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Schönheitsoperationen können umsatzsteuerfrei sein

BFH 4.12.2014, V R 33/12 u.a.

Ästhe­ti­sche Ope­ra­tio­nen ("Schönheits­ope­ra­tio­nen") sind als um­satz­steu­er­freie Heil­be­hand­lun­gen an­zu­se­hen, wenn der Ein­griff auf­grund ei­ner Krank­heit, Ver­let­zung oder ei­nes an­ge­bo­re­nen körper­li­chen Man­gels er­for­der­lich ist. Darüber ist auf der Grund­lage an­ony­mi­sier­ter Pa­ti­en­ten­un­ter­la­gen zu ent­schei­den. Das Re­gel­be­weismaß ist auf eine "größtmögli­che Wahr­schein­lich­keit" zu ver­rin­gern.

Der Sach­ver­halt:
In den bei­den vor­lie­gen­den Fällen (Az.: V R 33/12 bzw. V R 16/12) führ­ten die kla­gen­den Kli­ni­ken in den Streit­jah­ren 2002 bzw. 2003 kos­me­ti­sche Ein­griffe und Ope­ra­tio­nen durch. Da­bei han­delte es sich vor­wie­gend um ästhe­ti­sch-chir­ur­gi­sche Maßnah­men wie Fett­absau­gun­gen, Ge­sichts-, Hals- und Au­gen­lid-Straf­fun­gen so­wie Brust­vergrößerun­gen, -ver­klei­ne­run­gen und -straf­fun­gen. Die Kläge­rin­nen gin­gen da­von aus, dass ihre Leis­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit die­sen Ope­ra­tio­nen nach § 4 Nr. 14 UStG steu­er­frei seien.

Die Fi­nanzämter un­ter­war­fen al­ler­dings in bei­den Fällen die Umsätze der Um­satz­steuer. Im Ver­fah­ren Az.: V R 16/12 wies da FG die Klage vollständig ab. Es war der An­sicht, dass die Steu­er­frei­heit vor­aus­setze, dass die Dia­gnose ei­ner Ge­sund­heitsstörung vor­liege, ohne die keine Heil­be­hand­lung ge­ge­ben sei. Hierzu genügten nicht all­ge­meine Fest­stel­lun­gen zu Ge­sund­heitsstörun­gen in Fällen plas­ti­scher Ope­ra­tio­nen; viel­mehr müsse in je­dem der Leis­tung zu­grunde lie­gen­den Fall kon­kret eine sol­che Dia­gnose vor­lie­gen. Hinzu müsse kom­men, dass das Haupt­ziel der Maßnahme die Be­sei­ti­gung oder Be­hand­lung der Ge­sund­heitsstörung sei.

Das FG im Ver­fah­ren Az.: V R 33/12 gab der Klage teil­weise statt. Es ging auf der Grund­lage ei­nes ge­richt­lich be­stell­ten Sach­verständi­gen da­von aus, dass von den ins­ge­samt 129 Be­hand­lungsfällen 45 ästhe­ti­sch in­di­ziert ver­an­lasst ge­we­sen seien, im Übri­gen aber phy­si­sch-me­di­zi­ni­sche oder psy­cho-me­di­zi­ni­sche In­di­ka­tio­nen ge­ge­ben seien.

Die Re­vi­sion im Ver­fah­ren Az. V R 16/12 war er­folg­reich. Hier muss das FG noch ein­mal ver­han­deln und ent­schei­den. Die Re­vi­sion im Ver­fah­ren Az.: V R 33/12 blieb ohne Er­folg.

Die Gründe:
Ästhe­ti­sche Ope­ra­tio­nen ("Schönheits­ope­ra­tio­nen") sind als um­satz­steu­er­freie Heil­be­hand­lun­gen an­zu­se­hen, wenn der Ein­griff auf­grund ei­ner Krank­heit, Ver­let­zung oder ei­nes an­ge­bo­re­nen körper­li­chen Man­gels er­for­der­lich ist. Darüber ist auf der Grund­lage an­ony­mi­sier­ter Pa­ti­en­ten­un­ter­la­gen zu ent­schei­den. Das Re­gel­be­weismaß ist auf eine "größtmögli­che Wahr­schein­lich­keit" zu ver­rin­gern.

Kon­kret be­deu­tet dies: Eine Be­weis­er­he­bung über ästhe­ti­sche Ope­ra­tio­nen als Heil­be­hand­lung darf nicht da­von abhängig ge­macht wer­den, dass Name und An­schrift des be­han­del­ten Pa­ti­en­ten ge­nannt wer­den. Statt­des­sen ist auf der Grund­lage der an­ony­mi­sier­ten Pa­ti­en­ten­un­ter­la­gen ein Sach­verständi­gen­gut­ach­ten über die mit der Ope­ra­tion ver­folgte Ziel­set­zung ein­zu­ho­len. In­so­fern kommt es vor al­lem auch auf die den Steu­er­pflich­ti­gen (Kli­nik oder Arzt) tref­fen­den Mit­wir­kungs­pflich­ten an. Der Steu­er­pflich­tige muss - auf an­ony­mi­sier­ter Grund­lage - de­tail­lierte An­ga­ben zu der mit dem je­wei­li­gen Be­hand­lungs­fall ver­folg­ten the­ra­peu­ti­schen oder pro­phy­lak­ti­schen Ziel­set­zung ma­chen.

In­fol­ge­des­sen war das FG im Ver­fah­ren Az. V R 16/12 zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass es zu ei­ner Sach­ver­halts­er­for­schung in Be­zug auf die ein­zel­nen Be­hand­lungsfälle nur dann ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, wenn die Pa­ti­en­ten der Kläge­rin in die Of­fen­ba­rung der zum persönli­chen Le­bens­be­reich gehören­den Be­hand­lungs­ge­heim­nisse ein­wil­li­gen, da an­sons­ten eine Ver­let­zung von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorläge. Dem­ge­genüber war eine Sach­ver­halts­aufklärung in Be­zug auf die ein­zel­nen Be­hand­lungsfälle auf der Grund­lage an­ony­mi­sier­ter Pa­ti­en­ten­un­ter­la­gen not­wen­dig und möglich.

Im Ver­fah­ren Az.: V R 33/12 hatte das FG in Übe­rein­stim­mung mit der höchstrich­ter­li­chen Recht­spre­chung ent­schie­den, dass Maßnah­men der plas­ti­schen Chir­ur­gie nur dann als Heil­be­hand­lung steu­er­frei sind, wenn sie the­ra­peu­ti­schen Zwecken die­nen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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