Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat seit Ende 1994 ihren Hauptwohnsitz in Köln. Ihr Vater hatte bereits im Jahr 1966 auf der Insel Sylt ein Einfamilienhaus errichtet und meldete dort für sich, seine Ehefrau und seine zwei Kinder einen Wohnsitz an. Die Familie nutzte in den Folgejahren das Objekt als Ferienhaus. Der Hauptwohnsitz der Familie befand sich bis Anfang der 90er Jahre in S., danach verlagerten die Eltern und der Sohn den Lebensmittelpunkt nach Sylt, behielten aber das Haus in S. als Wohnsitz bei.
Im Juni 2006 erwarb die Klägerin von ihrem Bruder seinen ½ -Anteil zu einem Kaufpreis i.H.v. 200.000 €. Bereits im September 2006 veräußerte sie das Haus an einen Dritten für 2,5 Mio. €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 erklärte die Klägerin keinen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf. Das Finanzamt berücksichtigte zunächst keinen Veräußerungsgewinn sondern im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 113.132 €. Später änderte es die Einkommensteuer 2006 und setzte die Steuer mit 932.625 € fest. Für das Haus auf Sylt wurde ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG i.H.v. 2,1 Mio. € zugrunde gelegt. Anschaffungen (1998 und 2006) und Veräußerung (2006) seien innerhalb von zehn Jahren erfolgt. Es läge keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. IX R 37/16 anhängig.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in Bezug auf den hälftigen Miteigentumsanteil der Klägerin an dem Objekt auf Sylt, den sie von ihrem Vater erworben hatte, lagen vor.
Die Klägerin hatte den Miteigentumsanteil im März 1998 angeschafft und innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist, nämlich im September 2006 wieder veräußert. Zwar betrug zum Zeitpunkt des Erwerbs die Spekulationsfrist noch zwei Jahre. Nach § 52 Abs. 39 S. 1 EStG galt die neue Frist von zehn Jahren erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1999, bezog aber - rückwirkend - auch bereits erworbene Grundstücke ein, sofern der Vertrag über die Veräußerung erst im Jahr 1999 oder später geschlossen wurde. Auch ausgehend vom BVerfG-Beschl. v. 7.7.2010 (2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05) unterlag das private Veräußerungsgeschäft der Klägerin betreffend dem vom Vater erworbenen Miteigentumsanteil vollständig der Besteuerung gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, weil mit dessen Erwerb im März 1998 unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Spekulationsfrist von zwei Jahren bis zum 31.3.1999 kein - auch kein anteilig entstandener - Spekulationsgewinn hätte steuerfrei realisiert werden können.
Die Klägerin konnte für den vom Vater erworbenen Miteigentumsanteil auch nicht die Ausnahme des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in Anspruch nehmen, denn es lagen weder die Voraussetzungen der Alt. 1 noch die der Alt.2 vor. Aufgrund der Vermietung an den Vater stand die Nutzung des Objekts dem Vater zu, so dass das Einfamilienhaus der Klägerin nicht während des (gesamten) Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung jederzeit zur selbständigen Nutzung zur Verfügung stand. Eine Eigennutzung i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in seiner 2. Alt. kam nach Auffassung des Senats bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem Objekt auf Sylt um eine Zweitwohnung der Klägerin handelte, die sie nicht aus beruflichen Gründen vorhielt, sondern für Ferienaufenthalte genutzt hatte.
Ob eine Zweitwohnung ein für eine Eigennutzung i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in seiner 2. Alt. taugliches Objekt ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Der Senat hält es aber mit dem Gesetzeszweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht für vereinbar, auch solche Zweitwohnungen zu begünstigen, die nicht aus beruflichen Gründen - etwa im Wege der doppelten Haushaltführung - vorgehalten und zeitweise, ggf. auch nur kurzfristig genutzt werden, sondern im Wesentlichen für Erholungsaufenthalte vorgesehen sind. Dabei lässt er sich zunächst von der Überlegung leiten, dass es sich bei der Vorschrift um eine Ausnahme von der Belastungsgrundsatzentscheidung des Gesetzgebers handelt, private Veräußerungsgeschäfte der Besteuerung zu unterwerfen. Der Ausnahmetatbestand muss daher, um gleichheitswidrige Ergebnisse zu vermeiden, streng anhand des normativen Lenkungs- und Förderzwecks legitimiert werden.
Linkhinweis:
- Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.