Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Februar 2010 geschieden. In der mündlichen Verhandlung wurde zuvor über die Scheidung und den Versorgungsausgleich verhandelt und für den Fall der rechtskräftigen Scheidung eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, in welcher die Scheidungsfolgesachen vergleichsweise beigelegt wurden. In seiner Steuererklärung für das Streitjahr 2010 machte der Kläger außergewöhnliche Belastungen i.H.v. insgesamt 12.527 € geltend. Darin enthalten waren Ehescheidungskosten i.H.v. 11.766 €, darunter Rechtsanwaltskosten i.H.v. 10.742 €. Letztere setzen sich zusammen aus außergerichtlichen Kosten für die Scheidungsfolgenvereinbarung i.H.v. 7.647 € sowie gerichtlichen Kosten für die Scheidung i.H.v. 1.588 € und für die Scheidungsfolgenvereinbarung i.H.v. 3.291 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts im Hinblick auf zahlreiche bereits anhängige Revisionsverfahren zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hatte den Abzug der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren als außergewöhnliche Belastung zu Unrecht versagt.
Während der BFH früher eine Zwangsläufigkeit bei Kosten eines Zivilprozesses nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen anerkannt hat und insbesondere bei Scheidungskosten nur die Kosten der eigentlichen Scheidung und der im sog. Zwangsverbund nach § 623 Abs. 1 ZPO a.F. stehenden Scheidungsfolgesachen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt hat, haben die Richter mit Urteil vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10) unter ausdrücklicher Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten (stets) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe und nicht mutwillig erschienen sei. Infolgedessen ist die bisher vorgenommene Unterscheidung zwischen Scheidungsfolgesachen im Zwangsverbund und sonstigen Scheidungsfolgesachen obsolet.
Das Recht der Ehe (Eheschließung und -scheidung einschließlich der daraus folgenden Unterhalts-, Vermögens- und Versorgungsfragen) unterliegt allein dem staatlich dafür vorgesehenen Verfahren. Ein anderes, billigeres Verfahren steht Eheleuten zur Beendigung einer Ehe nicht zur Verfügung. Ein unter Missachtung des Verbunds gefälltes Scheidungsurteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Diese nicht zuletzt aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erwägungen werden verletzt, wenn die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Ehescheidungskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) auf Fälle des sog. Zwangsverbundes zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich begrenzt wäre. Kausal für die insgesamt zu treffenden Regelungen einschließlich der vermögensrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Beziehungen ist die Beendigung der bisher bestehenden Ehe durch die begehrte Ehescheidung. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die die Ehescheidung Begehrenden letztere durch Urteil klären oder im Vergleichswege vom Gericht beurkunden lassen.
Infolgedessen waren auch im vorliegenden Fall die insgesamt mit einer Ehescheidung erwachsenen Verfahrensaufwendungen, soweit sie die gesetzlich festgelegten Gebühren nicht überstiegen, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig. Sind somit die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten dem Grunde nach abzugsfähig, bestehen auch gegen deren Höhe sowie gegen die sonstigen geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nach Aktenlage keine Einwendungen.
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