Hintergrund:
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG in der bis einschließlich 2008 geltenden Fassung (a.F.) waren die mit dem Betrieb der privaten Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt wurden. Bei einem Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fiel, mussten danach mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet wurde.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin im Verfahren XI R 8/13 betrieb ein privates Krankenhaus für Psychosomatik, Psychotherapie und Krisenintervention. Sie behandelte in den Streitjahren 2003 bis 2006 privat versicherte Patienten und Selbstzahler. Im Verfahren XI R 38/13 handelte es sich um eine Privatklinik, in der niedergelassene Ärzte im Streitjahr 2009 operative Eingriffe an gesetzlich und privat versicherten Patienten durchführten. Im Anschluss an Außenprüfungen vertrat das jeweilige Finanzamt die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. (XI R 8/13) bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG (XI R 38/13) nicht erfüllt seien.
Das FG gab den Klagen in beiden Fällen statt. Die betreffende Klägerin könne sich für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze jeweils auf das Unionsrecht berufen. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH im Verfahren XI R 8/13 das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Im Verfahren XI R 38/13 hatte die Revision des Finanzamts dagegen keinen Erfolg.
Die Gründe:
+++ XI R 8/13 +++
Die Steuerbefreiung der mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO ist hinsichtlich der 40-Prozent-Grenze unionsrechtskonform. Diese Grenze verstößt zudem nicht gegen den Grundsatz der mehrwertsteuerrechtlichen Neutralität. Soweit der nationale Gesetzgeber in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. auf die Verhältnisse des vorangegangen Kalenderjahrs abgestellt hat, wofür das Unionsrecht keine Grundlage bietet, war der Streitfall hiervon nicht betroffen.
+++ XI R 38/13 +++
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des V. Senats des BFH an, der mit Urteil vom 23.10.2014 (V R 20/14) entschieden hat, dass die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Der nationale Gesetzgeber hat den ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weil die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in privaten Krankenhäusern unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stellt, der mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist. Die Klägerin in diesem Verfahren kann sich daher für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen, dessen Voraussetzungen sie erfüllt.
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