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Steuerfreiheit von Umsätzen privater Krankenhausbetreiber bis 2008 sowie ab 2009

BFH 18.3.2015, XI R 8/13 u.a.

Die Steu­er­be­frei­ung der mit dem Be­trieb ei­nes Kran­ken­hau­ses eng ver­bun­de­nen Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG in der bis zum 31.12.2008 gel­ten­den Fas­sung i.V.m. § 67 AO war hin­sicht­lich der 40-Pro­zent-Grenze uni­ons­rechts­kon­form. Hin­sicht­lich der ab 2009 gel­ten­den - uni­ons­rechts­wid­ri­gen - Re­ge­lung in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Dop­pel­buchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V kann sich der Be­trei­ber ei­ner Pri­vat­kli­nik für die Steu­er­frei­heit sei­ner Leis­tun­gen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwSt­Sys­tRL be­ru­fen.

Hin­ter­grund:
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG in der bis ein­schließlich 2008 gel­ten­den Fas­sung (a.F.) wa­ren die mit dem Be­trieb der pri­va­ten Kran­kenhäuser eng ver­bun­de­nen Umsätze steu­er­frei, wenn bei Kran­kenhäusern im vor­an­ge­gan­ge­nen Ka­len­der­jahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO be­zeich­ne­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wur­den. Bei einem Kran­ken­haus, das nicht in den An­wen­dungs­be­reich des Kran­ken­haus­ent­gelt­ge­set­zes oder der Bun­des­pfle­ge­satz­ver­ord­nung fiel, muss­ten da­nach min­des­tens 40 Pro­zent der jähr­li­chen Be­le­gungs­tage oder Be­rech­nungs­tage auf Pa­ti­en­ten ent­fal­len, bei de­nen für die Kran­ken­haus­leis­tun­gen kein höheres Ent­gelt als für all­ge­meine Kran­ken­haus­leis­tun­gen be­rech­net wurde.

Nach der ab 2009 gel­ten­den Rechts­lage sind die Leis­tun­gen der pri­va­ten Kran­kenhäuser nur steu­er­frei, wenn es sich um eine Hoch­schul­kli­nik, ein in den Kran­ken­haus­plan ei­nes Lan­des auf­ge­nom­me­nes Kran­ken­haus oder um ein Kran­ken­haus han­delt, das über einen Ver­sor­gungs­ver­trag mit den Verbänden der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen verfügt (§ 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Dop­pel­buchst. aa UStG).

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin im Ver­fah­ren XI R 8/13 be­trieb ein pri­va­tes Kran­ken­haus für Psy­cho­so­ma­tik, Psy­cho­the­ra­pie und Kri­sen­in­ter­ven­tion. Sie be­han­delte in den Streit­jah­ren 2003 bis 2006 pri­vat ver­si­cherte Pa­ti­en­ten und Selbst­zah­ler. Im Ver­fah­ren XI R 38/13 han­delte es sich um eine Pri­vat­kli­nik, in der nie­der­ge­las­sene Ärzte im Streit­jahr 2009 ope­ra­tive Ein­griffe an ge­setz­lich und pri­vat ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten durchführ­ten. Im An­schluss an Außenprüfun­gen ver­trat das je­wei­lige Fi­nanz­amt die Auf­fas­sung, dass die Vor­aus­set­zun­gen für eine Steu­er­frei­heit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. (XI R 8/13) bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Dop­pel­buchst. aa UStG (XI R 38/13) nicht erfüllt seien.

Das FG gab den Kla­gen in bei­den Fällen statt. Die be­tref­fende Kläge­rin könne sich für die Steu­er­frei­heit der streit­be­fan­ge­nen Umsätze je­weils auf das Uni­ons­recht be­ru­fen. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH im Ver­fah­ren XI R 8/13 das Ur­teil des FG auf und wies die Klage ab. Im Ver­fah­ren XI R 38/13 hatte die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts da­ge­gen kei­nen Er­folg.

Die Gründe:

+++ XI R 8/13 +++
Die Steu­er­be­frei­ung der mit dem Be­trieb ei­nes Kran­ken­hau­ses eng ver­bun­de­nen Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO ist hin­sicht­lich der 40-Pro­zent-Grenze uni­ons­rechts­kon­form. Diese Grenze verstößt zu­dem nicht ge­gen den Grund­satz der mehr­wert­steu­er­recht­li­chen Neu­tra­lität. So­weit der na­tio­nale Ge­setz­ge­ber in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. auf die Verhält­nisse des vor­an­ge­gan­gen Ka­len­der­jahrs ab­ge­stellt hat, wofür das Uni­ons­recht keine Grund­lage bie­tet, war der Streit­fall hier­von nicht be­trof­fen.

+++ XI R 38/13 +++
Der Se­nat schließt sich der Recht­spre­chung des V. Se­nats des BFH an, der mit Ur­teil vom 23.10.2014 (V R 20/14) ent­schie­den hat, dass die na­tio­nale Re­ge­lung in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Dop­pel­buchst. aa UStG nicht den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben ent­spricht. Der na­tio­nale Ge­setz­ge­ber hat den ihm in­so­weit ein­geräum­ten Er­mes­sens­spiel­raum über­schrit­ten, weil die Re­ge­lung in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Dop­pel­buchst. aa UStG die Steu­er­frei­heit der Leis­tungs­er­brin­gung in pri­va­ten Kran­kenhäusern un­ter einen so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Be­darfs­vor­be­halt stellt, der mit dem Uni­ons­recht nicht ver­ein­bar ist. Die Kläge­rin in die­sem Ver­fah­ren kann sich da­her für die Steu­er­frei­heit der streit­be­fan­ge­nen Umsätze un­mit­tel­bar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehr­wert­steu­er­sys­tem­richt­li­nie be­ru­fen, des­sen Vor­aus­set­zun­gen sie erfüllt.

Link­hin­weis:

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