schluss­bi­lanz zum 31.12.2005 er­stellt. Der Kläger be­an­tragte die Ände­rung des un­ter Vor­be­halt der Nachprüfung ste­hen­den Ein­kom­men­steu­er­be­scheids für 2005 (Streit­jahr) mit der Begründung, der Auflösungs­ver­lust aus der Li­qui­da­tion der X-GmbH sei un­ter An­wen­dung des Hal­beinkünf­te­ver­fah­rens mit 84.082 € steu­er­lich zu berück­sich­ti­gen. Die Höhe des Auflösungs­ver­lusts ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten nicht strei­tig. Das Fi­nanz­amt lehnte den An­satz des gel­tend ge­mach­ten Auflösungs­ver­lusts ab.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG können im Streit­jahr 2005 Einkünfte aus Ge­wer­be­be­trieb in Ge­stalt ei­nes Auflösungs­ver­lusts i.S.d. § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 EStG bei dem Kläger nicht berück­sich­tigt wer­den.

Die Ge­winn­er­mitt­lung nach § 17 Abs. 2 EStG ist nicht nach dem Zu­fluss­prin­zip des § 11 EStG, son­dern nach ei­ner Stich­tags­be­wer­tung auf den Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Ge­winns oder Ver­lusts vor­zu­neh­men. Maßge­ben­der Zeit­punkt der Ge­winn- oder Ver­lus­trea­li­sie­rung ist der­je­nige, zu dem bei ei­ner Ge­winn­er­mitt­lung durch Be­triebs­vermögens­ver­gleich gem. § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach han­dels­recht­li­chen Grundsätzen ord­nungsmäßiger Buchführung der Ge­winn oder Ver­lust rea­li­siert wäre. Diese Grundsätze gel­ten ent­spre­chend für die Er­mitt­lung ei­nes Auflösungs­ge­winns oder -ver­lusts nach § 17 Abs. 4 EStG. Auch bei der Auflösung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft ist eine Stich­tags­be­wer­tung auf den Zeit­punkt der Ge­winn- oder Ver­lus­trea­li­sie­rung vor­zu­neh­men.

Hin­sicht­lich der Be­stim­mung des Zeit­punkts der Ge­winn- oder Ver­lus­trea­li­sie­rung hat der BFH be­reits aus­geführt, dass ein Ge­winn in dem Jahr zu er­fas­sen ist, in dem das auf die Be­tei­li­gung ent­fal­lende Vermögen der Ge­sell­schaft ver­teilt wurde, und dass ein Ver­lust be­reits in dem Jahr er­fasst wer­den kann, in dem mit ei­ner we­sent­li­chen Ände­rung des be­reits fest­ste­hen­den Ver­lusts nicht mehr zu rech­nen ist. Der letztmögli­che Zeit­punkt der Er­fas­sung liegt in dem Jahr, in dem die Ab­wick­lung förm­lich ab­ge­schlos­sen ist, mit­hin im Jahr der Löschung der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft im Han­dels­re­gis­ter und ih­rem da­durch ein­tre­ten­den Ende. Dass nach Veräußerung ei­ner Be­tei­li­gung oder nach Auflösung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft noch Auf­wen­dun­gen an­fal­len können, die nachträgli­che An­schaf­fungs­kos­ten der Be­tei­li­gung i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind, ändert daran nichts.

Ebenso we­nig tritt durch eine Nach­trags­li­qui­da­tion an den vor­ste­hend be­schrie­be­nen Grundsätzen zu den Zeit­punk­ten ei­ner Ge­winn- oder Ver­lus­trea­li­sie­rung eine Ände­rung ein. Maßge­ben­der Zeit­punkt der Ge­winn- oder Ver­lus­trea­li­sie­rung ver­bleibt auch im Fall ei­ner Nach­trags­li­qui­da­tion der­je­nige, zu dem bei ei­ner Ge­winn­er­mitt­lung durch Be­triebs­vermögens­ver­gleich gem. § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach han­dels­recht­li­chen Grundsätzen ord­nungsmäßiger Buchführung der Ge­winn oder Ver­lust rea­li­siert war. Im Fall der Auflösung der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft mit an­schließender Li­qui­da­tion ist dies re­gelmäßig der Zeit­punkt des Ab­schlus­ses der Li­qui­da­tion. Denn dann ist mit ei­ner Aus­keh­rung von Ge­sell­schafts­vermögen an den Ge­sell­schaf­ter und mit ei­ner we­sent­li­chen Ände­rung der durch die Be­tei­li­gung ver­an­lass­ten Auf­wen­dun­gen nicht mehr zu rech­nen.

Fal­len im Rah­men der Nach­trags­li­qui­da­tion Auf­wen­dun­gen an, die nachträgli­che An­schaf­fungs­kos­ten der Be­tei­li­gung i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind, han­delt es sich um ein nachträgli­ches Er­eig­nis, das die Höhe des Auflösungs­ge­winns oder -ver­lusts be­ein­flusst und nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO auf den Zeit­punkt der Auflösung zurück­zu­be­zie­hen ist. Nach die­sen Maßstäben ist vor­lie­gend im Streit­jahr 2005 kein Auflösungs­ver­lust aus der Nach­trags­li­qui­da­tion der X-GmbH zu berück­sich­ti­gen, weil die Li­qui­da­tion der GmbH im Jahr 2001 be­en­det war. Die Be­en­di­gung der Li­qui­da­tion wurde am 1.11.2001 im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen und die Ge­sell­schaft gelöscht. Mit ei­ner we­sent­li­chen Ände­rung der den Auflösungs­ver­lust be­stim­men­den Fak­to­ren war zu die­sem Zeit­punkt nicht mehr zu rech­nen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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