Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut. Sie hatte in den Streitjahren 2000 bis 2003 im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgrund von mehreren Dienstleistungsverträgen gegenüber anderen Kreditinstituten (Leistungsempfänger-Kreditinstituten) gegen Entgelt Leistungen erbracht, die der Abwicklung des "beleghaften" Zahlungs- und Überweisungsverkehrs dieser Kreditinstitute dienten; der "beleglose" Zahlungsverkehr (über Homebanking und SB-Terminal) war vom Leistungsumfang nicht erfasst. Zur Nachbearbeitung der Belege für die Leistungsempfänger-Kreditinstitute wurden von der Klägerin sechs Mitarbeiter beschäftigt.
Gründe:
Die Würdigung des FG, die Leistungen der Klägerin seien nicht als "Umsätze ... im Zahlungs- und Überweisungsverkehr" i.S.d. § 4 Nr. 8d UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen, war frei von Rechtsfehlern.
An die Auslegung sind nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH folgende Grundsätze zu beachten:
1. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) enthält autonome Begriffe des Unionsrechts, die eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass auf jede von einem Steuerpflichtigen gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung Mehrwertsteuer zu erheben ist, wobei ihr Geltungsbereich auf das zu beschränken ist, was zur Wahrung der Interessen, die diese Ausnahmen zu schützen erlauben, unbedingt erforderlich ist.
2. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 135 Abs. 1d MwStSystRL erfassen nur Finanzumsätze, auch wenn diese nicht notwendigerweise von Banken oder Finanzinstituten ausgeführt werden müssen. Entscheidend ist die Natur der Dienstleistung und nicht die Art ihrer Ausführung.
3. Eine Überweisung i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 135 Abs. 1d MwStSystRL ist nach EuGH-Rechtsprechung ein Vorgang, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht. Sie ist namentlich dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger auf der einen Seite und zwischen diesen und ihren jeweiligen Banken auf der anderen Seite sowie gegebenenfalls zwischen den Banken führt; dies gilt aber auch dann, wenn Auftraggeber und Empfänger dieselbe Person sind und die Konten bei derselben Bank geführt werden. Darüber hinaus ist der Vorgang, der zu dieser Änderung führt, allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten unabhängig von deren Grund. Die rechtlichen und finanziellen Änderungen, die geeignet sind, einen von der Mehrwertsteuer befreiten Umsatz zu kennzeichnen, ergeben sich allein aus der tatsächlichen oder potenziellen Übertragung des Eigentums an Geld, ohne dass es notwendig wäre, dass der so getätigte Umsatz Dritten entgegengehalten werden kann.
4. Der Umstand, dass der Dienstleistungserbringer selbst unmittelbar Belastungen und/oder Gutschriften auf einem Konto oder Umbuchungen zwischen den Konten ein und desselben Inhabers vornehmen kann, lässt zwar grundsätzlich den Schluss zu, dass diese Bedingung erfüllt und die betreffende Dienstleistung von der Steuer befreit ist; doch kann die bloße Tatsache, dass seine Dienstleistung nicht unmittelbar eine solche Aufgabe umfasst, nicht von vornherein ausschließen, dass sie unter die in Rede stehende Steuerbefreiung fällt. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG schließt es nämlich nicht aus, dass der Überweisungsvorgang in verschiedene einzelne Leistungen zerfällt, die dann "Umsätze im Überweisungsverkehr" i.S. dieser Bestimmung darstellen. Die in Rede stehenden Dienstleistungen sind jedoch nur dann steuerfrei, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung erfüllt.
5. Die befreite Dienstleistung i.S.d. Richtlinie ist von der Erbringung einer rein materiellen oder technischen Leistung, wie sie etwa vorliegt, wenn einer Bank ein EDV-System zur Verfügung gestellt wird, zu unterscheiden; zu diesem Zweck muss das nationale Gericht insbesondere den Umfang der Verantwortung des Dienstleistungserbringers gegenüber den Banken untersuchen, namentlich die Frage, ob diese Verantwortung auf technische Aspekte beschränkt ist oder sich auf spezifische und wesentliche Elemente der Umsätze erstreckt. Aus dem Umstand allein, dass ein Element für die Bewirkung eines befreiten Umsatzes unerlässlich ist, lässt sich nicht die Befreiung dieses Leistungselements herleiten.
6. Infolgedessen reicht die Übertragung der Angaben auf von den Banken übermittelten körperlichen Belegen für die EDV-mäßige Bearbeitung des Auftrages für die Gewährung der Steuerbefreiung nicht aus, da dieser Vorgang als technische Leistung nicht als spezifisch und wesentlich anzusehen ist. Die genannten Erwägungen gelten nicht nur für Umsätze im Überweisungsverkehr, sondern auch für Umsätze im Zahlungsverkehr.
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